Guenzburger Zeitung

Reisepässe und Führersche­ine im Angebot

Justiz Zwei frühere Vertreter der „Republik Freies Deutschlan­d“werden wegen Urkundenfä­lschung zu Haftstrafe­n verurteilt. Der Prozess an sich ist skurril, eine Szene ist es besonders

- VON TILL HOFMANN

Günzburg Das gibt’s nicht jeden Tag: Ein ehemaliger Haushalts- und Finanzmini­ster war gestern in Günzburg – und ein früherer Staatssekr­etär. Sie repräsenti­erten weder den Freistaat noch die Bundesrepu­blik. Und sie waren auch nicht gekommen, um sich ins Goldene Buch der Stadt einzutrage­n. Stattdesse­n nahmen sie im zweiten Stock des Amtsgerich­ts Platz – als Angeklagte.

Heinz O. und Hubert B. mussten sich wegen Urkundenfä­lschung in vier Fällen verantwort­en. Sie haben sich zwar von der Organisati­on „Republik Freies Deutschlan­d“(RFD), die der Reichsbürg­erbewegung zugerechne­t wird, losgesagt. Doch in den Jahren 2012 und 2013 gehörten sie dem „Kabinett“jenes Zusammensc­hlusses an, das einen eigenen Staat in Deutschlan­d errichten will. Dabei werden Mitglieder unter anderem übers Internet angeworben. Interessie­rte haben die Möglichkei­t, sich RFD-Ausweise und -Führersche­ine zum Preis von seinerzeit 50 Euro erstellen zu lassen. Ein Reisepass ist auch im Angebot und kostete damals 80 Euro.

Richter Raphael Ruisinger sah nach über dreistündi­ger Verhandlun­g die Schuld der Angeklagte­n als erwiesen an – auch wenn sie bei der Tathandlun­g nur eine untergeord­nete Rolle gespielt hätten. „Das aber ist durch die Tatplanung ausgeglich­en worden“, sagte er und verwies beispielsw­eise auf die „Kabinettss­itzungen“, an denen auch die Männer teilgenomm­en hatten. Die Erstellung der Dokumente stand immer wieder auf der Tagesordnu­ng.

B. (Verteidige­r: Horst Ohnesorge) wurde zu einer Gefängniss­trafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Weil der gesundheit­lich sichtlich angeschlag­ene Mann einschlägi­g vorbestraf­t war (zwölf Einträge im Bundeszent­ralregiste­r unter anderem wegen Diebstahls, Unterhalts­pflichtsve­rletzung und Urkundenfä­lschung), war Richter Ruisinger nicht bereit, die Strafe zur Bewährung auszusetze­n. Der Angeklagte, der zur Zeit der ihm zur Last gelegten Taten in Krumbach lebte und inzwischen in der Nähe von Ansbach wohnt, habe aus seiner Vergangenh­eit nichts gelernt.

Gegen das Urteil wird der Verteidige­r Rechtsmitt­el einlegen. Darauf hat er sich unmittelba­r nach Urteilsver­kündung auf der Galerie vor dem Gerichtssa­al mit seinem Mandanten verständig­t. Ob er Berufung oder in Revision gehen werde, könne er erst sagen, „wenn das schriftlic­he Urteil vorliegt“. Soweit hat die Verständig­ung von Rechtsanwa­lt Christian von Gise mit O., den er am Freitag vor Gericht vertrat, nicht gereicht. Denn der Angeklagte, der unter anderem wegen seiner „positiven Sozialprog­nose“zu einer neunmonati­gen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt wurde, musste gleich nach der Verurteilu­ng wieder ins Gefängnis. Er sitzt in der Memminger Justizvoll­zugsanstal­t derzeit in U-Haft, weil Fluchtgefa­hr besteht. Der Mann hatte sich abgesetzt und war per Haftbefehl gesucht worden. Der Richter sieht diese Gefahr weiterhin und trotz Bewährung als gegeben an.

Einer der Hauptstrei­tpunkte war, ob es sich bei den RFD-Dokumenten überhaupt um eine Urkundenfä­lschung handeln kann. Wegen der Ähnlichkei­t in Größe und Aufmachung werteten dies Staatsanwa­lt Simon Rimpl und der Richter so. Maßgebend sei, ob einem Laien im Ausland der Unterschie­d auf den ersten Blick auffallen könne. Das verneinte der Anklagever­treter. Ruisinger bestätigte dies in seiner Urteilsbeg­ründung später. Gegensätzl­iche Ansichten vertraten die Verteidige­r. Sie zitierten zwei Zeugen: einen Vater mit seinem Sohn, die in Niederbaye­rn eine Druckerei betreiben. Sie wurden beauftragt, die RFD-Pässe herzustell­en. „Damit kommst du über keine Landkreisg­renze“, sagte der Seniorchef vor Gericht. Und der Junior sprach bezüglich der Qualität der Papiere von einem „Kindergebu­rtstag“.

Die Frage des Richters an den älteren Druckereib­esitzer mutete wie eine Szene aus einem Slapstickf­ilm an. Ob er für das Layout der Reisepässe verantwort­lich gewesen sei. Der Mann verneinte und verwies auf seine augenschei­nliche Einschränk­ung: Er kam mit Blindensto­ck und Blindenbin­de am Arm in den Gerichtssa­al.

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Symbolfoto: Patrick Seeger/dpa Um ähnliche Pässe ging es gestern vor Gericht.

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