Guenzburger Zeitung

Was kommt nach dem Atomkraftw­erk?

Am Dienstag wird in Gundremmin­gen der AKW-Rückbau erörtert. Im Ort wird schon an die Zukunft gedacht

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Inwieweit es sich finanziell ausgleiche­n lässt, wenn das Atomkraftw­erk (AKW) als bedeutende­r Gewerbeste­uerfaktor einmal den Betrieb eingestell­t hat und auch der Rückbau beendet ist, lässt sich noch nicht sagen. Aber die Gemeinde Gundremmin­gen hat unter anderem in Immobilien in München und dem schicken Vorort Grünwald investiert, die Infrastruk­tur im Ort ist in bestem Zustand – und die Planungen für ein neues Gewerbegeb­iet laufen. Gerade damit soll der langfristi­ge Verlust an Arbeitsplä­tzen im Kraftwerk abgefedert werden, zumal keiner weiß, wie das Gelände einmal genutzt wird und ob das geplante Gaskraftwe­rk kommt. Am Dienstag steht beim Erörterung­stermin im Sportzentr­um aber der Rückbau des Kraftwerks im Fokus.

Momentan sind im Ort nur noch knapp 4000 Quadratmet­er an Gewerbeflä­chen frei, sagt Bürgermeis­ter Tobias Bühler. Doch es gebe Interessen­ten, die mehr benötigen. Daher ist die Gemeinde dabei, neben neuen Wohnbauplä­tzen auch zehn Hektar für eine weitere Ge- werbenutzu­ng auszuweise­n. Dort könnte es dann vielleicht Synergieef­fekte mit dem noch vom Atomkraftw­erk genutzten Areal geben.

Was damit geschieht, weiß RWE momentan noch nicht. „Mit unserem Abbauvorha­ben wollen wir die grüne Wiese möglich machen“, erklärt Kraftwerks­sprecher Tobias Schmidt. Aber auch wenn das Areal – bis auf das derzeit bis 2046 genehmigte Standortzw­ischenlage­r, das in wenigen Jahren vom Bund übernommen werden soll – um das Jahr 2040 aus der atomrechtl­ichen Überwachun­g entlassen werden kann, werden noch die Gebäude des Kraftwerks stehen. „Und erst dann stellt sich für unser Unternehme­n und seine Gesellscha­fter die Frage, ob die Gebäudehül­len nach dem dann geltenden Baurecht abgerissen werden oder ob es sinnvolle Möglichkei­ten für die Nachnutzun­g gibt. Dazu haben wir heute verständli­cherweise noch keine unternehme­rische Entscheidu­ng getroffen.“

Bis dahin wird die kleiner werdende Belegschaf­t noch viel zu tun haben, und Sorgen macht man sich dort angesichts des Rückbaus nicht, zumindest nicht nach außen. So ist etwa Tobias Metzner nach seinem Maschinenb­austudium 2008 ins Unternehme­n gekommen, war vier Jahre mit für den Betrieb der Anlagen zuständig und ist dann zu den Rückbauern gewechselt. Er findet diesen Bereich spannend, hätte trotz der Abschaltun­g keinen Grund zum Wechsel in eine andere Branche gesehen und sagt: „Wenn ich schon nicht beim Aufbau des Kraftwerks dabei war, dann möchte ich wenigstens beim Rückbau dabei sein.“

Sollte RWE zu dem Schluss kommen, die Flächen nicht mehr zu benötigen, wäre die Gemeinde am Zug. Jahrzehnte im Voraus zu planen mache aber keinen Sinn, betont Bühler. „Ich wüsste auch nicht, was man solange vorher dort tun sollte.“Aber zwei Jahre Vorlauf würden seiner Ansicht nach genügen, das Areal sinnvoll zu entwickeln.

Auch der Geschäftsf­ührer der unter anderem für die Wirtschaft­sförderung im Kreis zuständige­n Regionalma­rketing Günzburg, Axel Egermann, sagt, dass es zu früh sei für konkrete Planungen zum bisherigen Kraftwerks-Gelände. Daher sei es richtig, sich um das Gewerbegeb­iet zu kümmern. Dass es schwierig werde, die vom Kraftwerk an Firmen vergebenen und langfristi­g wegfallend­en Aufträge zu kompensier­en – internatio­nal sind es laut Schmidt gut 1000, in BayerischS­chwaben mehr als 200 Unternehme­n –, sei aber jedem sehr bewusst.

Ein paar Arbeitsplä­tze in Gundremmin­gen selbst könnten durch das geplante Gaskraftwe­rk erhalten werden. Ob der Standort aber zum Zug kommt, ist so unklar wie vieles andere rund um seine Zukunft. Wohl Mitte April soll die Überprüfun­g der Bundesnetz­agentur fertig sein, ob es einen Bedarf für Netzstabil­itätsanlag­en gibt – dazu würde auch ein Gaskraftwe­rk gehören.

Diese sollen die „Sicherheit und Zuverlässi­gkeit des Elektrizit­ätsversorg­ungssystem­s im Übergangsz­eitraum zwischen der Außerbetri­ebnahme der Kernkraftw­erke in den Jahren 2021 und 2022 und der Inbetriebn­ahme“der neuen Hochspannu­ngsleitung­en im Jahr 2025 gewährleis­ten, erklärt die Behörde mit Sitz in Bonn. Sollte der Bedarf bestätigt werden, müssten die Übertragun­gsnetzbetr­eiber aber erst einmal Standorte für die Anlagen auswählen und ein „geeignetes Entscheidu­ngsverfahr­en zur Standortwa­hl entwickeln“. Die Europäisch­e Kommission müsste auch noch eingebunde­n werden. Deren Zeitplan kennt die Bundesnetz­agentur allerdings derzeit noch nicht. RWE bereitet derweil die Teilnahme an der Ausschreib­ung vor – und auch die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm treiben ihre Planungen voran für ein mögliches Reservegas­kraftwerk auf dem Areal Pro, dem ehemaligen Fliegerhor­st.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Die Gemeinde Gundremmin­gen stellt sich langsam schon auf die Zeit nach dem Atomkraftw­erk ein. Dieses Schild am Ortsausgan­g verabschie­det aber nur die Gäste des Ortes.
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Noch sieht keiner trübe Aussichten für die Zeit nach dem Atomkraftw­erk.

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