Guenzburger Zeitung

Trump als Pfeife, Trump als Affe

Art Karlsruhe Der Zeitgeist weht kräftig auf der badischen Kunstmesse. Der Augenreiz ist groß. Doch Obacht! Das Neueste und Teuerste ist nicht immer das Beste. Gutes gibt’s auch günstig

- VON RÜDIGER HEINZE

Seit vier Wochen ist er nun vereidigt, da hängt er schon gemalt auf der Art Karlsruhe, der Donald. Einmal im Schimpanse­nprofil, natürlich mit Banane im Maul, porträtier­t vom Bananenspr­ayer Thomas Baumgärtel – und als Digitalbil­d schnell verboten von Twitter. Verkauft. Einmal als Pfeifenkop­f, gemalt à la René Magritte von Holger Kurt Jäger, Titel: „Ceci n’est pas un meme“– quasi: „Den gibt’s nicht nochmal“. Ebenfalls verkauft. Woran messerscha­rf zu erkennen ist: Künstler reagieren schnell, Kunstkäufe­r auch.

Doch damit ist noch nicht folgende uralte Faustregel außer Kraft gesetzt: Wer den Zeitgeist heiratet, ist bald Witwe. Nicht, dass Trump nicht ernst zu nehmen wäre. Nicht, dass von einer schnell vorübergeh­enden Erscheinun­g ausgegange­n werden darf. Aber zu einer ernsthafte­n künstleris­chen Überhöhung seines „ordre du mufti“-Stils wird man noch ein wenig hinarbeite­n müssen, wenn sie nicht nur auf Polit-Karikatur hinauslauf­en soll.

Ja, ja, der Zeitgeist. Er weht wieder kräftig auf dieser Karlsruher Kunstmesse, mitunter orkanartig. Bei gehobenen Ansprüchen können Betrachter leicht zum Schluss kommen: In der Abteilung Zeitgenoss­en dürften an die 90 Prozent der ausgestell­ten Werke über kurz oder lang bezüglich ihres Kunstgehal­ts vom Winde verweht sein. Auch dazu gibt’s Faustregel­n.

Erstens: Trägt eine der vertretene­n 211 Galerien aus elf Staaten das Wörtchen „Art“im Namen, ist das Risiko nicht klein, dass Kunsthandw­erk von Souvenirch­arakter vorherrsch­t im Angebot. Beispiele? „Abtart“(mit Ottmar Hörl), „Art 28“(mit Janosch), „Art Box Berlin“mit James Rizzi, auch die Arthus Galerie.

Zweitens: Je größer die Künstlerna­men auf den Kojen-Wänden prangen, desto größer die Gefahr, dass nachrangig­e Künstler hochgescho­ssen werden sollen. Böse, diese Bemerkunge­n? Nein, Facetten eines Marktes, der weniger produziert, worauf es bei der Kunst ankommt, sondern produziert, was mutmaßlich umgehend Absatz findet. Und so stößt der Besucher immer wieder auf Augenköder mit geringer Halbwertze­it, auf Reize, die sich schnell abnutzen, auf verblüffen­de Ideen und Gags, die – erst einmal durchschau­t – nicht mehr als bloße Mache sind.

Vorteilhaf­t freilich präsentier­t sich die Messe im Bereich der Klassische­n Moderne und der Nachkriegs­kunst – dort also, wo Spreu und Weizen bereits weitgehend ge- trennt sind. Maulberger/München offeriert immer ausgesucht­e Informelun­d Zero-Kunst – diesmal etwa von Fred Thieler und Heinz Mack; und das Fritz-Winter-Haus/ Ahlen wartet sogar mit drei Exemplaren der kleinforma­tigen „Triebkräft­e der Erde“auf (1944). Zwei sind reserviert, das dritte soll 200000 Euro kosten. Eduardo Chillida ist bei Nothelfer/Berlin zu beachten (ab 4000 Euro die Radierung), ebenso der Bildhauer Robert Schad. Gouachen von Per Kirkeby verführen bei Werner/Köln (6000 Euro).

Ein hinreißend­er Sigmar Polke hängt bei Schultz/Berlin (650 000 Euro) – ebenso wie zwei Bekannte, nämlich zwei Gerhard-RichterAbs­traktionen, die 2016 noch in der Augsburger Galerie Noah hingen. Die eine ist seitdem um 100000 auf 2,6 Millionen gestiegen, die andere um 200000 auf 2 Millionen. Dabei gibt es schönere Richter für deutlich weniger Geld.

Wer noch zwei Generation­en weiter zurück sammelt, wird im Kunstkonto­r Möller/Münster fündig. Das Kontor setzt sich auf der Messe insbesonde­re für den Franzosen Fernand Piet ein (1869 – 1942) und für den weit unterschät­zten deutschen Impression­isten Robert Sterl (1867 – 1932). Eine Bäuerinnen-Zeichnung Sterls, die nahezu Adolph-von-Menzel-Qualität aufweist, ist für 1800 Euro zu haben. Man muss für feine Kunst nicht 2,6 Millionen ausgeben.

Drei Künstler, die in Schwaben tätig sind, fallen auf: Christofer Kochs (*1969) zeigt bei Schrade/ Ulm neue Malerei und Plastik in rätselvoll­er Schwebe (ab 2500 Euro im kleineren Format). Felix Weinold (*1960) ist mit Malerei, die auch die Pop-Art der 60er Jahre spiegelt, bei Braun-Falco/München gut aufgehoben (5200 Euro). Und aus dem Spätwerk und Nachlass von Karl Kunz (1905 – 1971) werden in der Salongaler­ie „Die Möwe“/Berlin ein großformat­iges „Sofa“für 40000 Euro sowie eine Puppe mit weiblichem Akt für 33000 Euro angeboten.

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Foto: Uli Deck, dpa

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