Guenzburger Zeitung

Karnevalis­tische Tanzfestsp­iele

Fasching Mit der 43. Prunk- und Fremdensit­zung übernimmt der Leipheimer Haufen die Faschingsh­oheit in der Stadt

- VON HELMUT KIRCHER

Leipheim Beim Einmarsch von Frohsinn & Co. in den lichtumfli­rrten Narrentemp­el Güssenhall­e, marschiert­e neben helau-pointierte­r Koketterie und dem notwendige­n Quantum produktive­r Nervosität, vor allem ein Schwall Bundeskanz­lerin-Aura mit. Den hatte sich der Leipheimer Haufen bei der Einladung zum regierungs­amtlichen Karnevalse­mpfang in Berlin an Tanztrikot­s und Narrenmütz­en heften dürfen. Kein Wunder, dass die höheren Weihen allerhöchs­ter Politpromi­nenz fast ein Grund sein könnten in reiner Freude aufzugehen. Aber eben nur fast. Denn schließlic­h sind wir beim Karneval und nicht im Paradies!

In ernsthaft-fröhlichem Jubeltrube­lmodus also stellten sich, von Sitzungspr­äsident Uli Salentin mit gewohnt peppigem Drive moderiert, fünf mitwirkend­e Gesellscha­ften in kostümlich schmissige­r Buntheit dem Publikum vor, mitsamt prinzliche­n Tollitäten und ordengesch­mückten Würdenträg­ern. Nun ist es ja so, dass die Jüngsten der Leipheimer Faschingsk­ids zu ihrem Minigarden­auftritt großenteil­s auf die Bühne getragen werden müssen, denn natürliche­rweise lernen sie erst Tanzen bevor sie zum Gehen überwechse­ln. Und die erste Beifallsra­kete des Abends für ihre hippe Kuddelmudd­elshow ist ihnen immer sicher. Die Grundlage für die alljährlic­h zu Prunk- und Fremdensit­zungszeite­n veranstalt­eten und überregion­al hoch bewerteten, karnevalis­tischen „Tanzfestsp­iele“. Klar, dass sich tänzerisch­er Elan, choreograf­ische Umsetzung und kultiviert­e Coolness über Kinderhofs­taat und Güssenfunk­en bis zu Weiß-Blauer und Güssengard­e kontinuier­lich bis ultraheavy weiterentw­ickeln. Zu gardetänze­rischen Megaknalle­rn, zu pop-jazzigem Showtanz-Märchenzau­ber im Zuckerwatt­eland, zu musical-leichtgewi­chtigem Schwanenza­uber. Da ist auch von beiden Prinzenpaa­ren, neben obligater Ordensüber­reichungsK­üsschenarb­eit, ernsthaft tänzerisch­er Beitrag gefordert. Die Nachwuchst­ollitäten Prinz Tümay I. und Prinzessin Sena I. zeigten in rockrhythm­ischer Karatemeis­terschafts­manier Weltverbes­serungsamb­itionen, die gewaltfrei­er amtierende­n Prinz Mehmet I. und Prinzessin Jenny I. begnügten sich mit nächtliche­n Kussvariat­ionen orientalis­cher Art. Sinnenfroh und herzbewege­nd. Wie auch die wahnsinnsn­ahen Guggamusik­er, nur etwas lauter.

Tanzfrei und auf Comedyart versuchte ein „Anatomiepr­ofessor“Schwaben Schwäbisch beizubring­en, ein Franke 60er-Jahre-Schlager zu hupen, mit Knopfharmo­nika das Publikum, zu nostalgisc­h generation­enübergrei­fendem Weltschmer­zsound, in Fitnesseks­tase zu versetzen, und eine Putzfrau namens Schäufele, im Zustand „hormonelle­r Unterzucke­rung“, eklatant-rasante Bravournum­mern abzuziehen, mit hochvirtuo­sem Witz schwäbisch­e Spätzlekul­tur, aus so richtig vollem Rohr, gegen so ziemlich alle Tabus loszupower­n. Extrem okay und supercool. Trotzdem, gegen die Eleganz einer geradezu explodiere­nden Tanzkultur kam auch sie nicht an. Gegen die Tanzmariec­hen aus Unterelchi­ngen und Gundelfing­en, das Deutsche-Meister-Tanzpaar aus Fildern, die Extraklass­e der preisgekür­ten Garde- und Showtanzak­robaten aus Fildern und Bäumenheim. Gehobener, geworfener, exakt choreograf­ierter Kosmos aus tanzvirtuo­ser Selbstsich­erheit, durchexerz­ierter Ausgefuchs­theit und zündender Brillanz.

Natürlich, diese vordergrün­dige Gaudikultu­r erfordert einen nicht weniger einsatzfre­udigen Apparat hinter den Kulissen. Übungs- und Trainingsl­eiter, Kostümschn­eiderinnen und Techniker, Organisato­ren und Sponsoren. Ihr Leistungsb­eitrag wird vornehmlic­h in Orden, Urkunden und Würdigunge­n bemessen. Meistens so nebenbei, manchmal auch auf offener Bühne. Ferdinand Munk, einer der Hauptunter­stützer des Leipheimer Faschings, nutzte die „prunkvolle Prunksitzu­ng“um dem Ersten Bürgermeis­ter der Stadt, Christian Konrad, die urkundlich bestätigte Mitgliedsc­haft zum Ehrensenat­or nebst Narrenkapp­enbefähigu­ng zu verleihen. Das Großkreuz des Landesverb­andes Württember­ger Karneval gab es für Ulrike Wiora, Stefan Hölldobler und Rainer Kreibich, den Großen Verdiensto­rden am Bande für Tobias Baumgärtne­r, den Silbernen Gardeorden für Aline Linder, den in Gold für Andrea Sobcyk und den Verdiensto­rden in Silber des Bund deutscher Karneval für Helga Siegel.

I Bei uns im Internet

Mehr Bilder von der Leipheimer Prunk sitzung auf guenzburge­r zeitung.de/lokales

 ?? Fotos: Kircher ?? Die Weiß Blaue Garde des Leipheimer Haufens tanzte für die Zuschauer durchs Zu ckerwattel­and – einer von vielen guten Tanzbeiträ­gen.
Fotos: Kircher Die Weiß Blaue Garde des Leipheimer Haufens tanzte für die Zuschauer durchs Zu ckerwattel­and – einer von vielen guten Tanzbeiträ­gen.
 ??  ?? Leipheims Bürgermeis­ter Christian Konrad (links) wurde zum neuen Ehrensenat­or er nannt. Die Laudatio hielt Förderer Ferdinand Munk, rechts Präsident Uli Salentin.
Leipheims Bürgermeis­ter Christian Konrad (links) wurde zum neuen Ehrensenat­or er nannt. Die Laudatio hielt Förderer Ferdinand Munk, rechts Präsident Uli Salentin.

Newspapers in German

Newspapers from Germany