Neue Runde im Dieselskandal: Razzia bei Audi
Affäre Staatsanwälte suchen nach Beweisen für Betrug in Ingolstadt und an anderen Standorten
Der Abgasskandal trifft nun auch die VW-Tochter Audi mit voller Wucht: Drei Stunden vor der Präsentation der Geschäftszahlen für 2016 haben Ermittler gestern am frühen Morgen begonnen, den Hauptsitz von Audi in Ingolstadt zu durchsuchen. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt gegen unbekannt. Es geht um Betrug und strafbare Werbung beim Verkauf von 80 000 Autos, die mit einem von Audi entwickelten Drei-Liter-Diesel ausgestattet sind und zwischen 2009 und 2015 in den USA verkauft wurden. Es bestehe der Verdacht, so die Staatsanwaltschaft, dass die Autos mit „technischen Vorrichtungen“so manipuliert wurden, dass sie die amerikanischen Grenzwerte einhalten können.
18 Staatsanwälte und 80 Beamte der Landeskriminalämter Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen durchsuchten nicht nur den Ingolstädter Hauptsitz mit dem Vorstandsgebäude. Auch in Neckarsulm, beim Mutterkonzern Volkswagen in Wolfsburg und an sieben weiteren Orten fuhren Ermittlungsbeamte vor. Audi bestätigt die Untersuchungen in der Ingolstädter Konzernzentrale und in Neckarsulm. Nach Informationen unserer Zeitung wurden Privatwohnungen von Audi-Vorständen gestern nicht durchsucht. Dass die groß angelegte, von langer Hand geplante und bis zum Abend andauernde Razzia just am Tag der Jahrespressekonferenz stattfand, sei eine „unglückliche Terminkollision“, erklärte ein Sprecher der Ermittlungsbehörde auf Anfrage. Audi wollte das nicht kommentieren.
Audi-Chef Rupert Stadler verwies bei der Bilanzpressekonferenz auf die Ermittlungen der amerikanischen Kanzlei Jones Day und auf den Aufsichtsrat des VW-Konzerns, der sich im Februar klar hinter ihn gestellt hatte. Er habe sich stets für die Aufklärung der Affäre eingesetzt, sie „ist aktuell mein zentraler Job als Vorstandsvorsitzender“, sagte der 53-Jährige. „Der Weg des Aufarbeitens ist noch lange nicht abgeschlossen.“
In Frankreich wurden gleichzeitig schwere Vorwürfe gegen den Autobauer Renault laut: Bei dem Konzern gebe es möglicherweise schon seit mehr als 25 Jahren Strategien, um bei Abgastests zu betrügen, heißt es in einem Bericht der Behörde für Wettbewerb, Verbraucher und Betrugsbekämpfung. In die Affäre verstrickt sei die gesamte Führungsriege bis hoch zu Renault-Chef Carlos Ghosn. Danach soll Renault eine Software erfunden haben, um „die Ergebnisse von Abgastests zu fälschen“.
Mitten in die Diskussion um den Abgasskandal platze eine Nachricht aus den USA: Präsident Donald Trump kündigte an, dass die strengen Umweltregelungen in Bezug auf Abgase zurückgedreht werden sollen – der Wirtschaft zuliebe. Der neue Chef des Umweltamts EPA, Scott Pruitt, sagte: „Diese Standards sind teuer für die Autobauer und die US-Bürger.“(mit dpa, afp)
Hintergründe und Einschätzungen zum Fall Audi finden Sie auch im Leitartikel von Tobias Schaumann und in der Wirtschaft.