Einsamkeit zu siebt
Theater Dörte Trauzeddel schlüpft in die Rolle von Menschen, die durch eine Tragödie miteinander verstrickt sind. Im Neuen Theater Burgau feiert das Stück seine Deutschland-Premiere
Burgau Mit Ein-Personen-Stücken ist das so eine Sache. Meistens ist es eine ganz schön einsame Angelegenheit, eine gute Stunde allein vor sich hin zu monologisieren. Einsam ist Dörte Trauzeddel in „Die Blonde, die Brünette und die Rache der Rothaarigen“aber nun wirklich nicht. Denn mit der Schauspielerin stehen im Neuen Theater Burgau bei dem Stück des australischen Dramatikers Robert Hewett insgesamt sogar sieben Menschen auf der Bühne. Sieben Menschen, die miteinander durch eine Tragödie verstrickt sind. Sieben Menschen, die aber auch jeder für sich Einsamkeit erleben. Sieben Menschen, denen die Schauspielerin Körper und Stimme leiht. Das 2004 in Sydney uraufgeführte Stück feierte 2015 seine deutschsprachige Erstaufführung im Kosmostheater in Wien, das Neue Theater Burgau ist das erste deutsche Bühnenhaus, das es zeigt.
Rhonda Russell – sie ist Anfang und Ende des Stücks, sein Drehund Angelpunkt, seine tragische Heldin. Die rothaarige Rhonda, verlassen und betrogen von ihrem entsetzlichen Macho-Ehemann Graham, aufgestachelt von ihrer verlogenen, brünetten Nachbarin Lynette zu einer Verzweiflungstat, die in einen schrecklichen Unfall mündet. Er ändert das Leben von Ärztin Alex, deren Sohn Matthew und besonders von Alex’ blonder Lebensgefährtin Chrissie und ihrer Tochter Ellen, die beide als einzige nicht persönlich in Erscheinung treten, aber doch mitten im Zentrum des Geschehens stehen. Auch ein bisschen von Mrs. Carlyle, die von ihrem Fenster aus den besten Einblick ins Familienleben der Patchworkfamilie hat. Und da ist dann auch noch die blonde Juwelenverkäuferin Tanja, die mit dem ganzen Schlamassel gar nichts zu tun haben wollte – und doch mittendrin steckt.
So traurig das ist, was die Personen zu erzählen haben – es steckt eine ganze Menge Komik darin. Leicht ließe es sich hier ins Krawallige verfallen, beispielsweise, wenn Nachbarin und Dessous-Boutiquenbesitzerin Lynette zur Rechtfertigungsarie ansetzt, die am Ende ihre Schuld an der Katastrophe nur noch deutlicher macht. Oder wenn Tanja aus Minsk klar macht, dass sie dem „Arsch-Gesicht Graham“am Liebsten weder das eine noch das andere zugewandt hätte, und schon gar nicht seine Zunge in ihrem Hals haben wollte. Doch das Spiel von Dörte Trauzeddel lässt allen sieben Figuren, ob betrogener Ehefrau oder betrügendem Ehemann, ob pflegebedürftiger Rentnerin oder verstörtem Kleinkind, neben Witz und Charme seinen Funken Würde.
Mit einem Kunstgriff zeigt Regisseurin Vera Hupfauer, wie die Lebenswege der sieben Figuren sich miteinander verweben. Es ist ein roter Faden, mit dem Dörte Trauzeddel nach jedem ihrer Monologe einen weiteren Strang des Spinnennetzes weiter spinnt, in dem sich Rhonda verfangen hat. Um dann, immer sichtbar für das Publikum, hinter einer halbtransparenten Wand in die nächste Rolle zu schlüpfen – begleitet vom Echo der Stimmen, die zuvor gesprochen haben. Auch sie schwellen zu einem immer dichter werdenden Geflecht an. „Rhonda, du musst das für die letzten elf Jahre deines Lebens tun!“; „Was kann man schon erwarten von einem Kind aus einem Reagenzglas?“; „Ich mische mich nie in die Angelegenheiten anderer Leute!“„Weißt du, wo meine Mami ist?“mischen sich miteinander und machen klar, was so schwer zu ertragen ist: Eine Frau ist tot, und dabei war es doch alles nur ein dummer, entsetzlicher Zufall.
Dörte Trauzeddel und Vera Hupfauer erzählen eine Geschichte, die sich aus vielen Geschichten speist. Vom Lieben und Leiden, vom Verlassen und Verlassenwerden, von der Lüge und von der Schuld – aber am Ende auch von der Vergebung, die ganz unerwartet das unentwirrbar Scheinende entwirrt, die Fesseln löst. Eine Befreiung für Rhonda, die über ein physisches Gefängnis hinaus geht.
Mit Ein-Personen-Stücken ist das so eine Sache. Man ist – egal wie viele Rollen man darin spielt – nun mal allein auf der Bühne, ohne Stichwortgeber, ohne Anspielpartner, ohne Atempause. Die nicht zuletzt durch Improvisationstheater („Flotte Lotte“) gestählte Dörte Trauzeddel meistert diesen Kraftakt jedoch wunderbar – wenn beispielsweise mal der aufgeklebte Bart einfach nicht halten will. Den Faden verliert sie über die 70 Minuten nicht – und erntet bei der Premiere, die ruhig ein paar Besucher mehr vertragen hätte, verdienten, großen Applaus und sogar einige stehende Ovationen.