Wenn Priester im Alter vereinsamen

Interview Das Thema treibt viele katholische Geistliche um. Öffentlich spricht aber bislang kaum einer darüber. Nächste Woche wollen die deutschen Bischöfe über das Priesterleben reden. Was sich ein bayerischer Pfarrer davon erhofft

Am Montag treffen sich die deutschen Bischöfe zur Frühjahrs-Vollversammlung. Auf der Tagesordnung steht die „Lebensweise des priesterlichen Dienstes“. Es wird also auch darum gehen, wie katholische Priester mit ihrem oft einsamen Leben ohne Partnerin klarkommen.

Pfarrer Benker, sind Sie einsam?

Adalbert Benker: Nein. Und das liegt vor allem daran, dass ich eine Haushälterin habe. Sie lebt in meiner Wohnung und versorgt mich. Sie wartet auch abends auf mich, wenn es spät werden sollte. Mit ihr kann ich reden. Sicher gibt es Momente, in denen ich mich alleine fühle, aber die hat wohl jeder einmal.

Wie gehen Sie mit diesen Momenten um? Benker: Mir hilft dann das Gebet. Sehen Sie für sich die Gefahr, dass Sie vereinsamen könnten?

Benker: Gäbe es meine Haushälterin nicht, wäre die Gefahr groß. Sie ist meine Hauptansprechpartnerin und eine wichtige Bezugsperson. Gäbe es sie nicht, würde ich wohl ins Altenheim gehen, um in Kontakt mit anderen Menschen zu bleiben. Sie sind 77 Jahre alt und seit 2010 im Ruhestand. Als Pfarrer des katholischen Bistums Würzburg standen Sie immer in Kontakt mit vielen Menschen – wird mit dem Ruhestand schlagartig alles anders?

Benker: Das nicht, ich halte noch Gottesdienste und helfe aus.

Würden Sie sagen, Sie haben Glück gehabt, wenn Sie an andere katholische Pfarrer denken?

Benker: Ich kann sagen: Ich habe Glück gehabt, weil ich eine Haushälterin gefunden habe, die mich schon seit mehr als zwölf Jahren begleitet. Meine Haushälterin davor war 31 Jahre bei mir, sie ist inzwischen 94.

Reden Sie mit Ihren Kollegen über das Thema Einsamkeit?

Benker: Einer hat Angst, dass niemand bei ihm ist, wenn er stirbt. Dass er tot in seiner Wohnung liegt und ihn niemand findet. Er lebt allein. Aber gewöhnlich wird über das Thema Einsamkeit nicht gesprochen. Nur ganz selten deutet einer an, dass er einsam ist.

Wie erklären Sie sich das?

Benker: Viele Pfarrer haben nicht gelernt, über ihre Gefühle zu sprechen. Sie denken, dass sie es ja sind, die den Menschen helfen müssen, und dass das gewissermaßen die Rolle ist, die sie zu erfüllen haben.

Haben Sie einen Rat für diese Kollegen?

Benker: Geht zu denen, die noch einsamer sind. Ich glaube, es wird viel verdrängt. Auch mithilfe von Alkohol. Es ist bei jedem unterschiedlich. Aber ich bin kein Psychologe.

Der bekannte Münchner Pfarrer Rainer Maria Schießler sagte im Sommer in einem Interview: „Die meisten Priester haben keinen quasifamiliären Anschluss mehr. Deshalb besteht die Gefahr, irgendwann wunderlich zu werden.“

Benker: Da hat er recht. Ich habe beobachtet, wie sich Pfarrer gerade im Alter isolieren und nicht mehr auf andere zugehen. Ich weiß im Einzelnen nicht genau warum, aber das verschärft natürlich die Einsamkeit.

Haben Sie Freunde, die für Sie da sein werden, wenn es Ihnen einmal gesundheitlich schlecht geht?

Benker: Ja. Ich habe einen kleinen Freundeskreis. Es ist sehr wichtig als Pfarrer, sich so einen aufzubauen und Freundschaften zu pflegen. Aber wissen Sie: Einsamkeit gehört ein Stück weit zum Leben dazu – das Alleinsein vor Gott. Das ist auch etwas Erfüllendes.

Im Januar haben elf Kölner Priester in einem offenen Brief auf das Problem der Einsamkeit aufmerksam gemacht. Sie schreiben, dass ihnen einst mit dem Zölibat die Erfahrung der Einsamkeit „von Amts wegen“auferlegt worden sei – und dass sie jetzt als alternde Ehelose Einsamkeit „manchmal deutlich zu spüren“bekämen.

Benker: Das kann ich durchaus nachvollziehen. Der Zölibat ist allerdings nicht der Hauptgrund für Einsamkeit. Auch Witwer oder diejenigen, deren Ehen gescheitert sind, haben dieses Problem. Da sind wir Pfarrer keine Ausnahme.

Wäre Pfarrern geholfen, gäbe es den Zölibat nicht?

Benker: Man sollte das Amt nicht an den Zölibat koppeln, sondern die Entscheidung, ehelos zu leben, jedem freistellen. Schließlich brauchen wir mehr Pfarrer in unseren Gemeinden.

Am Montag beginnt in Bensberg bei Köln die Frühjahrs-Vollversammlung der deutschen Bischöfe. Sie wollen unter anderem über die „Zukunft und Lebensweise des priesterlichen und bischöflichen Dienstes“sprechen.

Benker: Seit Jahrzehnten überfällig ist, dass verheiratete Männer nicht mehr von der Priesterweihe ausgeschlossen werden. Und mit welchem Recht werden Pfarrer, die sich verliebt haben, von der Kirche fortgeschickt?

Sie wurden 1965, vor mehr als 50 Jahren, zum Priester geweiht ...

Benker: ... und ich war es immer gerne. Ich habe es nicht bereut. Es war die richtige Entscheidung für mich damals.

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