Der teuerste Partybesuch ihres Lebens
Urteil Zwei junge Schläger müssen ein hohes Schmerzensgeld bezahlen. Ihre Taten räumen sie erst spät vor Gericht ein. Die Opfer leiden bis heute an den Folgen
Eine völlig friedlich verlaufende Geburtstagsparty in der Offinger Boccia-Halle nahm ein schlimmes Ende. Zwei junge Besucher, die ohne Einladung gekommen waren, brachen eine wüste Schlägerei vom Zaun, bei der drei Opfer erheblich verletzt wurden. Die Täter wurden jetzt verurteilt und kamen relativ glimpflich davon.
Die Warnungen von Oberstaatsanwalt Christoph Ebert und Jugendrichter Walter Henle an die beiden Angeklagten und deren Verteidiger waren deutlich genug: In Betracht komme auch eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags. Zu Beginn der fast fünfstündigen Verhandlung war es freilich mit der Geständnisbereitschaft nicht weit her. Den jungen Männern im Alter von 20 Jahren warf die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung zu. Sie hatten im April 2015 in Offingen eine Geburtstagsfeier regelrecht aufgemischt und dabei drei Opfer krankenhausreif geprügelt. „Wenn die Sache so zutrifft“, sagte Richter Henle, „ist es für mich eine Sauerei“. Er empfahl den Angeklagten aus dem nördlichen Landkreis „ganz flach auf den Boden legen, ruhig blieben, die Tat einzuräumen und Schmerzensgeld anbieten“.
Doch damit war es zunächst nicht weit her. „Die Anklage stimmt so nicht“, sagte einer der Angeklagten, ein großer bulliger Typ. „Wieso geht man auf eine Feier, zu der man nicht mal eingeladen ist“, fragte Richter Henle. Sie hätten davon auf einer anderen Party erfahren und seien gegen fünf Uhr nach Offingen gefahren. Aus nichtigem Anlass kam es dort zum Streit und dann flogen die Fäuste. „Er hat mich geschubst“, behauptete der bullige Angeklagte über den Organisator der Party und stellte seine Reaktion als Art Notwehr dar. „Landläufig bezeichnet man das als ,Durchlassen’“, bemerkte Oberstaatsanwalt Ebert. Der Appell des Gerichts sei angekommen, meinte Rechtsanwalt Thomas Albrecht, „die Wahrheit soll auf den Tisch kommen“.
Als Verteidiger Matthias Egger ein Rechtsgespräch anregte, mit dem ein mögliches Urteil vorab mit Richter und Staatsanwaltschaft diskutiert wird, lehnte Richter Henle ab: „Derzeit sehe ich dafür keinen Anlass.“In einer Verhandlungspause versuchten die Anwälte zusammen mit den Angeklagten das weitere Vorgehen zu klären, aber es blieb bei den ersten Aussagen.
Die reichten Richter Henle nicht. Als erster Zeuge sagte ein 46-Jähriger aus, der bei der Schlägerei unter anderem einen Jochbeinbruch davon getragen hatte und immer noch unter Atembeschwerden leidet. Er bestätigte im Wesentlichen die Vorgänge in und vor der Halle. Als besonders gemein hat er es empfunden, dass der Angeklagte L. zunächst den Arm um seine Schulter gelegt und zu ihm gesagt habe, er habe Respekt vor ihm - und ihm dann unvermittelt einen Faustschlag ins Gesicht versetzt habe. Dadurch sei er kurzzeitig bewusstlos gewesen. Als er aufwachte, lagen Kopf und Hals zwischen den Beinen des zweiten Täters, der ihn heftig würgte: „Du wolltest mich umbringen“, rief er dem Angeklagten im Gerichtssaal zu.
„Jetzt wird’s wirklich ernst“, bemerkte Richter Henle nach dieser Aussage, wenn eine mögliche Tötungsabsicht im Raum stehe, müsse sich die Jugendkammer mit dem Verfahren befassen. Diese Aussichten veranlassten die Verteidiger zu einer weiteren zehnminütigen Beratungspause. Dann die Überra- schung: Beide Anwälte erklärten, dass die Angeklagten die vorgeworfenen Delikte voll umfänglich einräumten. Den drei Opfern wurden beträchtliche Schmerzensgeldzahlungen in Höhe von 7500 Euro zugesichert.
Das späte Geständnis wirkte sich deutlich auf den Antrag von Oberstaatsanwalt Ebert aus. „Der Staat lebt davon, dass die Regeln eingehalten werden“, betonte er. Die Alkoholisierung der beiden Täter könne er nicht als strafmildernd einstufen. Wegen des Täter-Opfer-Ausgleichs und der Entschuldigungen forderte er für L. einen Freizeitarrest und ein halbes Monatsgehalt als Geldauflage. Beim Komplizen lag der Fall anders, denn E. ist bereits zweimal wegen ähnlicher Delikte vorbestraft: „Er hält seine Energie nicht im Zügel“, so Ebert und bejahte schädliche Neigungen. Ein Monatsgehalt solle er an eine Opferschutz-Organisation zahlen. Nur weil die Angeklagten geständig seien, sei es zu akzeptieren, dass sie so milde davon kommen.
Aus Sicht der Verteidiger müsse das späte aber doch umfassende Geständnis positiv ausgelegt werden: „Sie haben noch die Kurve gekriegt.“Die Prügelei stuften sie als eher jugendtypisch ein und beantragten von einer Geldauflage zusätzlich zum Schmerzensgeld abzusehen. Ein Dauerarrest sei zudem verzichtbar, weil er keine Sanktionswirkung erziele.
Richter Henle verurteilte beide Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung. L. muss einen Freizeitarrest ableisten, der vorbestrafte E. zudem eine Woche Jugendarrest. Wichtiger als eine Geldauflage sei, dass die Opfer das Schmerzensgeld bekämen: „Das war der teuerste Partybesuch ihres Lebens.“
Die Nebenklage forderte Sanktionen, falls die Monatszahlungen von je 150 Euro ausblieben. Dann müssen beide Angeklagten mit „Ungehorsamkeits-Arrest“rechnen, wie Richter Henle erläuterte. Insbesondere für E., der einen sicheren Arbeitsplatz hat, stünde bei einem Jugendknast-Aufenthalt viel auf dem Spiel.