Guenzburger Zeitung

Paradies für Technikfre­unde unterm Dach

Hobby Erwin Brenner aus Zusmarshau­sen hat etwa 150 Radios gesammelt. Wie es zu dieser Leidenscha­ft kam und wo der frühere Bankkaufma­nn die Geräte aufspürte

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Zusmarshau­sen Behutsam dreht er den Knopf nach links, dann ein wenig nach rechts. Aus dem Surren wird ein Ton. Dann kommt leise Musik aus dem Lautsprech­er, dessen Membran mit einem altmodisch­en Stoff überzogen ist. 93 Jahre alt ist das Loewe-Radio. Ein echtes Liebhabers­tück, das Erwin Brenner wie die etwa 150 anderen Radio- und Tonbandger­äte, Kofferempf­änger und Musiktruhe­n im ausgebaute­n Dachgescho­ss wie einen Schatz hütet.

Mit einem Volksempfä­nger, Baujahr 1936, begann Anfang der 1950er-Jahre eine Leidenscha­ft, die Erwin Brenner heute als „Faszinatio­n“bezeichnet. „Es geht darum, aus einem Gerät etwas herauszuki­tzeln“, erklärt der frühere Bankkaufma­nn, der die deutsche Rundfunkge­schichte miterlebt hat. Als nach dem Krieg die Produktion von Radiogerät­en verboten war, entstan- den mit einfachen Mitteln erste Geräte Marke Eigenbau. Erwin Brenner: „Max Grundig hatte dann die Idee, die Verbote in dieser Zeit zu unterlaufe­n, und zwar durch einzelne Bausätze.“So entstand 1946 der Grundig Heinzelman­n, der sich ebenfalls in der Sammlung des Zusmarshau­sers befindet.

Weitere Raritäten sind ein 90 Jahre altes AEG Geadem, ein Telefunken Arcofar oder ein Siemens Typ 32 W aus dem Jahr 1928. Mit dem Körting-Super verbindet Erwin Brenner eine besondere Geschichte: Das Gerät gehörte dem Zusmarshau­ser Czermak, der während des Zweiten Weltkriegs heimlich Feindsende­r hörte. Ein weiteres Stück mit Geschichte ist ein Schulfunke­mpfänger aus dem Jahr 1953. Er wurde früher von Klassenzim­mer zu Klassenzim­mer getragen. Nicht zu vergessen ein französisc­hes Koffergerä­t von 1938. Und der TransitorK­leinstempf­änger mit Genehmi- gungsnumme­r der sowjetisch­en Militärbeh­örden und andere Geräte aus der Ex-DDR, die ausschließ­lich vom volkseigen­en Betrieb (VEB) gefertigt worden waren.

An die Technik aus Ostdeutsch­land hat der 79-jährige Brenner besondere Erinnerung­en. Nach der Wende kam er auf die Idee, dort in verschiede­nen Zeitungen Suchinsera­te aufzugeben. Die Anzeigen hatten Erfolg: Mehrere Radiobesit­zer meldeten sich in Zusmarshau­sen und boten ihre Nachkriegs­geräte an. Eine Dame hat Brenner besonders in Erinnerung behalten: Sie überließ ihm ein älteres Gerät mit den Worten: „Wenn ich weiß, dass es in guten Händen ist, dann schenke ich es Ihnen.“Gesagt, getan.

An andere Geräte kam Brenner mithilfe eines Kurierfahr­ers. Der bot seine Hilfe an, weil er im Umkreis von 30 Kilometern ohnehin ständig unterwegs war. Über die Gelben Seiten war Brenner auf den Fahrer gestoßen. Auch auf Flohmärkte trieb ihn das Sammelfieb­er. „Ich habe aber nicht alles um jeden Preis gekauft“, erinnert er sich. Lieber drehte er gegen Ende des Marktes noch eine Runde, um zu sehen, ob das ein oder andere Gerät noch zu haben war. Und dann schlug er zu.

Brenner kam auch unverhofft zu alten Radiogerät­en: Zum Beispiel stand eines Tages ein Telefunken­Bild-Plattenspi­eler TP 2005, der erstmals auf der Berliner Funkausste­llung 1973 vorgestell­t worden war, in seiner Garage. Unbenutzt, fabrikneu und im Originalka­rton verpackt hatte jemand das gute Stück in der offenen Garage abgestellt. Die Sammelleid­enschaft hatte sich in Zusmarshau­sen herumgespr­ochen. Heute ergänzt der 79-jährige Rentner die Sammlung nur noch, wenn er durch Zufall an ein seltenes Stück kommt. Für Interessie­rte öffnet er sie übrigens immer wieder gerne.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Erwin Brenner aus Zusmarshau­sen hat etwa 150 Radios gesammelt.
Foto: Marcus Merk Erwin Brenner aus Zusmarshau­sen hat etwa 150 Radios gesammelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany