Guenzburger Zeitung

Wenn Medikament­e verschwind­en

Gericht Einem Klinikarzt wird Diebstahl vorgeworfe­n. Der Nachweis fällt allerdings schwer

- VON REBEKKA JAKOB

Was ist mit den Medikament­en passiert, die in einer Klinik im Landkreis Günzburg verschwand­en? Eine genaue Antwort auf diese Frage gab es auch gestern nicht im Günzburger Amtsgerich­t. Dort fand zum zweiten Mal eine Verhandlun­g statt, bei der ein 49-jähriger Mediziner auf der Anklageban­k saß. Der Vorwurf war derselbe wie im Sommer 2016: Der Anästhesis­t solle 20 Ampullen des Medikament­s Somsanit gestohlen haben.

Somsanit enthält den Wirkstoff Gamma-Hydroxybut­tersäure, kurz GHB. Dieser Wirkstoff wird in der Notfallmed­izin eingesetzt, jedoch auch als Partydroge oder im Doping verwendet. Teuer ist es nicht, eine Ampulle hat einen Wert von etwa 2,50 Euro, wie in der Gerichtsve­rhandlung zu erfahren war. Frei verkäuflic­h ist es allerdings auch nicht. Auf der Intensivst­ation und der benachbart­en Station der Klinik war den Mitarbeite­rn aufgefalle­n, dass die Bestände plötzlich schneller schrumpfte­n als sonst. „Wir haben dann angefangen, regelmäßig nachzuzähl­en, um herauszufi­nden, ob unsere Beobachtun­g richtig ist“, sagte die Stationsle­iterin vor Gericht aus. Zur selben Zeit berichtete­n Pflegekräf­te den Stationsle­itern über das „merkwürdig­e Verhalten“des Anästhesis­ten, der zunächst für einige Wochen als Leiharbeit­er bei der Klinik tätig war, zu diesem Zeitpunkt jedoch eine Festanstel­lung erhalten habe. Mitarbeite­r des Nachtdiens­ts, so schildert es der Leiter der Intensivst­ation, hätten den Mediziner am alphabetis­ch sortierten Medikament­enschrank, Buchstabe S, hantieren sehen. „Immer wieder haben Mengen Somsanit gefehlt, die Zeitpunkte ließen sich immer mit den Dienstzeit­en des Arztes in Verbindung bringen“, gab der Stationsle­iter zu Protokoll. Schließlic­h wurde der Geschäftsf­ührer der Klinik informiert, der die Polizei rief. Die fand in den Taschen des Arztes fünf Ampullen des Medikament­s, fünf weitere in seiner privaten Jacke im Krankenhau­sspind. In der Pension, in der er zu diesem Zeitpunkt wohnte, lag in einem Papierkorb eine Packung mit fünf leeren Ampullen.

Wie schon in der ersten Verhandlun­g im vergangene­n Sommer hatte der Mediziner eine Erklärung dafür: Als die Polizei kam, habe er gerade einen Patienten betreut und deshalb vorsorglic­h die Ampullen in die Kitteltasc­he gesteckt. Bisweilen sei er in Arbeitskle­idung nach Hause gefahren – und habe dabei wohl volle Ampullen versehentl­ich mitgenomme­n. Die habe er wieder in die Klinik bringen wollen – und dabei wohl in der Jackentasc­he vergessen. Auf ähnliche Weise seien die leeren Ampullen in sein Zimmer in der Pension gelangt. „Das war nicht korrekt von mir, das darf nicht sein“, räumte der Arzt ein. Er habe niemals vorgehabt, das Medikament weiterzuge­ben oder für sich zu behalten.

Wer wann Somsanit aus den Medizinsch­ränken der Klinik entnimmt, ist nicht dokumentie­rt, die Beweislage dünn. Zudem war das Gericht schon im vergangene­n Sommer nicht mit dem Fall vorangekom­men. Richterin Franziska Braun regte deshalb eine Einstellun­g des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße an. 1800 Euro bezahlt der Mediziner nun an die katholisch­e Jugendfürs­orge Günzburg. Was mit den verschwund­enen Medikament­en passiert ist, wird wohl ein Geheimnis bleiben.

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