Guenzburger Zeitung

Wenn der Älteste nicht der Älteste ist

Bundestag Wie Norbert Lammert mit einem Trick einen AfD-Vertreter als Alterspräs­ident verhindern will

- VON MARTIN FERBER

Wolfgang Schäuble war schon viel in seinem langen und bewegten politische­n Leben: Chef der CDU und der CDU/CSU-Bundestags­fraktion, Kanzleramt­sminister und Innenminis­ter unter Helmut Kohl wie unter Angela Merkel und ist seit bald acht Jahren Finanzmini­ster. In der Vergangenh­eit wurde er immer wieder als Kandidat für die beiden wichtigste­n politische­n Ämter im Staate, Bundespräs­ident und Bundeskanz­ler, gehandelt.

Nun könnte, wenn es nach den Vorstellun­gen von Bundestags­präsident Norbert Lammert (CDU) geht, ein weiteres Amt hinzukomme­n – als Alterspräs­ident des Deutschen Bundestage­s wäre es seine Aufgabe, die konstituie­rende Sitzung des neugewählt­en Parlaments im Herbst zu leiten. Allerdings nicht, weil er das an Jahren älteste Mitglied des Bundestags ist, wie es nach den bislang geltenden Regeln vorgesehen ist, sondern der mit Abstand dienstälte­ste Abgeordnet­e. Seit 1972 gehört Schäuble ununterbro­chen dem Bundestag an, das sind 45 Jahre. Und ein Ende ist nicht in Sicht.

Bei einer Sitzung des Ältestenra­tes am Donnerstag überrascht­e Norbert Lammert die Parlamenta­rier wie die Öffentlich­keit mit diesem Vorschlag, der einen Bruch mit der bisherigen Geschichte des Bundestags wie des Reichstags der Weimarer Republik darstellen würde. Lammert, der seit 2005 an der Spitze des Bundestags steht und bei der Wahl im September nicht mehr antritt, begründete seinen Vorschlag damit, „dass ein Parlamenta­rier die erste Sitzung des neugewählt­en Bundestage­s leitet, der über ausreichen­de einschlägi­ge Erfahrung verfügt“. Bei der derzeitige­n Rechtslage bleibe es „dem Zufall überlassen“, wer Alterspräs­ident werde.

Es sei nicht auszuschli­eßen, „dass ein neugewählt­er Abgeordnet­er ohne jegliche Erfahrung in der Leitung von Versammlun­gen oder Sitzungen als Lebensälte­ster in die Situation komme, die konstituie­rende Sitzung des größten und wichtigste­n deutschen Parlaments zu leiten.“Das sei mit dessen Bedeutung nicht vereinbar.

Lammert nannte keine Namen und blieb bewusst vage und grundsätzl­ich. Doch sowohl der Zeitpunkt wie die Intention seines Vorstoßes sind klar gegen die AfD gerichtet. Sollte die rechtspopu­listische Partei die Fünf-Prozent-Hürde überspring­en, zeichnet sich nach den bisherigen Listenaufs­tellungen der Parteien ab, dass der niedersäch­sische AfD-Kandidat Wilhelm von Gottberg, früher CDU-Mitglied und langjährig­er Vizepräsid­ent des Bundes der Vertrieben­en, der am 30. März seinen 77. Geburtstag feiert, der älteste Abgeordnet­e wäre und somit als Alterspräs­ident die Konstituie­rung leitet.

Sowohl in der Sitzung des Ältestenra­tes wie in der Öffentlich­keit gab es Kritik. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass dies eine „Lex AfD“sei und mit den Mitteln der Geschäftso­rdnung versucht werde, eine Partei zu benachteil­igen. Die AfD sprach von „Trickserei­en“. Vize-Chef Alexander Gauland warf den „Altparteie­n“vor, „mögliche Kandidaten einer demokratis­chen Partei mit billigen Tricks völlig grundlos“verhindern zu wollen. Die SPD sprach sich dagegen für den Vorschlag Lammerts aus.

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