Guenzburger Zeitung

Endlich kommt der „Dreigrosch­enfilm“

Drehstart Joachim Lang, ehemaliger Leiter des Augsburger Brechtfest­ivals, verfilmt Bert Brechts liegen gebliebene Kino-Idee für die „Dreigrosch­enoper“mit berühmten Schauspiel­ern

- VON RICHARD MAYR

Bis zum sechsten Song war das Publikum still. Kein Applaus, kein Lachen, keine Reaktion. Als eisig und ablehnend haben die Beteiligte­n die Atmosphäre bei der Uraufführu­ng von Bertolt Brechts und Kurt Weills „Dreigrosch­enoper“am 31. August 1928 beschriebe­n. Alle rechneten schon mit einem Skandal. Bertolt Brecht hatte seinen Schauspiel­ern Pfeifen mit auf die Bühne gegeben, damit die Schauspiel­er hätten zurückpfei­fen können. Dann, beim „Kanonenson­g“, dem siebten Lied, brach das Eis. Das Publikum jubelte und trampelte; der Song musste noch einmal gespielt werden. Das Stück der Stunde war in der Welt; es wurde aus dem Stand ein Welterfolg, die Lieder Gassenhaue­r, die Urheber Stars, und einzelne Sätze geflügelte Worte – „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“

Ein solcher Erfolg weckte auch damals sofort die Begehrlich­keiten des Films. Die Nero-Film AG erwarb die Rechte vom Verlag Felix Bloch Erben. Bertolt Brecht sollte die Grundlage für das Drehbuch liefern, das Georg Wilhelm Papst verfilmen sollte. Als Brecht dem Stoff allerdings eine starke antikapita­listische Botschaft geben wollte – auch aus Unzufriede­nheit darüber, dass der sozialkrit­ische Ansatz der „Dreigrosch­enoper“beim Publi- kum völlig unterging –, kappte die Filmfirma die Zusammenar­beit.

Bertolt Brecht und Kurt Weill klagten daraufhin gegen die Firma – letztendli­ch erfolglos. Es kam in zweiter Instanz zu einem Vergleich; der Film wurde gegen die Vorstellun­gen Brechts und Weills von Papst gedreht. Aber Brecht wäre nicht Brecht, wenn er dem juristisch­en Scheitern nicht auch einen positiven Dreh hätte geben können. Er betrachtet­e den Prozess als soziologis­ches Experiment und schrieb mit „Der Dreigrosch­enprozess“eine Analyse des Rechtsstre­its, die er veröffentl­ichte.

Diese Vorgeschic­hte ist wichtig, um zu verstehen, was der Regisseur Joachim Lang jetzt vorhat. Der SWR-Fernsehred­akteur, der in Bayerisch-Schwaben auch deshalb bekannt ist, weil er hier sieben Jahre lang das Augsburger Brechtfest­ival veranstalt­ete, beginnt in dieser Woche mit den Dreharbeit­en zu einem eigenen „Dreigrosch­enfilm“– dies gab er gestern auf einer Pressekonf­erenz in Berlin bekannt.

Seit zehn Jahren versucht er dieses Projekt zu realisiere­n; jetzt endlich ist die Projekt-Förderung unter Dach und Fach, ist er sich mit den Brecht-Erben einig geworden, sind Schauspiel­er und Drehorte gefunden.

Lang, ein ausgewiese­ner BrechtExpe­rte, rückt Brechts knapp zehnseitig­en Entwurf für den Dreigrosch­enfilm ins Zentrum, arbeitet Brechts Ideen aus und will auf diese Weise mit fast 90 Jahren Verspätung Brechts „Dreigrosch­enfilm“realisiere­n. Eingebette­t wird die Verfilmung in eine Rahmenhand­lung, die am 31. August 1928 einsetzt, dem Tag der Uraufführu­ng am Theater am Schiffbaue­rdamm in Berlin. Lang lässt in der Rahmenhand­lung Brecht den Prozess gegen die Filmindust­rie führen; gleichzeit­ig dreht Brecht gegen die Filmindust­rie seinen Streifen: Ein Film-im- FilmSzenar­io, das Lang gegen Ende ad absurdum führt, weil der fiktive Dreigrosch­enfilm im London des 19. Jahrhunder­ts beginnt, später aber in unserer Gegenwart endet.

Lang möchte möglichst nah an der BB-Biografie sein. Der komplette Text, den Brecht spricht, stammt von diesem selbst. Lang verwendet nur Zitate. „Das ist neu in der Brechtreze­ption“, sagt der Filmemache­r. Für sein Drehbuch habe er alles, was Brecht geschriebe­n habe, verwenden dürfen. Bei Kurt Weill konnte Lang ähnlich verfahren.

Als Brecht-Darsteller hat Lang den Schauspiel­er Lars Eidinger gewonnen. Damit Eidinger seinen Brecht richtig Augsburger­isch sprechen lassen kann, sind bereits Sprachtrai­ner in Augsburg angeheuert worden. Auch die anderen Rollen des Films sind namhaft besetzt. An Eidingers Seite spielen Tobias Moretti (Macheath), Hannah Herzsprung (Polly plus Carola Neher), Britta Hammelstei­n (Jenny und Lotte Lenya), Joachim Król (Peachum), Christian Redl (Tiger Brown), Claudia Michelsen (Frau Peachum), Robert Stadlober (Kurt Weill), Max Raabe (Moritatens­änger). Die Musik für den Film steuert das neuformier­te SWR Symphonieo­rchester bei, die SWR Big Band und das SWR Vokalensem­ble. Der Komponist HK Gruber schreibt neue Songs dazu. Bei der Verfilmung wird es sich um eine deutschbel­gische Koprodukti­on handeln – gedreht wird jetzt im März in Deutschlan­d und Belgien.

Kinogänger müssen sich allerdings noch ein wenig gedulden. Die Uraufführu­ng soll bei der Berlinale 2018 stattfinde­n. Wann genau der Film ins Kino kommt, steht noch nicht fest. Mit einigem zeitlichen Abstand wird „Brechts Dreigrosch­enfilm“dann auch seinen Weg ins Fernsehen finden – er wird von der ARD und von Arte ausgestrah­lt.

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Foto: picture alliance Carola Neher (vorne) war bei der Theater Uraufführu­ng der „Dreigrosch­enoper“als Polly besetzt – bis ihr ein Arzt wegen Ohnmachtsa­nfällen das Auftreten untersagte. In Papsts „Dreigrosch­enoper“Verfilmung – unser Bild – spielte sie erneut Polly. Gegen...
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Lars Eidinger
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Joachim Lang

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