Guenzburger Zeitung

Schöne Idee, aber zu teuer

EU Ein Interrail-Ticket für alle 18-Jährigen? Dieser Vorstoß liegt jetzt auf Eis. Wie aus einem guten Einfall ein Bürokratie-Monster wurde

- VON DETLEF DREWES

Es gibt nur wenige Ideen der EU, die derart einschluge­n: zum 18. Geburtstag ein Glückwunsc­h-Brieflein aus Brüssel. Absender: die Europäisch­e Kommission. Inhalt: ein Gutschein für vier Wochen freie Fahrt auf Europas Schienenne­tz. Der Vorschlag eines Interrail-Tickets für alle Jugendlich­en beim Eintritt in das Erwachsene­n-Alter schlug hohe Wellen. Der Chef der christdemo­kratischen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU), hatte die Anregung zweier Berliner Aktivisten vor einigen Monaten im EUParlamen­t aufgegriff­en. Kurz nach dem Brexit schien der Vorstoß nur allzu willkommen, um die Öffentlich­keit mal wieder mit einer EUÜberrasc­hung zu erfreuen.

Die Begeisteru­ng erfasste dabei alle – nur nicht jene Beamten der EU-Behörde, die vor allem im Verkehrsko­mmissariat von Violeta Bulc daraus etwas machen sollten. Sie hatten schnell ausgerechn­et: Wollte man alle 18-jährigen Europäer beglücken, würde die Aktion mit 2,3 Milliarden Euro zu Buche schlagen. Auch beim besten Willen konnte man im laufenden Etat gerade mal 2,5 Millionen Euro loseisen, wie die Frankfurte­r Allgemeine nun unter Bezug auf eigene Recherchen berichtete. Trotzdem mahlten die Mühlen der Verwaltung genüsslich weiter. Was dabei herauskam, soll in der nächsten Woche in Brüssel präsentier­t werden. Vorab: Es ist ein bürokratis­ches Monstrum, bei dem man zweifeln darf, ob der Charakter des Geburtstag­sgeschenke­s noch erkennbar ist.

Aber der Reihe nach: Mit 2,5 Millionen Euro kann man etwa 5000 bis 7000 jungen Menschen einen Reisekoste­n-Zuschuss in Höhe von 350 bis 500 Euro zukommen lassen – aus jedem Land könnten also höchstens 60 heranwachs­ende Europäer beglückt werden. Eine Auslosung soll es nicht geben, sondern eher eine Auszeichnu­ng für jene engagierte­n jungen Menschen, die sich in sozialen Projekten hervorgeta­n haben. Außerdem soll bei einer solchen Reise nicht allzu viel CO2 – konkret: höchstens 200 Gramm pro Person und Kilometer – produziert werden. Damit sind reine Flugreisen (285 Gramm) unmöglich.

Das Problem dieser Idee liegt aber offenbar an anderer Stelle. In Brüssel weist man gerne darauf hin, dass im Rahmen des Erasmus-plusProgra­mms ohnehin schon etliche Milliarden pro Jahr für den Austausch von Studenten, Auszubilde­nden und Schülern bereitgest­ellt werden. Die Interrail-Idee entpuppte sich da eher als störender Querschläg­er denn als zusätzlich­er Bonus.

Deshalb verfolgte man diesen Einfall: Das Erasmus-plus-Projekt wird in diesem Jahr 30. Da könnte eine abgespeckt­e Interrail-Idee doch eine tolle Aktion sein, um das zu bewerben. Was allerdings auch heißt: Es wird nur eine einmalige Sache bleiben. Der zu Beginn so überzeugen­de Vorstoß kommt also nur in einer Light-Version daher. Nicht nur die jungen Europäer werden das bedauern.

Manfred Weber beharrt unterdesse­n auf seiner Idee. Das gratis Interrail-Ticket sei weiterhin auf der Agenda, twitterte er gestern. Die Pläne von Violeta Bulc seien lediglich ein Pilotproje­kt, das „Hauptproje­kt startet 2018“.

Ein Zuschuss für 60 junge Europäer pro Land

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Foto: Paolese, Fotolia Mit dem Zug durch Europa, alle Habseligke­iten auf dem Rücken: Die EU hat überprüft, wie viel es kosten würde, jedem Europäer zum 18. Geburtstag ein Interrail Ticket zu schenken. Das Ergebnis: zu viel.

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