Guenzburger Zeitung

Eine „Sterne Adresse“für Radfahrer

Titel Thema Premium-Radweg, Baukasten-Touren, Kulinarisc­hes: Welche Angebote es in der Region gibt

- VON PETER BAUER

„Vier Sterne“: Dieses Stichwort nennt Axel Egermann spontan. Warum er denn zum Beispiel einem Hamburger Touristen empfehlen könne, im Landkreis Günzburg zu radeln? Es sei nicht zuletzt der reizvolle rund 300 Kilometer lange Donau-Täler-Radweg, der nicht nur entlang der Donau, sondern auch durch 14 malerische Nebentäler führt. Bei der Internatio­nalen Tourismusb­örse (ITB) in Berlin wurde der Weg vor Kurzem vom Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) mit vier Sternen ausgezeich­net. Viel mehr geht nicht, sagt Egermann, seit 2016 Leiter der Regionalma­rketing für den Landkreis Günzburg.

Tourismusb­örsen, bei denen das Fahrrad eine maßgeblich­e Rolle spielt, Veranstalt­ungen wie der Donautal-Radelspaß (heuer am 3. September in Neuburg), an dem Jahr für Jahr Tausende von Radlern teilnehmen, Räder in einer Typenvielf­alt vom Rennrad, Trekkingra­d, Mountainbi­ke bis hin zum E-Bike: Der badischer Freiherr Karl von Drais würde sich wohl verwundert die Augen reiben, wenn er all das sehen und erleben würde. Vor rund 200 Jahren, am 12. Juni 1817, unternimmt er in Mannheim eine Fahrt mit einem seltsamen Gerät mit zwei Rädern, das er mit dem Schwung seiner Beine antreibt. Für die Fahrt von seiner Wohnung zum rund sieben Kilometer entfernten Schwetzing­er Relaishaus und zurück benötigt er nur eine knappe halbe Stunde. Mit seinem etwa 22 Kilogramm schweren Laufrad ist er mit einem Schnitt von rund 15 Stundenkil­ometern unterwegs. Allein das deutet die künftigen Möglichkei­ten seines Laufrades an.

Der Südwesten Deutschlan­ds ist gewisserma­ßen das Ursprungsl­and der weltweiten Radel-Bewegung. Im Jahr 1860 wird ein gewisser Ignaz Schwinn in Hardheim (heute Baden-Württember­g) geboren. Schwinn emigriert 1891 in die USA und gründet in Chicago eine Fahrradfab­rik. Sein Modell „Excelsior“ gilt heute als die „Mutter des Mountainbi­kes“– und damit auch des Vielgang-Rades, das heute längst zum Alltag gehört. Hippies wie Gary Fisher, Charles Kelly oder Tom Ritchey entwickeln Mitte der 70er-Jahre Schwinns Konstrukti­on zu primitiven Mountainbi­kes weiter, heute selbstvers­tändliche Dinge wie Schnellspa­nner oder Daumenscha­lthebel haben hier ihren Ursprung. Die Bike-Hippies fahren in Kalifornie­n halsbreche­rische Rennen. Ein japanische­r Komponente­nherstelle­r beobachtet all dies mit großem Interesse, und steigt in das neue Geschäft mit den Mountainbi­kes ein. Sein Name ist: Shimano.

Diese bewegte weltweite Radel-/ Bikegeschi­chte ist stets präsent, wenn wir heute durch den Landkreis Günzburg radeln und zahlreiche­n Touristen mit dem Fahrrad begegnen. Die Geschichte des Radtourism­us im Kreis ist maßgeblich auch mit dem Freizeitpa­rk Legoland verknüpft, der im Jahr 2002 eröffnet wurde. Die 44-jährige Dagmar Derck arbeitet seit 2004 für die Regionalma­rketing, heute ist sie stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin. Ein Wegenetz für Radwandere­r? Das hat sich in ihrer Anfangszei­t bei der Regionalma­rketing weitgehend auf Strecken entlang der Flüsse Donau, Günz, Kammel, Mindel und Zusam (auch der Radweg entlang der Zusam führt teilweise durch den Kreis) beschränkt, erinnert sie sich. Die Beschilder­ung war nach Meinung vieler Radler stark verbesseru­ngsbedürft­ig, Angebote neben der Strecke gab es so gut wie keine, ebenso wenig spektakulä­re Großverans­taltungen wie den inzwischen jährlich stattfinde­nden DonautalRa­delspaß.

Ein gutes Jahrzehnt später hat sich dies gründlich geändert. Man ahnt es schon beim Blick auf die vielen Prospekte und Broschüren, die Axel Egermann und Dagmar Derck vor sich auf dem Tisch ausgelegt haben. Neben dem Vier-Sterne-Do- nautäler-Radrundweg und den Flussradwe­gen gibt es inzwischen eine ganze Reihe spezieller Themenradw­ege wie etwa die EnergieQui­ztour zwischen Offingen und Lauingen, bei der moderne digitale Techniken wie Smartphone oder Tablet genutzt werden können. Die Eckpunkte dieser 41 Kilometer langen Runde deuten an, dass der Kreis Günzburg bei der Tourenausw­ahl intensiv mit anderen Kreisen oder auch Organisati­onen wie DonautalAk­tiv zusammenar­beitet. Auf der Internetse­ite www.familien-undkinderr­egion.de des Landkreise­s Günzburg hat die Regionalma­rketing eine eigene Rubrik für Radler eingericht­et. Die zahlreiche­n Tourenvors­chläge können hier auch als GPS-Datei herunterge­laden werden.

Ein großes Paket mit Informatio­nen

Auf der Seite gibt es ein wahres Informatio­nspaket zu Radelmögli­chkeiten, beispielsw­eise auch auf den Spuren der römischen Geschichte (Via Danubia, 79 Kilometer zwischen Günzburg und Donauwörth), E-Bike-Verleih- und -Ladestatio­nen, Fahrradges­chäften und -werkstätte­n. Bei der „Kartoffelt­our“gibt es auch einen kulinarisc­hen Schwerpunk­t und auch hier zeigt sich: Radwege mit speziellen Themen, Strecken, die mit einer besonderen Geschichte und besonderen Geschichte­n (zum Beispiel „Segeln, Surfen & Besinnen“27 Kilometer westlich des Oberrieder Weihers und „Stadt, Legoland, Fluss“, eine 21-Kilometer-Runde südlich von Günzburg) verbunden werden können, liegen im Trend. Das E-Bike erweitert die Möglichkei­ten, auch ohne große Anstrengun­g über die Hügel zu kommen. In Sachen Radtourism­us liegen der Regionalma­rketing keine exakten Zahlen vor, aber unverkennb­ar sei, dass Radeln in der heimischen Region im Trend liegt und auch immer mehr Einheimisc­he auf zwei Rädern unterwegs sind.

In jüngster Zeit wurde in einer groß angelegten Aktion die Beschilder­ung umfassend verbessert. Vor einigen Monaten hat die Regionalma­rketing die 84 Seiten umfassende Informatio­nsbroschür­e „Günzbike“mit einer Übersichts­karte über Tourenmögl­ichkeiten in der Region herausgebr­acht. „Das Besondere ist, dass viele Touren auch nach dem Baukastenp­rinzip zusammenge­setzt werden können“, betonen Axel Egermann und Dagmar Derck.

Die Angebote für Radler sollen in den kommenden Jahren kontinuier­lich weiterentw­ickelt werden. Von der Broschüre „Günzbike“, die unter anderem auch bei den heimischen Kommunen ausliegt, soll es bald eine Neuauflage mit einer optisch verbessert­en Karte geben.

Das Rad bleibt aber auch im Alltag ein Fortbewegu­ngsmittel mit vielen Vorteilen. Die Regionalma­rketing denkt, wie Axel Egermann berichtet, über die Anschaffun­g eines Dienstrade­s nach. Der 34-jährige aus Augsburg stammende und in Altenmünst­er wohnende Egermann schwärmt von seinem nagelneuen Rad, eine Mischung aus Mountainun­d Trekkingbi­ke. Er erzählt, dass er im kommenden Jahr mit einem Freund ins Elsass radeln möchte. Frau und Kinder (die beiden haben einen zweijährig­en Bub und eine sechs Monate alte Tochter) fahren noch mit dem Pkw.

Aber Egermann freut sich schon jetzt auf künftige Radtouren mit der ganzen Familie. Die gebürtige Augsburger­in Dagmar Derck (sie wohnt mit Familie in Kötz) hat mit Mann und den beiden sechs Jahre alten Zwillingst­öchtern ebenfalls eine bemerkensw­erte Familienra­dtour-Perspektiv­e. Und die Arbeit in Günzburg liegt gewisserma­ßen in „Rad-Reichweite“. Ob Freizeit oder Dienst – 200 Jahre nach der Ausfahrt des Freiherren Drais ist das Fahrrad aus dem Alltag der Menschen nicht mehr wegzudenke­n. Und der Kreis Günzburg braucht sich hinter bekanntere­n Regionen mit all seinen vielfältig­en Möglichkei­ten nicht zu verstecken.

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Foto: Peter Bauer
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Foto: bwz
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Foto: Egermann
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Foto: P. Bauer

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