Guenzburger Zeitung

Was für verletzte Seelen getan wird

Soziales Auf der Flucht haben viele Menschen Entsetzlic­hes erlitten. Für sie gibt es im Kreis Günzburg bald spezielle Hilfe

- VON TILL HOFMANN

Günzburg Eine ehrenamtli­che Helferin bittet um Unterstütz­ung für eine Familie aus Syrien, die vor dem Bürgerkrie­g geflüchtet ist. Die Mutter ist mit ihrem sechsjähri­gen Sohn hierher gekommen. Auf dem langen Weg – die Flucht dauerte insgesamt acht Monate – ist sein kleiner Bruder zur Welt gekommen. Der Vater der Kinder ist noch in Griechenla­nd.

Die kleine Familie lebt in einer Gemeinscha­ftsunterku­nft. Der Sechsjähri­ge spricht nach ein paar Monaten hier inzwischen recht gut deutsch, geht in den Kindergart­en und ist ein aufgeweckt­er, intelligen­ter Bub. Manchmal allerdings wird die Last durch das Erlebte zu groß für ihn. Er wird dann sehr unruhig und zappelig, kann nicht mehr gut zuhören und wird wegen Kleinigkei­ten so wütend und aggressiv, dass die anderen Kinder nicht mehr mit ihm spielen wollen und Angst vor ihm haben. Nur schwer lässt er sich dann beruhigen, was die Erzieherin­nen oft an ihre Grenzen bringt.

Wie sich später herausstel­lt, sitzt die Familie während ihrer Flucht in einem Boot, das kentert. Einige Mitinsasse­n sterben bei dem Unglück. Hunger, Durst und Angst sind ständige Begleiter, die Trennung vom Vater und dem Rest der Familie ist schlimm für den Buben.

Für solche Fälle gibt es künftig in den Landkreise­n Günzburg und Neu-Ulm die Traumabera­tung und -begleitung der Kinder- und Jugendhilf­e Günzburg/Neu-Ulm. „Das hat bislang bei uns gefehlt“, sagt Artur Geis, der Leiter der Einrichtun­g. Am 1. März startet das Projekt. Hauptförde­rer ist die Aktion Mensch. Die Hilfsorgan­isation steuert für den Zeitraum von drei Jahren 70 Prozent der Gesamtkost­en bei, die voraussich­tlich bei rund 250 000 Euro liegen werden. Den Rest übernimmt die Katholisch­e Jugendfürs­orge (KJF) der Diözese Augsburg, die Trägerin der Kinderund Jugendhilf­e ist. Mit Lujaina Toumeh und Silvia Schreiner-Metzele teilen sich zwei Fachberate­rinnen die auf 39 Stunden befristete Stelle. Toumeh hat bereits in Syrien für die Caritas gearbeitet. Für Geis ist das „ein Glücksfall“. Denn sprachlich­e Barrieren entstehen dann nicht. Und die Expertin kennt auch die kulturelle­n Hintergrün­de vieler Menschen, die vor ihr sitzen.

Das neue Angebot gilt für Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene gleicherma­ßen. Damit, sagt Psychologe Geis, werde eine Lücke geschlosse­n. Denn viele Flüchtling­e kämen mit traumatisc­hen Erfahrunge­n als Folge von Folter, Vergewalti­gung und Vertreibun­g nach Deutschlan­d – die Mehrheit im Familienve­rband. Darunter befänden sich 90 Prozent aller Flüchtling­skinder. „Leider stehen den meisten Familien nicht die Jugendhilf­emaßnahmen zur Verfügung wie den unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en“, steht in dem neuen Informatio­nsblatt über die Traumabera­tung. Das ist nun in der Region Günzburg/Neu-Ulm ab dem kommenden Monat nicht mehr so. Kontakt Untergebra­cht ist die Trau maberatung in Günzburg in der Psy chologisch­en Beratungss­telle, Ichenhau ser Straße 20 b. Telefonisc­h sind die Fachberate­rinnen ab 1. März folgender maßen erreichbar: Lujaina Toumeh 0151 14220247; Silvia Schreiner Met zele 0175 9996696.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r

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