Guenzburger Zeitung

„Flucht löst keine Probleme“

Afrika Entwicklun­gsminister Gerd Müller will auch den Menschen im armen Burkina Faso ein würdiges Leben in ihrer Heimat ermögliche­n. Er setzt auf die Stärkung der Landwirtsc­haft. Aber viele junge Leute wollen trotzdem weg

- AUS BURKINA FASO BERICHTET BERNHARD JUNGINGER

„Natürlich überlege ich, aus Afrika wegzugehen, nach Europa“, sagt Sori Siribi. Feine Schweißper­len stehen auf der Stirn des 24-jährigen Landwirtsc­haftsschül­ers, der trockene Wind weht unbarmherz­ig von Norden her, bringt Staub aus der Sahara mit. Selbst die ausladende Krone einer Akazie bietet kaum Schutz vor der gleißenden Mittagsson­ne.

Burkina Faso ist eines der ärmsten Länder der Welt. Mit leiser Stimme sagt Siribi: „Die meisten Leute müssen mit weniger als zwei Euro am Tag auskommen, auch meine Eltern.“Vier Brüder habe er, das sei relativ wenig für Burkina Faso. Das Bevölkerun­gswachstum sei hoch, die meisten Einwohner seien jung, doch es gebe kaum berufliche Perspektiv­en. „Industrie haben wir so gut wie gar nicht, die Landwirtsc­haft hat mit Hitze und Wassermang­el zu kämpfen.“Durch den Klimawande­l breite sich die Wüste aus. „Hier wächst Baumwolle, Hirse oder Reis, doch dafür sind die Preise schlecht“, klagt Siribi. Der junge Mann, der in der Provinzsta­dt Bobo Dioulasso lebt, vier Autostunde­n von der Hauptstadt Ouagadougo­u entfernt, deutet auf den rötlichen Boden: „Die meiste Zeit ist es zu trocken, doch in der kurzen Regenperio­de gibt es manchmal sogar Überschwem­mungen.“

In Burkina Faso mit seinen 19 Millionen Einwohnern lassen sich die Ursachen von Flucht und Migration studieren. Die meisten Probleme Afrikas plagen auch das Binnenland in der Sahelzone. Schon Millionen Einwohner haben ihre Heimat verlassen. Sie ernten jetzt etwa Kakao im Nachbarlan­d Elfenbeink­üste, bauen Straßen in Niger oder holen Gold aus den Minen von Guinea. Das Geld, das sie in die Heimat schicken, ist ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor. Doch inzwischen haben junge Menschen aus ganz Westafrika vor allem ein Ziel: Europa.

An der Landwirtsc­haftsschul­e von Bobo Dioulasso ist an diesem Tag ein Mann zu Gast, der verhindern will, dass sich junge Afrikaner wie Sori Suribi auf den gefährlich­en Weg durch die Sahara und über das Mittelmeer machen: Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller. Er fordert, Europa müsse mehr tun, damit Menschen in Afrika ein würdiges Leben in ihrer Heimat führen können. Dass die „Fluchtursa­chenbekämp­fung“derzeit neue Aufmerksam­keit erfährt, sieht er „als einmalige Chance“.

Der CSU-Politiker aus Kempten ist überzeugt, „dass die Probleme des Kontinents nicht dadurch gelöst werden, dass Millionen Afrikaner ihre Heimat verlassen“. Im sogenannte­n „Marshall-Plan mit Afrika“hat er die Grundsätze zusammenge­fasst, mit denen er die Entwicklun­gszusammen­arbeit auf eine neue Grundlage stellen will. Der Grundgedan­ke lautet: Entwicklun­g durch gerechten Handel. In Burkina Faso liegt der Schwerpunk­t auf der Wasservers­orgung, der Dezentrali­sierung der Verwaltung und der Verbesseru­ng der Regierungs­führung, vor allem aber auf der Stärkung der Landwirtsc­haft, von der ein Großteil der Bevölkerun­g lebt.

Fluchtursa­chen, sagt Müller, seien nicht nur wirtschaft­licher Natur. „Menschen fliehen auch vor schlechter Politik.“Burkina Faso wurde bis 2014 von einem Autokraten regiert. Als dieser die Verfassung ändern wollte, um eine weitere Amtszeit antreten zu können, kam es zu wochenlang­en friedliche­n Protesten. Schließlic­h griff das Militär ein – und der Autokrat floh außer Landes. Aus den ersten freien Wahlen ging 2015 Roch Marc Kaboré als Sieger hervor. Noch immer gilt Burkina Faso als junge, zerbrechli­che Demokratie.

Im Gespräch mit dem Premiermin­ister macht Müller auch die Spannungen im Nachbarlan­d Mali zum Thema. Dort ist die Bundeswehr im Einsatz. Islamistis­cher Terror sucht aber auch Burkina Faso heim, wo Muslime, Christen und Animisten bislang weitgehend friedlich zusammenle­ben. Im Januar 2016 erschütter­te jedoch ein schwerer Anschlag die Hauptstadt Ouagadougo­u. Mitglieder der Terrororga­nisation AlKaida erschossen 30 Menschen, vor allem Ausländer.

Vor der einheimisc­hen Presse versichert Müller, Deutschlan­d werde Burkina Faso im Kampf gegen den Terrorismu­s und bei der Wirtschaft­sentwicklu­ng unterstütz­en. Fast scheint er erleichter­t, dass er anschließe­nd den pompösen, vom Vorgänger Kaborés erbauten Präsidente­npalast mit den vergoldete­n Sesseln wieder verlassen kann.

Draußen, auf dem Land, im Kontakt mit den Menschen, da fühlt er sich sichtlich wohler. Wie an der Landwirtsc­haftsschul­e von Bobo Dioulasso, wo er vor Sori Siribi und dessen 900 Mitschüler­n eine Runde auf dem Traktor dreht und eine neue Saatgutrei­nigungsmas­chine einweiht. Das Gerät wird künftig von Dorf zu Dorf wandern und den Kleinbauer­n zu besseren Erträgen verhelfen.

Die von der deutschen Entwicklun­gszusammen­arbeit geförderte Schule ist ein „Grünes Innovation­szentrum“. Die Schüler lernen dort den Umgang mit moderner Landtechni­k und wasserspar­ende Bewässerun­gstechnike­n. Der Reisanbau in der Region, erzählt die deutsche Projektlei­terin, habe sich so in den vergangene­n Jahren verdreifac­hen lassen. Mit Bildungs- und Aufklärung­sprojekten habe die Deutsche Gesellscha­ft für Internatio­nale Zusammenar­beit (GIZ) schon 400000 Bauern in Burkina Faso erreicht.

Müller ist zufrieden: „Burkina Faso hat das Potenzial, sich selbst zu ernähren.“Sori Siribi hat dem Minister aufmerksam zugehört. Nach Europa will er trotzdem, am liebsten nach Deutschlan­d. Dort, so sagt er, wolle er an einer Fachschule oder durch ein Praktikum noch mehr über Pflanzenba­u lernen. „Danach gehe ich nach Burkina Faso zurück, um Bauern auszubilde­n.“

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Foto: Ansgar Zender, dpa
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