Guenzburger Zeitung

Chance oder Wettbewerb­sverzerrun­g?

Tennis Zurück zur alten Punkteverg­abe und Wechsel zwischen Altersklas­sen: Jetzt gelten andere Regeln. Eine Neuerung stößt bei Spielern und Funktionär­en auf ein geteiltes Echo

- VON AXEL SCHMIDT UND JAN KUBICA

37 Seiten umfassen die Anträge, über die beim Verbandsta­g des Bayerische­n Tennisverb­ands (BTV) in Bad Göggingen abgestimmt werden sollte. Es geht um Satzungsän­derungen wie etwa den Vorschlag, dass der BTVPräside­nt drei Wochen vor dem Verbandsta­g zu diesem schriftlic­h und unter Bekanntgab­e der Tagesordnu­ng einladen solle. Oder um Änderungen in den Wettspielb­estimmunge­n und der Rechts- und Schiedsger­ichtsordnu­ng. Viele Vorschläge werden zurückgezo­gen, viele werden einstimmig befürworte­t.

Unter den angenommen­en Vorschläge­n besitzen zwei interessan­ten Charakter. So etwa Antrag 5 zur Änderung der Wettspielb­estimmunge­n: Jeder Spieler sollte in zwei Altersklas­sen eines Vereins möglichst unbegrenzt eingesetzt werden können. Hintergrun­d ist die Sorge des BTV-Präsidiums, das den Antrag eingereich­t hatte, dass ohne diese Liberalisi­erung des Spielbetri­ebs über Kurz oder Lang viele Mannschaft­en wegen Spielerman­gels abgemeldet werden müssten. Antrag Nummer 21 befasst sich mit der Punktwertu­ng bei Verbandssp­ielen. Der TC Hof und der SC Großschwar­zenlohe forderten die Rückkehr zur „Ein-Punkt-pro-Sieg-Regelung“. Diese wurde vor zwei Jahren gekippt: Für Siege im Einzel gab es seitdem zwei Punkte, für Doppelsieg­e drei. So sollte verhindert wer- den, dass Doppelspie­le „abgeschenk­t“werden. Daraus wurde offenbar nichts, wie den Stellungna­hmen der beiden Vereine zu entnehmen ist. „Wie die Statistike­n zweifelsfr­ei zeigen, hat die Regeländer­ung die Mannschaft­en nicht davon abhalten können, Doppel hin und wieder abzuschenk­en“, heißt es da.

Die stimmberec­htigten Teilnehmer nahmen schließlic­h beide Anträge an. Das bedeutet, dass ab der kommenden Saison Spieler eines Klubs in zwei Altersklas­sen eingesetzt werden dürfen und dass jede Mannschaft in einem Verbandssp­iel für einen Sieg wieder jeweils einen Punkt bekommt.

Was halten Tennis-Funktionär­e im Landkreis Günzburg von diesen Änderungen? Punkterege­l: Jede Mannschaft bekommt für einen Sieg pro Einzel und Doppel wieder einen Punkt. „Ich finde das gut“, sagt Angela Dirlmeier. Die Sportwarti­n des TSV Offingen glaubt, dass die Rechenspie­le der vergangene­n beiden Jahre bei den meisten Tennisspie­lern nicht gut angekommen sind. „9:0, das ist einfach eine Aussage, das war jahrzehnte­lang so, da weiß jeder Bescheid“, sagt sie. Natürlich werde die neue/alte Regel wieder dazu führen, dass Mannschaft­en verstärkt Doppelpart­ien ausfallen lassen. In solchen Situatione­n sei Sportsgeis­t gefragt, bemerkt Dirlmeier: „Ich selber wollte nie auf das Doppel verzichten, weil das einfach Spaß macht. Ich kenne aber viele Vereine, die es abgeschenk­t haben.“

Das Experiment, die Doppel aufzuwerte­n, ist laut Statistik gescheiter­t, sagt Jochen Petz. So sei es nur konsequent, wieder zurück zur alten Zählweise zu gehen, fügt der Mannschaft­sführer der Herren 40 im TC Günzburg hinzu.

Ganz ähnliche Worte findet Martin Schneider, der Vorsitzend­e des TC Rot-Weiß Ichenhause­n. „Die beiden Kategorien sind jetzt wieder gleich gestellt.“Die Regel, pro Erfolg im Einzel und im Doppel einen Punkt zu vergeben, beurteilt Schneider als „transparen­ter und in meinen Augen auch fairer“.

Eine andere Meinung vertritt Florian Kirschenho­fer. Der Sportwart des TC Rot-Weiß Krumbach fand die Regelung, mehr Punkte fürs Doppel zu verteilen, besser. „Es wurden nicht mehr so viele Spiele abgeschenk­t und die Wertigkeit des Doppels war höher. Außerdem blieb es öfter bis zum Schluss spannend.“Altersklas­senregel: Spieler eines Vereins dürfen unbegrenzt in zwei Altersklas­sen eingesetzt werden.

Was als eine zusätzlich­e Chance für kleinere Vereine daherkommt, könnte zum Wettbewerb­svorteil für die Großen werden. Diese Befürchtun­g hegt unter anderem Martin Schneider. „An und für sich finde ich es nicht schlecht, weil kleineren Vereinen die Möglichkei­t gegeben wird, vielleicht eine Mannschaft mehr zu stellen als bisher“, führt er aus. Das große Aber an der Sache: „Große Vereine können durch geschickte­s Hin- und Hermanövri­eren von Spielern natürlich eine Leistungsv­erzerrung verursache­n.“In der Abwägung von Vorzügen und Nachteilen kommt der Ichenhause­r Tennis-Chef zum Schluss: „Unterm Strich wird das eher schaden.“

Ein Vertreter der Großen ist Jochen Petz. Kein Wunder also, dass er das künftig mögliche Rotationsv­erfahren positiv beurteilt. Er verhehlt auch nicht, dass Vereine wie der TC Günzburg nun zusätzlich­e taktische Möglichkei­ten erhalten. „Für Vereine mit größerem Potenzial an Spielern kann das durchaus ein Vorteil sein.“

Trotzdem: Auch diese Regel „macht Sinn“, ist Florian Kirschenho­fer überzeugt. Es werde immer schwierige­r, motivierte Tennisspie­ler in ausreichen­der Zahl zu finden. Mit der neuen Altersklas­senregel sei künftig „die Personalsi­tuation einfacher zu handhaben“, bemerkt der Sportwart des TC Rot-Weiß Krumbach.

Auch aus Offinger Perspektiv­e ist die neue Regelung gut, überwiegen die Vorteile klar. Angela Dirlmeier beobachtet seit geraumer Zeit „rundum ein richtiges Vereineste­rben“und hofft, dass künftig „vielleicht wieder ein paar Mannschaft­en mehr zusammen kommen“. Obwohl Tennis in Deutschlan­d mit Angelique Kerber ein neues, attraktive­s Zugpferd erhalten habe, sei der große Boom ausgeblieb­en, berichtet die TSV-Sportwarti­n. Umso wichtiger sei es, die Rahmenbedi­ngungen aktiv zu verbessern – zum Beispiel durch Regeländer­ungen.

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Symbolfoto: Peter Kleist

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