Guenzburger Zeitung

„Vertrauen Sie dem, was Sie sehen und wahrnehmen!“

-

Ursprüngli­ch, sagt sie, ursprüngli­ch habe ihr Interesse der Fotografie gegolten. Damals war sie noch Studentin, später Meistersch­ülerin der Künstlerin und Berliner Professori­n Katharina Sieverding. Doch dann, 2003, sei ihr bewusst geworden, dass die Perspektiv­e, die der Fotografie innewohnt, sie beenge. So wechselte sie das Medium und begann, ihre Eindrücke von der Welt zu notieren: all das, was sie interessie­rte und dazu jene Gründe, weswegen sie genau dies vordem hatte fotografie­ren wollen. Derart entstanden zeichenhaf­te Notizen. Zeichenhaf­te Notizen zu Ereignisse­n und zu Situatione­n, die sie sah und hörte. Kreuzchen, Punkte, Linien, Worte, Zahlen, Pfeile, Kurven.

Daraus entwickelt­en sich Notationen fortschrei­tender und gleichzeit­iger Ereignisse. Beobachtun­gsund Hörzeit traten in den abstraktdo­kumentiere­nden künstleris­chen Prozess ein. Es entstanden Skizzen, Grafiken, Diagramme, in der Folge Code-Choreograf­ien, Chiffren-Partituren. Zeitsprung. Heute gehören die schönsten Arbeiten von Jorinde Voigt zu den schönsten Arbeiten der zeitgenöss­ischen europäisch­en Zeichnungs­kunst.

Und nun stellt Voigt, mittlerwei­le selbst Professori­n (für konzeptuel­les Zeichnen an der Münchner Kunstakade­mie), in der Kunsthalle Nürnberg aus – ein absichtsvo­ll gesetzter Auftakt zum 50-Jahre-Jubiläum dieser Institutio­n. Zweimal bereits, 2015 und 2016, war sie zur vielver- sei ihr mit der dafür aufzubring­enden Disziplin zu eng gewesen. Sie wollte, so legt sie heute im persönlich­en Gespräch dar, „alles, was es gibt in der Welt, benutzen dürfen“.

Und so untersucht­e sie auch alles, was sie interessie­rte: den Flug der Adler sowie Popsongs, Lichtbögen und Beethovens Klavierson­aten, botanische Gärten in aller Welt, erotische japanische Holzschnit­te und den Begriff des Staates. Notiert in Liniengesp­insten von innerer Logik, notiert als strukturie­rte, organisier­te Wirkkräfte. Bis heute bedeutet Jorinde Voigt ihre Arbeit mehr Fragestell­ung, mehr Welt-Erkundung, mehr Text als Bild. Doch so

Newspapers in German

Newspapers from Germany