Der tiefe Fall des Samsung-Kronprinzen Porträt
Ein Steve Jobs war der Unternehmer Lee Jae Yong nie. Trotzdem sollte er den südkoreanischen Weltkonzern in eine goldene Zukunft führen. Jetzt wurde er verhaftet
Im Dezember bekamen die Südkoreaner erstmals ein ungeschminktes Bild von dem mächtigsten Geschäftsmann ihres Landes. Seit Monaten hatte die Kritik an Samsungs inoffiziellem Chef Lee Jae Yong zugenommen. Zum einen nagte das Desaster um das Smartphone Galaxy Note 7 am Image des südkoreanischen Weltkonzerns. Mehrfach war das neue Modell in Flammen aufgegangen.
Zum anderen häuften sich Bestechungsvorwürfe gegen das Unternehmen. Hatte es tatsächlich Schmiergelder an die südkoreanische Präsidentin gezahlt? Mit dieser Frage beschäftigte sich sogar das nationale Parlament. Deshalb lud es Lee vor. Die Sitzung wurde live übertragen, Millionen Südkoreaner sahen zu. Sie sahen einen Lee, der sich sichtlich unwohl fühlte, stotterte und stammelte. Ein Abgeordneter entgegnete irgendwann verärgert: „Wenn das ein Bewerbungsgespräch in Ihrem Unternehmen wäre, würde es für Sie nicht gut aussehen.“Gut sieht es für Lee nun in der Tat nicht aus. Der 48-Jährige wurde gestern verhaftet. Unter anderem wird ihm Korruption vorgeworfen.
Lee war nie Asiens Steve Jobs. Der Apple-Gründer mit dem schwarzen Rollkragenpullover liebte das Scheinwerferlicht, der verschlossene Südkoreaner hat es lieber gemieden. Während sich Jobs erst nach oben arbeiten musste, wurde Lee als Enkel des Samsung-Gründers praktisch in die Elite seines Landes hineingeboren. Das Magazin Forbes zählt den 48-Jährigen zu den 40 reichsten Männern der Welt. Lee ist der einzige Sohn von Samsung-Chef Lee Kun-hee. Er studierte ostasiatische Geschichte und Betriebswirtschaft. Zudem besuchte er einen Doktorandenkurs an der angesehenen Harvard Business School in den USA. Lee spricht Koreanisch, Englisch und Japanisch. Er spielt gern Golf und reitet. Schlagzeilen machte Lee schon vor acht Jahren. Der zweifache Vater hatte sich nach elf Ehejahren von der Industriellentochter Lim Se Ryung scheiden lassen. Seine Ex-Ehefrau verklagte ihn auf mehrere Millionen Dollar. Der Prozess endete mit einem Vergleich.
1991 stieg Lee in das Unternehmen seines Vaters ein. Schnell erklärten ihn Medien zu „Samsungs Kronprinzen“. In den Jahren danach wurde der Konzern zur Vorzeigemarke Südkoreas und zum Weltmarktführer im SmartphoneBereich. Seit Lees Vater 2014 einen Herzinfarkt erlitt, vertritt ihn sein Sohn an der Konzernspitze.
Die internationale Konkurrenz setzt Samsung inzwischen mächtig zu. Eine Antwort darauf hat Lee nicht gefunden. Schon sein Vater war wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden. Er wurde jedoch von Südkoreas Staatschef begnadigt. Auf ähnliche Milde sollte der 48-Jährige nicht hoffen, falls sich die Vorwürfe gegen ihn erhärten. Denn die jetzige Präsidentin könnte bald selbst ihres Amtes enthoben werden. Andreas Baumer