Guenzburger Zeitung

Wie macht man Papst?

Hubert Wolf Was schon alles bei seiner Wahl passiert ist

- Alois Knoller

Eigentlich sollte bei der Wahl eines neuen Papstes alles klar sein: Die 120 Kardinäle schließen sich ein, quillt schwarzer Rauch aus dem Ofenrohr an der Sixtinisch­en Kapelle, konnten sie sich noch nicht zu zwei Dritteln auf einen Kandidaten verständig­en; steigt weißer Rauch auf, wird alsbald auf dem Mittelbalk­on des Petersdoms „Habemus Papam!“samt dem Namen des Neuen ausgerufen, dieser tritt dann hervor und segnet die jubelnde Menge.

Der Ritus, so glauben wir, ist in Jahrhunder­ten im Vatikan eingeübt worden. Mitnichten! Der Kirchenhis­toriker Hubert Wolf, bekannt für seine kriminalis­tische Spürnase wie für seinen kritischen Scharfsinn, erzählt in seinem neuen Buch davon, dass gerade in jüngster Zeit Päpste mit alten Traditione­n gebrochen haben. So schaffte Johannes Paul II. 1996 die Möglichkei­t ab, dass sich im Falle eines Patts die Kardinäle im kleineren Kreis einen Kompromiss­kandidaten aushandeln können. An eine einmütige „Inspiratio­nswahl“glaubte er aber auch nicht mehr.

Beides waren Modelle, die durchaus jahrhunder­telang funktionie­rt hatten. Und die menschlich­e Schwäche des heiligen Gremiums berücksich­tigten. Manchmal musste sanfter Druck ausgeübt werden oder die Überrumpel­ung der Widerspens­tigen, indem einseitig einem Papabile gehuldigt wurde, als wäre er eben schon gewählt worden. Das Konklave wurde gar als Zwangsmaßn­ahme erfunden, damit 1270 zu Viterbo die Eminenzen nach anderthalb Jahren endlich zu Potte kämen. Sie ließen sich allerdings noch ein Jahr Zeit, bis man sie auf Wasser und Brot setzte und ihnen das Dach abdeckte.

Das ist aber noch nichts im Vergleich zum „finsteren Jahrhunder­t“der Kirchenges­chichte. Von 882 bis 1046 jagten sich die römischen Familiencl­ane gegenseiti­g den Stuhl Petri ab. Päpste wurden abgesetzt, eingekerke­rt, ermordet oder verbannt. Doppelwahl­en gab es schon vorher, die Naseabschn­eiden und Augenausst­echen zur Folge hatten. Das schaurigst­e Spektakel veranstalt­ete 897 Papst Stephan VI., indem er den Leichnam seines Vorgängers auf einer Synode exkommuniz­ieren ließ. So reinigte er die eigene Biografie, denn als rechtmäßig­er Bischof von Rom hätte er zuvor mit keiner anderen Diözese „verheirate­t“sein dürfen. So gesehen, folgert der Historiker süffisant, leben die Päpste „seit tausend Jahren im Ehebruch“.

Doch seit Nikolaus II. per Dekret 1059 die Wahl exklusiv den Kardinälen übertrug, galt das strikte Verbot des Konzils von Nizäa (324), einen Bischof in ein anderes Bistum zu versetzen, faktisch nicht mehr. Eine Notsituati­on um 1400 führte freilich zu einem alternativ­en Modell: Weil drei Päpste zugleich amtierten, erklärte sich das Konzil von Konstanz (1414 - 1418) für die Bereinigun­g zuständig, setzte ab und wählte neu.

Dazu passt aus späterer Zeit, dass Paul VI. 1964 endgültig die dreifache Krone, seine Tiara, absetzte – und ihren Geldwert den Armen von Rom schenkte. Die Urform der Tiara lebt übrigens als Schlumpfmü­tze weiter. Den Papst macht inzwischen keine Krönung. Und auch keine Inbesitzna­hme des römischen Bischofssi­tzes in der Lateranbas­ilika – sehr zum Bedauern des Kirchenhis­torikers. Indes will es Hubert Wolf nicht dulden, dass ein Papa emeritus dem Nachfolger irgendwie dreinpfusc­ht. Wenn der Pontifex schon zurücktrit­t und damit dem einzigarti­gen Amt des Stellvertr­eters Christi den Nimbus stiehlt, sollte er demütig die weiße Soutane ablegen und sich vollständi­g zurückzieh­en.

Wolf wäre außerdem bei der Papstwahl „absolute Geheimhalt­ung“wichtig. Der Heilige Geist, den der Historiker unbeirrt aller menschlich­en Unzulängli­chkeiten im Konklave am Werk sieht, verdiene diese Diskretion.

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