Karnevalistische Tanzfestspiele
Fasching Mit der 43. Prunk- und Fremdensitzung übernimmt der Leipheimer Haufen die Faschingshoheit in der Stadt
Leipheim Beim Einmarsch von Frohsinn & Co. in den lichtumflirrten Narrentempel Güssenhalle, marschierte neben helau-pointierter Koketterie und dem notwendigen Quantum produktiver Nervosität, vor allem ein Schwall Bundeskanzlerin-Aura mit. Den hatte sich der Leipheimer Haufen bei der Einladung zum regierungsamtlichen Karnevalsempfang in Berlin an Tanztrikots und Narrenmützen heften dürfen. Kein Wunder, dass die höheren Weihen allerhöchster Politprominenz fast ein Grund sein könnten in reiner Freude aufzugehen. Aber eben nur fast. Denn schließlich sind wir beim Karneval und nicht im Paradies!
In ernsthaft-fröhlichem Jubeltrubelmodus also stellten sich, von Sitzungspräsident Uli Salentin mit gewohnt peppigem Drive moderiert, fünf mitwirkende Gesellschaften in kostümlich schmissiger Buntheit dem Publikum vor, mitsamt prinzlichen Tollitäten und ordengeschmückten Würdenträgern. Nun ist es ja so, dass die Jüngsten der Leipheimer Faschingskids zu ihrem Minigardenauftritt großenteils auf die Bühne getragen werden müssen, denn natürlicherweise lernen sie erst Tanzen bevor sie zum Gehen überwechseln. Und die erste Beifallsrakete des Abends für ihre hippe Kuddelmuddelshow ist ihnen immer sicher. Die Grundlage für die alljährlich zu Prunk- und Fremdensitzungszeiten veranstalteten und überregional hoch bewerteten, karnevalistischen „Tanzfestspiele“. Klar, dass sich tänzerischer Elan, choreografische Umsetzung und kultivierte Coolness über Kinderhofstaat und Güssenfunken bis zu Weiß-Blauer und Güssengarde kontinuierlich bis ultraheavy weiterentwickeln. Zu gardetänzerischen Megaknallern, zu pop-jazzigem Showtanz-Märchenzauber im Zuckerwatteland, zu musical-leichtgewichtigem Schwanenzauber. Da ist auch von beiden Prinzenpaaren, neben obligater OrdensüberreichungsKüsschenarbeit, ernsthaft tänzerischer Beitrag gefordert. Die Nachwuchstollitäten Prinz Tümay I. und Prinzessin Sena I. zeigten in rockrhythmischer Karatemeisterschaftsmanier Weltverbesserungsambitionen, die gewaltfreier amtierenden Prinz Mehmet I. und Prinzessin Jenny I. begnügten sich mit nächtlichen Kussvariationen orientalischer Art. Sinnenfroh und herzbewegend. Wie auch die wahnsinnsnahen Guggamusiker, nur etwas lauter.
Tanzfrei und auf Comedyart versuchte ein „Anatomieprofessor“Schwaben Schwäbisch beizubringen, ein Franke 60er-Jahre-Schlager zu hupen, mit Knopfharmonika das Publikum, zu nostalgisch generationenübergreifendem Weltschmerzsound, in Fitnessekstase zu versetzen, und eine Putzfrau namens Schäufele, im Zustand „hormoneller Unterzuckerung“, eklatant-rasante Bravournummern abzuziehen, mit hochvirtuosem Witz schwäbische Spätzlekultur, aus so richtig vollem Rohr, gegen so ziemlich alle Tabus loszupowern. Extrem okay und supercool. Trotzdem, gegen die Eleganz einer geradezu explodierenden Tanzkultur kam auch sie nicht an. Gegen die Tanzmariechen aus Unterelchingen und Gundelfingen, das Deutsche-Meister-Tanzpaar aus Fildern, die Extraklasse der preisgekürten Garde- und Showtanzakrobaten aus Fildern und Bäumenheim. Gehobener, geworfener, exakt choreografierter Kosmos aus tanzvirtuoser Selbstsicherheit, durchexerzierter Ausgefuchstheit und zündender Brillanz.
Natürlich, diese vordergründige Gaudikultur erfordert einen nicht weniger einsatzfreudigen Apparat hinter den Kulissen. Übungs- und Trainingsleiter, Kostümschneiderinnen und Techniker, Organisatoren und Sponsoren. Ihr Leistungsbeitrag wird vornehmlich in Orden, Urkunden und Würdigungen bemessen. Meistens so nebenbei, manchmal auch auf offener Bühne. Ferdinand Munk, einer der Hauptunterstützer des Leipheimer Faschings, nutzte die „prunkvolle Prunksitzung“um dem Ersten Bürgermeister der Stadt, Christian Konrad, die urkundlich bestätigte Mitgliedschaft zum Ehrensenator nebst Narrenkappenbefähigung zu verleihen. Das Großkreuz des Landesverbandes Württemberger Karneval gab es für Ulrike Wiora, Stefan Hölldobler und Rainer Kreibich, den Großen Verdienstorden am Bande für Tobias Baumgärtner, den Silbernen Gardeorden für Aline Linder, den in Gold für Andrea Sobcyk und den Verdienstorden in Silber des Bund deutscher Karneval für Helga Siegel.
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