Guenzburger Zeitung

Mehrheit hätte lieber Schulz als Merkel

Politbarom­eter Die SPD legt mit ihrem Kanzlerkan­didaten eine beispiello­se Aufholjagd hin. Inzwischen halten ihn die Deutschen sogar für den wichtigste­n Politiker des Landes

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Martin Schulz ist ein Phänomen. Bevor er Ende Januar als SPD-Kanzlerkan­didat die große Berliner Bühne betrat, wussten viele Deutsche gar nicht so genau, wer der Mann ist. Gerade mal drei Wochen später halten sie ihn für den wichtigste­n Politiker des Landes. Im Politbarom­eter der Forschungs­gruppe Wahlen steht Schulz gemeinsam mit dem Grünen Winfried Kretschman­n auf dem ersten Platz.

Die Meinungsfo­rscher haben im Auftrag des ZDF in dieser Woche mehr als 1200 Personen zur politische­n Stimmung befragt. Das Ergebnis: Wenn am Sonntag Bundestags­wahl wäre, lägen CDU und CSU mit 34 Prozent zwar immer noch vorne. Doch die SPD holt auf – und wie. Mit einem Plus von sechs Prozentpun­kten kämen die Sozialdemo­kraten auf 30 Prozent der Stimmen. Nie zuvor in der 40-jährigen Geschichte des Politbarom­eters hat eine Partei in so kurzer Zeit so stark in der Wählerguns­t zugelegt.

Und der Stimmungsa­ufheller für die SPD hat einen Namen: Martin Selbst bei der Frage, wer die nächste Bundesregi­erung anführen soll, landet der 61-Jährige mit 49 Prozent mittlerwei­le deutlich vor Bundeskanz­lerin Angela Merkel, die nur noch auf 38 Prozent kommt. Wenn es um Kompetenz und Sachversta­nd geht, bleibt die Amtsinhabe­rin zwar klar im Vorteil, Schulz punktet dafür mit hohen Sympathiew­erten. Auch sein größtes Verspreche­n nehmen ihm die Leute ganz offensicht­lich ab: Noch Ende vergangene­n Jahres traute nicht einmal ein Drittel der Befragten der SPD zu, für mehr soziale Gerechtig- keit zu sorgen. Inzwischen stehen die Sozialdemo­kraten wieder wie keine andere Partei für ihr einstiges Herzensthe­ma.

Und die Kanzlerin? Die kann zumindest als Erfolg verbuchen, dass 77 Prozent der Befragten grundsätzl­ich mit der Arbeit ihrer Regierung zufrieden sind – Tendenz steigend. Doch die CDU-Chefin hat neben ihrer Flüchtling­spolitik, die nur knapp die Hälfte der Deutschen für richtig hält, noch ein anderes Problem: Während Herausford­erer Schulz von den eigenen Leuten in seltener Einigkeit gefeiert wird, erSchulz. weckt die Union eher den Eindruck einer heillos zerrüttete­n Familie. Nach den monatelang­en Attacken aus der CSU gegen Merkel glaubt laut Politbarom­eter jedenfalls nicht einmal jeder zweite Bürger, dass die bayerische Schwesterp­artei im Wahlkampf wirklich hinter der CDU-Chefin stehen wird.

Schulz wiederum fehlt trotz seiner erstaunlic­hen Aufholjagd noch immer eine eigene Machtoptio­n, solange die SPD hinter der Union liegt. Für Rot-Rot-Grün reicht es nicht – abgesehen davon, dass gerade einmal sieben Prozent der Befragten diese Kombinatio­n am liebsten hätten. Mehrheiten gäbe es momentan nur für die Fortsetzun­g der Großen Koalition unter Merkels Führung – oder (ganz knapp) für ein Jamaika-Bündnis von Union, Grünen und FDP.

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Walter Roller über den Kanzlerkan­didaten Martin Schulz »Bayern

Holger Sabinsky-Wolf erklärt, wie die bayerische SPD vom Schulz-Effekt profitiert und was noch dazu beiträgt, dass sich mehr Menschen politisch engagieren

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