Die Frage der Woche Eilmeldungen aufs Handy?
Eilmeldungen auf dem Smartphone sind für mich Freiheit. Die Freiheit, selbst zu entscheiden, wann ich mich intensiv mit der Nachrichtenlage der Welt beschäftige, und wann mir das Grundrauschen auf meinem Smartphonedisplay ausreicht. Push-Nachricht heißt es, wenn eine wichtige Meldung direkt auf dem Bildschirm meines Handys erscheint – ohne dass ich eine App öffnen muss. Schneller und einfacher geht es nicht. Ich muss mich nicht selbst informieren, ich werde informiert.
Ich hätte ein echtes Problem damit, wenn ich etwas Wichtiges verpasse. Also müsste ich mein Leben so planen, dass morgens viel Zeit für die Zeitung und abends für die Tagesschau ist. Oft funktioniert das, manchmal aber nicht. Dann ist es entspannend, zu wissen: Die wirklich entscheidenden Neuigkeiten, die erreichen mich trotzdem. Dank der Eilmeldungen habe ich einen groben Überblick und zu den Themen, die mich am meisten interessieren, habe ich schon einige kürzere Artikel im Netz gelesen. Wenn die Zeitung dann auf dem Frühstückstisch liegt, weiß ich bereits, zu welchen Themen ich mehr wissen möchte. Denn Push-Benachrichtigungen ersetzen das Lesen von Hintergrundartikeln nicht. Aber sie helfen dabei, den Überblick zu behalten, was wirklich wichtig ist.
Natürlich gibt es auch Nachrichten, auf die mich mein Handy hinweist, ohne dass sie für mich echte Relevanz besitzen. Doch das stört mich nicht. Ein kurzer Blick auf den Bildschirm reicht aus, um zu wissen: Ist das wichtig oder nicht? Eine derart kurze Unterbrechung bringt mich nicht aus dem Arbeitsfluss. Und wenn die Nachrichten doch einmal zu viele werden, gibt es immer noch die Möglichkeit, das Smartphone in den Nicht-Stören-Modus zu setzen.
Es gibt einen nach wie vor schlagenden Befund über die moderne Wissensgesellschaft. Er stammt vom US-Medienwissenschaftler Neil Postman: „We are overnewsed but underinformed.“Zu gut Deutsch: Wir sind von Neuigkeiten zugeballert, aber verstehen dabei eigentlich immer weniger. Das Zitat ist 30 Jahre alt, aber beschreibt immer nur noch besser, in welche Schieflage uns die stete multimediale Nachrichtenflut versetzt. Denn Aufmerksamkeit ist eine endliche Ressource. Und wer sich der längst alltäglich gewordenen Befeuerung durch Eilmeldungen aussetzt, die uns per Abo auf dem Smartphone ja überall und zu jeder Zeit erreichen, wird immer weniger für Hintergründe und Zusammenhänge übrighaben. Deren Studium verlangt im Gegensatz zur Reaktion auf kurze Schlüsselreize ja auch noch mehr Konzentration, Ausdauer und Mitdenken – fördert dafür aber das Selberdenken, die eigene Erkenntnis. Und die kann auch mal darin bestehen, dass es gar nicht so leicht ist, zu etwas wirklich eine Meinung zu haben – und nicht bloß den Reflex eines Vorurteils, mit dem man halt irgendwie mitreden kann.
Die aktuellen Entwicklungen zeigen doch gerade, wie wichtig der Unterschied ist. Meldungen ploppen auf, kursieren, prägen Stimmungen und Wahlkämpfe – wenn sie sich später als falsch oder allzu einseitig herausstellen, ist die bereits erzielte Wirkung nicht mehr einholbar. Aber wenn es bloß noch um die Stimulierung von Reflexen geht, verkommen Politik und Demokratie, stirbt die Gründlichkeit, hat die Verlautbarung der einfachen Lösung leichteres Spiel. Der Kick von Breaking News führt nämlich in die Sucht des Einzelnen und zur Hysterie in der Gesellschaft. Wir verlieren im wahrsten Sinne des Wortes unseren Verstand.