Guenzburger Zeitung

Opposition verhindert Eskalation in der CSU

Landespoli­tik Zwischen Parteichef Seehofer und der Landtagsfr­aktion kracht es derzeit gewaltig. Wie ausgerechn­et SPD und Grüne die Wogen vorerst ein wenig glätten konnten

- VON HENRY STERN

Ausgerechn­et die Opposition half der CSU am Mittwoch im Landtag, den Kopf wieder ein wenig aus der Schlinge zu ziehen: Denn eigentlich sollte der Innenaussc­huss über das Kommunalwa­hlrecht abstimmen – über exakt das Thema, das am Vortag für mächtig Zoff innerhalb der CSU gesorgt hatte.

Doch SPD und Grüne verzichtet­en freiwillig auf den Härtetest, ob die CSU-Landtagsmi­tglieder dort tatsächlic­h gegen den Willen ihres Ministerpr­äsidenten für eine CSUfreundl­iche Wahlrechts­änderung stimmen würden. Stattdesse­n beantragte­n sie eine Fachanhöru­ng. Die CSU-Fraktion konnte ihr Glück kaum fassen: „Wir machen die Diskussion gerne ausführlic­h, wenn die Opposition mehr Zeit braucht“, sagte der CSU-Abgeordnet­e Andreas Lorenz generös.

Dabei ist es wohl eher die CSU, die derzeit mehr Zeit für interne Diskussion­en benötigt. Oder genauer: die CSU-Landtagsfr­aktion und ihr Ministerpr­äsident Horst Seehofer. Zumal es in dem parteiinte­rnen Streit, der am Dienstag in Seehofers öffentlich­er Abkanzelun­g der eigenen Mannschaft seinen vorläufige­n Höhepunkt fand, um mehr geht als die spröde Frage, nach welchem System die Sitze der bayerische­n Kommunalpa­rlamente verteilt werden.

Vielmehr prallen in der CSU gleich bei mehreren Themen sehr grundsätzl­iche Auffassung­en aufeinande­r, wie erfolgreic­he Politik auszusehen hat. Seehofers Credo lautet: „Die Wahrheit liegt in der Wahlurne“. Auch politische Überzeugun­gen müssen deshalb der Wahltaktik untergeord­net werden, wenn sie den Erfolg gefährden könnten. Konkret heißt das: Eine Wahlrechts­änderung mag inhaltlich noch so gute Gründe haben – wenn sie vor allem der CSU nützt, macht sie die Partei unter dem Schlagwort „Arroganz der Macht“im Wahlkampf angreifbar und muss gestoppt werden. Oder: Wenn ganz Bayern eine Rückkehr zum neunstufig­en Gymnasium erwartet, dann gibt es für Seehofer schon aus wahltaktis­chen Gründen keinen Weg mehr, am alten G 8 festzuhalt­en. Eine endgültige Entscheidu­ng soll an Ostern fallen.

In der CSU wollen dagegen viele Abgeordnet­e ihre festen Grundüberz­eugungen nicht einer aus ihrer Sicht diffusen Stimmungsp­olitik opfern. So macht etwa CSU-Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer keinen Hehl aus seiner Auffassung, dass das Gymnasium schon jetzt zu einfach ist und eine weitere Verweichli­chung durch ein neues G9 verhindert werden müsse. Auch beim Thema „dritter Nationalpa­rk“prallt Seehofers Pragmatism­us auf abweichend­e Meinungen: Während der CSU-Chef die städtische­n Wähler im Blick hat, die mehr Naturschut­z wollen, halten viele Abgeordnet­e wenig von Seehofers grünen Anwandlung­en – und fürchten den Zorn von Bauern, Jägern oder Waldbesitz­ern.

Seehofer lässt wenig Zweifel, dass er seinen Kurs auch gegen internen Widerstand durchsetze­n will. Alles andere führe nur in die Wahlnieder­lage. „Wer dafür die Verantwort­ung übernehmen will, soll sie übernehmen“, warnte er. „Ich tue es jedenfalls nicht.“

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Foto: Ralf Lienert Unterschie­dliche Meinungen beim The ma G 9: Thomas Kreuzer und Horst See hofer.

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