Endlich kommt der „Dreigroschenfilm“
Drehstart Joachim Lang, ehemaliger Leiter des Augsburger Brechtfestivals, verfilmt Bert Brechts liegen gebliebene Kino-Idee für die „Dreigroschenoper“mit berühmten Schauspielern
Bis zum sechsten Song war das Publikum still. Kein Applaus, kein Lachen, keine Reaktion. Als eisig und ablehnend haben die Beteiligten die Atmosphäre bei der Uraufführung von Bertolt Brechts und Kurt Weills „Dreigroschenoper“am 31. August 1928 beschrieben. Alle rechneten schon mit einem Skandal. Bertolt Brecht hatte seinen Schauspielern Pfeifen mit auf die Bühne gegeben, damit die Schauspieler hätten zurückpfeifen können. Dann, beim „Kanonensong“, dem siebten Lied, brach das Eis. Das Publikum jubelte und trampelte; der Song musste noch einmal gespielt werden. Das Stück der Stunde war in der Welt; es wurde aus dem Stand ein Welterfolg, die Lieder Gassenhauer, die Urheber Stars, und einzelne Sätze geflügelte Worte – „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“
Ein solcher Erfolg weckte auch damals sofort die Begehrlichkeiten des Films. Die Nero-Film AG erwarb die Rechte vom Verlag Felix Bloch Erben. Bertolt Brecht sollte die Grundlage für das Drehbuch liefern, das Georg Wilhelm Papst verfilmen sollte. Als Brecht dem Stoff allerdings eine starke antikapitalistische Botschaft geben wollte – auch aus Unzufriedenheit darüber, dass der sozialkritische Ansatz der „Dreigroschenoper“beim Publi- kum völlig unterging –, kappte die Filmfirma die Zusammenarbeit.
Bertolt Brecht und Kurt Weill klagten daraufhin gegen die Firma – letztendlich erfolglos. Es kam in zweiter Instanz zu einem Vergleich; der Film wurde gegen die Vorstellungen Brechts und Weills von Papst gedreht. Aber Brecht wäre nicht Brecht, wenn er dem juristischen Scheitern nicht auch einen positiven Dreh hätte geben können. Er betrachtete den Prozess als soziologisches Experiment und schrieb mit „Der Dreigroschenprozess“eine Analyse des Rechtsstreits, die er veröffentlichte.
Diese Vorgeschichte ist wichtig, um zu verstehen, was der Regisseur Joachim Lang jetzt vorhat. Der SWR-Fernsehredakteur, der in Bayerisch-Schwaben auch deshalb bekannt ist, weil er hier sieben Jahre lang das Augsburger Brechtfestival veranstaltete, beginnt in dieser Woche mit den Dreharbeiten zu einem eigenen „Dreigroschenfilm“– dies gab er gestern auf einer Pressekonferenz in Berlin bekannt.
Seit zehn Jahren versucht er dieses Projekt zu realisieren; jetzt endlich ist die Projekt-Förderung unter Dach und Fach, ist er sich mit den Brecht-Erben einig geworden, sind Schauspieler und Drehorte gefunden.
Lang, ein ausgewiesener BrechtExperte, rückt Brechts knapp zehnseitigen Entwurf für den Dreigroschenfilm ins Zentrum, arbeitet Brechts Ideen aus und will auf diese Weise mit fast 90 Jahren Verspätung Brechts „Dreigroschenfilm“realisieren. Eingebettet wird die Verfilmung in eine Rahmenhandlung, die am 31. August 1928 einsetzt, dem Tag der Uraufführung am Theater am Schiffbauerdamm in Berlin. Lang lässt in der Rahmenhandlung Brecht den Prozess gegen die Filmindustrie führen; gleichzeitig dreht Brecht gegen die Filmindustrie seinen Streifen: Ein Film-im- FilmSzenario, das Lang gegen Ende ad absurdum führt, weil der fiktive Dreigroschenfilm im London des 19. Jahrhunderts beginnt, später aber in unserer Gegenwart endet.
Lang möchte möglichst nah an der BB-Biografie sein. Der komplette Text, den Brecht spricht, stammt von diesem selbst. Lang verwendet nur Zitate. „Das ist neu in der Brechtrezeption“, sagt der Filmemacher. Für sein Drehbuch habe er alles, was Brecht geschrieben habe, verwenden dürfen. Bei Kurt Weill konnte Lang ähnlich verfahren.
Als Brecht-Darsteller hat Lang den Schauspieler Lars Eidinger gewonnen. Damit Eidinger seinen Brecht richtig Augsburgerisch sprechen lassen kann, sind bereits Sprachtrainer in Augsburg angeheuert worden. Auch die anderen Rollen des Films sind namhaft besetzt. An Eidingers Seite spielen Tobias Moretti (Macheath), Hannah Herzsprung (Polly plus Carola Neher), Britta Hammelstein (Jenny und Lotte Lenya), Joachim Król (Peachum), Christian Redl (Tiger Brown), Claudia Michelsen (Frau Peachum), Robert Stadlober (Kurt Weill), Max Raabe (Moritatensänger). Die Musik für den Film steuert das neuformierte SWR Symphonieorchester bei, die SWR Big Band und das SWR Vokalensemble. Der Komponist HK Gruber schreibt neue Songs dazu. Bei der Verfilmung wird es sich um eine deutschbelgische Koproduktion handeln – gedreht wird jetzt im März in Deutschland und Belgien.
Kinogänger müssen sich allerdings noch ein wenig gedulden. Die Uraufführung soll bei der Berlinale 2018 stattfinden. Wann genau der Film ins Kino kommt, steht noch nicht fest. Mit einigem zeitlichen Abstand wird „Brechts Dreigroschenfilm“dann auch seinen Weg ins Fernsehen finden – er wird von der ARD und von Arte ausgestrahlt.