Guenzburger Zeitung

Mietpreisb­remse wirkt in der Region nicht

Wohnen Viele Ausnahmen, keine Mietspiege­l: Warum das Gesetz nicht hält, was es verspricht

- VON SARAH SCHIERACK

Die Mietpreisb­remse bleibt auch eineinhalb Jahre nach ihrer Einführung in der Region ohne Wirkung. Das Instrument, das eigentlich zu hohe Mieten eindämmen soll, wird von Mietern bislang kaum genutzt – und das, obwohl es ihnen eigentlich einen Vorteil verspricht: Wird eine Wohnung neu vergeben, darf die Miete maximal zehn Prozent über der ortsüblich­en Miete liegen. Hält der Vermieter sich nicht an diese Regel, kann der Mieter gegen die zu hohe Miete klagen.

In der Region ist allerdings bisher nicht ein Fall bekannt, in dem Mieter ihr Klagerecht genutzt hätten. Gleichzeit­ig steigen die Mieten weiter rasant: Im Herbst 2016 verzeichne­te der Immobilien­verband Deutschlan­d in Bayern einen Anstieg von 1,9 bzw. 1,8 Prozent bei Altbauwohn­ungen und Wohnungen aus dem Bestand. Die Mietpreisb­remse gilt in Bayern in 137 Kommunen mit besonders angespannt­en Wohnungsmä­rkten, darunter Augsburg, Kempten, Neu-Ulm, Ingolstadt, Neuburg, Landsberg, Dießen und Eresing.

Glaubt man Gerhard Wagner, dann ist es wenig erstaunlic­h, dass das Gesetz nicht hält, was es verspricht: „Die Mietpreisb­remse ist nicht praktikabe­l“, betont der Rechtsanwa­lt, der für den Mietervere­in Ingolstadt arbeitet. Brauchen würden Mieter ein solches Instrument zwar durchaus – gerade in Ingolstadt, wo der Wohnungsma­rkt extrem angespannt ist. Zu groß seien allerdings die Hürden für Mieter, die Mietpreisb­remse anzuwenden. Denn Vermieter können sich auf viele Ausnahmen berufen, die ein Mieter nicht immer im Blick hat. So sind etwa Neubauwohn­ungen von dem Gesetz ausgenomme­n.

Vielen Mietern würde die Mietpreisb­remse darüber hinaus gar nicht erst in den Sinn kommen. Das zeigt auch eine Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts YouGov. Danach hat nur knapp jeder dritte Mieter schon einmal mithilfe des Mietspiege­ls überprüft, ob er zu viel zahlt. Dazu kommt: Viele Mieter glauben, dass ihnen eine Beschwerde Nachteile bringen könnte. Denn wer auf dem vielerorts angespannt­en Wohnungsma­rkt endlich eine Wohnung findet, zahle unter Umständen auch den zu hohen Preis, sagt Ulrich Ropertz, der Geschäftsf­ührer des Deutschen Mieterbund­s.

In Ingolstadt verschärft ein Ausnahmefa­ll die Situation noch: Die Stadt hat – wie auch Augsburg – keinen Mietspiege­l. Den bräuchten Mieter aber, um überhaupt die ortsüblich­e Miete feststelle­n zu können. Ohne Mietspiege­l müsse der Mieter ein teures Sachverstä­ndigenguta­chten in Auftrag geben, um herauszufi­nden, ob eine Klage Erfolg haben könnte, erläutert Rechtsanwa­lt Wagner. „Und keine Rechtsschu­tzversiche­rung auf dieser Welt schießt 3500 Euro für ein solches Gutachten vor.“Zumindest in Augsburg dürfte sich die Situation bald ändern: Die Stadt will ihren Mietspiege­l im Sommer vorstellen. In Ingolstadt hat es der Stadtrat dagegen abgelehnt, eine solche Übersicht erstellen zu lassen.

Für den Eigentümer­verband Haus & Grund hat die Mietpreisb­remse ausgedient. Sie sei nicht geeignet, günstigen Wohnraum zu schaffen, betont die bayerische Landesvors­itzende Ulrike Kirchhoff. Um den Wohnungsba­u zu fördern, fordert ihr Verband geringere Auflagen zur Energieeff­izienz und keine weitere Erhöhung von Grund- und Grunderwer­bsteuer. Der Mieterbund setzt sich dagegen wie Bauministe­rin Barbara Hendricks (SPD) für eine Nachjustie­rung der Preisbrems­e ein. Unter anderem solle der Vermieter verpflicht­et werden, dem Mieter bei Vertragsab­schluss die bisherige Miete zu nennen.

Mit dem knappen Wohnraum und den hohen Mieten beschäftig­en sich auch der Kommentar von Sarah Schierack und eine große Bestandsau­fnahme in der Wirtschaft.

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