Was kommt nach dem Atomkraftwerk?
Am Dienstag wird in Gundremmingen der AKW-Rückbau erörtert. Im Ort wird schon an die Zukunft gedacht
Inwieweit es sich finanziell ausgleichen lässt, wenn das Atomkraftwerk (AKW) als bedeutender Gewerbesteuerfaktor einmal den Betrieb eingestellt hat und auch der Rückbau beendet ist, lässt sich noch nicht sagen. Aber die Gemeinde Gundremmingen hat unter anderem in Immobilien in München und dem schicken Vorort Grünwald investiert, die Infrastruktur im Ort ist in bestem Zustand – und die Planungen für ein neues Gewerbegebiet laufen. Gerade damit soll der langfristige Verlust an Arbeitsplätzen im Kraftwerk abgefedert werden, zumal keiner weiß, wie das Gelände einmal genutzt wird und ob das geplante Gaskraftwerk kommt. Am Dienstag steht beim Erörterungstermin im Sportzentrum aber der Rückbau des Kraftwerks im Fokus.
Momentan sind im Ort nur noch knapp 4000 Quadratmeter an Gewerbeflächen frei, sagt Bürgermeister Tobias Bühler. Doch es gebe Interessenten, die mehr benötigen. Daher ist die Gemeinde dabei, neben neuen Wohnbauplätzen auch zehn Hektar für eine weitere Ge- werbenutzung auszuweisen. Dort könnte es dann vielleicht Synergieeffekte mit dem noch vom Atomkraftwerk genutzten Areal geben.
Was damit geschieht, weiß RWE momentan noch nicht. „Mit unserem Abbauvorhaben wollen wir die grüne Wiese möglich machen“, erklärt Kraftwerkssprecher Tobias Schmidt. Aber auch wenn das Areal – bis auf das derzeit bis 2046 genehmigte Standortzwischenlager, das in wenigen Jahren vom Bund übernommen werden soll – um das Jahr 2040 aus der atomrechtlichen Überwachung entlassen werden kann, werden noch die Gebäude des Kraftwerks stehen. „Und erst dann stellt sich für unser Unternehmen und seine Gesellschafter die Frage, ob die Gebäudehüllen nach dem dann geltenden Baurecht abgerissen werden oder ob es sinnvolle Möglichkeiten für die Nachnutzung gibt. Dazu haben wir heute verständlicherweise noch keine unternehmerische Entscheidung getroffen.“
Bis dahin wird die kleiner werdende Belegschaft noch viel zu tun haben, und Sorgen macht man sich dort angesichts des Rückbaus nicht, zumindest nicht nach außen. So ist etwa Tobias Metzner nach seinem Maschinenbaustudium 2008 ins Unternehmen gekommen, war vier Jahre mit für den Betrieb der Anlagen zuständig und ist dann zu den Rückbauern gewechselt. Er findet diesen Bereich spannend, hätte trotz der Abschaltung keinen Grund zum Wechsel in eine andere Branche gesehen und sagt: „Wenn ich schon nicht beim Aufbau des Kraftwerks dabei war, dann möchte ich wenigstens beim Rückbau dabei sein.“
Sollte RWE zu dem Schluss kommen, die Flächen nicht mehr zu benötigen, wäre die Gemeinde am Zug. Jahrzehnte im Voraus zu planen mache aber keinen Sinn, betont Bühler. „Ich wüsste auch nicht, was man solange vorher dort tun sollte.“Aber zwei Jahre Vorlauf würden seiner Ansicht nach genügen, das Areal sinnvoll zu entwickeln.
Auch der Geschäftsführer der unter anderem für die Wirtschaftsförderung im Kreis zuständigen Regionalmarketing Günzburg, Axel Egermann, sagt, dass es zu früh sei für konkrete Planungen zum bisherigen Kraftwerks-Gelände. Daher sei es richtig, sich um das Gewerbegebiet zu kümmern. Dass es schwierig werde, die vom Kraftwerk an Firmen vergebenen und langfristig wegfallenden Aufträge zu kompensieren – international sind es laut Schmidt gut 1000, in BayerischSchwaben mehr als 200 Unternehmen –, sei aber jedem sehr bewusst.
Ein paar Arbeitsplätze in Gundremmingen selbst könnten durch das geplante Gaskraftwerk erhalten werden. Ob der Standort aber zum Zug kommt, ist so unklar wie vieles andere rund um seine Zukunft. Wohl Mitte April soll die Überprüfung der Bundesnetzagentur fertig sein, ob es einen Bedarf für Netzstabilitätsanlagen gibt – dazu würde auch ein Gaskraftwerk gehören.
Diese sollen die „Sicherheit und Zuverlässigkeit des Elektrizitätsversorgungssystems im Übergangszeitraum zwischen der Außerbetriebnahme der Kernkraftwerke in den Jahren 2021 und 2022 und der Inbetriebnahme“der neuen Hochspannungsleitungen im Jahr 2025 gewährleisten, erklärt die Behörde mit Sitz in Bonn. Sollte der Bedarf bestätigt werden, müssten die Übertragungsnetzbetreiber aber erst einmal Standorte für die Anlagen auswählen und ein „geeignetes Entscheidungsverfahren zur Standortwahl entwickeln“. Die Europäische Kommission müsste auch noch eingebunden werden. Deren Zeitplan kennt die Bundesnetzagentur allerdings derzeit noch nicht. RWE bereitet derweil die Teilnahme an der Ausschreibung vor – und auch die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm treiben ihre Planungen voran für ein mögliches Reservegaskraftwerk auf dem Areal Pro, dem ehemaligen Fliegerhorst.