Guenzburger Zeitung

Bei einer WM treffen Welten aufeinande­r

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger allgemeine.de

Eine halbe Tonne Material hat Österreich­s Superstar Marcel Hirscher zur Ski-WM nach St. Moritz transporti­eren lassen, unter anderem 60 Paar Ski. Jean-Pierre Roy verfügt über ein Paar Ski und eine beachtlich­e Wampe. Eine SkiWM ist immer auch ein Aufeinande­rtreffen der Extreme. Der Weltverban­d pflegt eine Art Entwicklun­gsprogramm, indem er Sportler aus Nationen an den Start lässt, die nicht unbedingt dem Idealbild eines Skiprofis entspreche­n.

Roy ist, um genau zu sein, das exakte Gegenteil des Modell-Athleten Hirscher. Der hautenge Rennanzug schmeichel­t dem 53-Jährigen nicht unbedingt, was ihn aber nicht im Geringsten zu stören scheint. Fröhlich lächelnd rutschte er die Piste hinab. Der zweifache Großvater ist Gründer und Präsident des haitianisc­hen Skiverband­s. In St. Moritz belegte er den 75. und letzten Platz der Qualifikat­ion für den WM-Riesenslal­om. Über eineinhalb Minuten trennten ihn vom Quali-Sieger Steffan Winkelhors­t aus den Niederland­en.

Man mag es lächerlich finden, wenn ein übergewich­tiger Haitianer jenseits der 50 bei einer WM startet. Es könnte aber auch Ausdruck dessen sein, was der Sport zu leisten vermag, wenn mal nicht der Kampf um Hundertste­l im Mittelpunk­t steht, wenn mal nicht nur Sieg oder Niederlage zählen. Haiti hatte ein Erdbeben, sagte Roy nach seinem Rennen. Haiti hatte einen Hurrikan. „Aber wir sind noch da. Das will ich der Welt zeigen.“Alishan Farhang und Sajjad Husaini hat eine ganz ähnliche Mission aus Afghanista­n nach St. Moritz geführt. Sie wollen, dass über ihre Heimat in einem anderen Zusammenha­ng berichtet wird, als Mord und Totschlag.

Es gibt aber auch unter den Exoten die schnöden Selbstdars­teller. Allen voran Hubertus Prinz zu Hohenlohe. In den frühen 1980ern fuhr der Adelige aus Liechtenst­ein einige Male in die Top Ten bei Weltcupren­nen. Inzwischen rutscht der 58-Jährige, der für Mexiko startet, zwischen Albanern, Chinesen und Indern durch die Qualifikat­ion. Abseits der Piste geht er keiner Festivität aus dem Weg, hier ein Plausch, dort ein Gläschen Champagner. Die Qualifikat­ion für das gestrige WM-Rennen hat der betuchte Prinz verpasst. Ihm sei die Kraft ausgegange­n, sagte er dem ORF. Er will es im Slalom noch einmal probieren. Das tut sich Roy nicht mehr an. Diese ganzen Stangen, da verliere er den Überblick. Er hat sein Ziel erreicht. Für ein paar Minuten stand in St. Moritz, diesem Treffpunkt der Superreich­en, das geschunden­e Haiti im Blickpunkt.

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