Wenn der Bürgermeister zur Klofrau wird
Die Burkhardia erobert das Jettinger Rathaus. Vereinsvorsitzende sollen als „Tonnendrapper“fungieren
Jettingen Scheppach High Noon an der Mindel: Pünktlich um 12 Uhr wurde am Faschingssonntag auch das Jettinger Rathaus erobert. Die Burkhardia, die mit Komitee, Hans Wurst und den Fähnrichen, geleitet von stolzen Reitern und einer gut gelaunten Blaskapelle, auf den Rathausplatz zog, wurde von zahlreichen Schaulustigen und einem gut präparierten Bürgermeister empfangen.
In Jettingen ist es Brauch, dass der Rathauschef die launige Eröffnungsrede hält. Bevor Narrenfahne und der Schlüssel übergeben werden, nutzte Hans Reichhart die Gelegenheit, aktuelle Themen in humorvollen Reimen auf gut Schwäbisch abzuhandeln. In diesem Jahr fand der Biber sein bevorzugtes Interesse. Der Plagegeist, der die Uferbäume zernage, das Wasser an der falschen Stelle staue und die Wege unterminiere, könnte, so die Überlegungen des Bürgermeisters, doch nutzbringend eingesetzt werden. Anstatt das Tier zu jagen, könnte man es doch zum Dammbau nutzen – dann ginge im Burgauer Hochwasserschutz auch mal was voran. Auch im Tourismus- und Wellnessbereich sieht Reichhart Einsatzmöglichkeiten für den fleißigen Nager: Am Torflehrpfad könnte er Gräben aufstauen und so Moorbäder generieren, in denen die Torffrauen Massagen anbieten. Jettingen könnte so im Leipheim-Günzburger- Bäderstreit als lachender Dritter dastehen.
Aber weil man das Tier so schlecht dressieren kann, hat Reichart ein anderes Remedium gesucht und eine Lösung gefunden. Ganz wie der „Big Boss“in München könne man doch mit der Obergrenze so ziemlich alles heilen. Von der Biberflut im Mindeltal bis zur Einkaufswut der Damen im Outletcenter Scheppach. Ganz nebenbei ist dem Bürgermeister auch noch eine prima Geldquelle für die Vereine untergekommen. Die übervollen Mülltonnen am Straßenrand haben ihn inspiriert: Die gewichtigen Kommandanten und Vorstände könnten, so Reichhart, für etwas Geld als „Tonnendrapper“den Müll so in die Tonne stopfen, dass der Deckel zugeht.
Geldquellen sind im Jettinger Fasching Thema Nummer eins. Auch das Komitee der Burkhardia hat sich damit beschäftigt und angesichts der immensen Kosten für Toilettenpapier und Klofrau in der geplanten öffentlichen Toilette im Rathaus so seine Sorgen gemacht und präsentierte die optimierte Lösung. Der Rathauschef, der eh dort residiere, könne die Aufgabe der Klofrau bestens nebenzu übernehmen und für einen stattlichen „Rein“gewinn sorgen. Mit Kittelschürze, Kopftuch, Kübel und Teller für den Obolus versorgte die Burkhardia den Bürgermeister mit der notwendigen Ausstattung.
Mit der Fahnenübergabe war für die Burkhardia die sonntägliche Pflicht noch nicht erfüllt. Nachdem Abzug vom Rathausplatz hieß es für die Fähnriche und ihr Gefolge traditionell: Pfändern. Mit diesem alten Brauch laden die Narren die Bewohner von Jettingen zum abendlichen Fähnrichsball ein.