Guenzburger Zeitung

Der Anti Trump mit dem Herz eines Boxers

Staatsbesu­ch Kanadas Premier Justin Trudeau und Angela Merkel gehen im Kanzleramt auf Kuschelkur­s

- VON BERNHARD JUNGINGER

Ein nordamerik­anischer Regierungs­chef sorgt in Berlin für Begeisteru­ng, ein anderer ist Thema besorgter Gespräche: Mit dem kanadische­n Premier Justin Trudeau hat der angeblich „attraktivs­te Politiker der Welt“Angela Merkel besucht. Deutschlan­d und Kanada, so das Fazit eines offensicht­lich von Harmonie geprägten Treffens, wollen enger zusammenrü­cken. Das hat auch mit der Politik von Donald Trump in Kanadas mächtigem südlichen Nachbarlan­d USA zu tun.

Justin Trudeau – sein berühmter Vater Pierre war mit kurzer Unterbrech­ung von 1968 bis 1984 kanadische­r Premier – wirkt wie der krasse Gegenentwu­rf zu Donald Trump. Der 45-Jährige aus Ottawa, seit 2015 im Amt, gilt als liberal und weltoffen, als Feminist gar, hat er doch die Hälfte seines Kabinetts weiblich besetzt. Justin Trudeau hat gerade seinen ersten Besuch bei Donald Trump hinter sich und betont, dass er auf gute Beziehunge­n zu den USA allergrößt­en Wert legt.

Doch viele von Trudeaus Positionen stehen in völligem Gegensatz zu denen Trumps. Als der neue USPräsiden­t Einreiseve­rbote und den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko ankündigte, versprach Trudeau, Kanada werde weiter Einwandere­r und Flüchtling­e aufnehmen. Trump hat erklärterm­aßen für die Europäisch­e Union nichts übrig, Trudeau lobte sie eben in Straßburg über den grünen Klee. Zusammen mit Merkel kündigte er an, weiter den Klimawande­l zu bekämpfen, der für Trump noch nicht einmal existiert.

Während der neue US-Präsident Verhandlun­gen zu Freihandel­sabkommen stoppt, haben Kanada und die EU sich auf das Ceta-Abkommen geeinigt. Merkel und Trudeau sprechen unisono von einem beispielha­ften Abkommen, das auch Arbeiterre­chte und den Umweltschu­tz berücksich­tige. Von Ceta würden die Bürger beider Länder „wirklich profitiere­n“, so Trudeau. Während die Welt mit Sorge auf Trump blickt, gewinnt der Kanadier überall die Herzen – auch bei Angela Merkel scheint ihm das zu gelingen.

Doch hinter dem Hype um den jugendlich­en Premier steckt mehr als gutes Aussehen und ein berühmter Name. Das vermeintli­che Jüngelchen kann austeilen, und das sogar im wörtlichen Sinn. Denn seine politische Karriere nahm erst mit einem Boxkampf so richtig Fahrt auf. 2012 willigte er ein, damals noch einfacher Abgeordnet­er, beim Promi-Boxen zugunsten der Krebsforsc­hung gegen den muskelbepa­ckten konservati­ven Senator Patrick Brazeau anzutreten. Der Kampf wurde zur Entscheidu­ngsschlach­t zwischen Konservati­ven und Liberalen im Ring stilisiert. Das ganze Land erwartete, dass der belächelte Jungpoliti­ker sich gegen den erfahrenen Kampfsport­ler eine Tracht Prügel abholen würde. Der eher schlaksige Trudeau aber hatte eisern trainiert. Anfangs musste er harte Treffer einstecken, dann wendete sich das Blatt. Trudeau vermöbelte seinen Gegner regelrecht und gewann den Kampf durch technische­n K. o. Nicht nur Brazeau mit seinem geschwolle­nen Auge hörte in diesem Moment auf, Justin Trudeau zu unterschät­zen. Auch auf der internatio­nalen Bühne hat er Kanada in seiner kurzen Amtszeit immer wieder selbstbewu­sst positionie­rt – notfalls auch gegen die mächtigen USA.

Für Angela Merkel könnte der Liberale zum wichtigen Verbündete­n werden, sollte Donald Trump mit seinen Abschottun­gsplänen Ernst machen. Wenn er und die Kanzlerin von „gemeinsame­n Überzeugun­gen und Ansichten“sprechen, wenn sie einen weiteren Ausbau der ohnehin schon guten Beziehunge­n ankündigen, dann klingt das nicht wie die üblichen Sätze, die bei solchen Gelegenhei­ten eben gesagt werden. Sondern herzlich und echt.

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Trudeau, Merkel

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