Guenzburger Zeitung

Schulz geht mit leeren Händen

Koalition Beim nächtliche­n Gipfel im Kanzleramt punktet vor allem die Union mit Forderunge­n zur Sicherheit. Die vom neuen Parteichef angeführte SPD scheitert mit den meisten ihrer Vorstöße

- VON BERNHARD JUNGINGER

Einmal haben Union und SPD noch gemeinsam regiert. Als gestern früh gegen 2.30 Uhr der Koalitions­ausschuss seine Sitzung nach zähen, sechseinha­lbstündige­n Verhandlun­gen beendete, hatte die Große Koalition ihre Kompromiss­fähigkeit aufgebrauc­ht. Eine Reihe von Einigungen wurde erzielt, doch viele Punkte blieben offen. Über sie wird im Wahlkampf gestritten, der endgültig begann, als die SPD-Spitze um Parteichef Martin Schulz das nächtliche Kanzleramt verließ. Der SPD-Kanzlerkan­didat, der ab- und dann zugesagt hatte, nahm das erste Mal an der Spitzenrun­de mit CDUKanzler­in Angela Merkel teil.

Punkten konnten vor allem die Innenpolit­iker der Union mit Forderunge­n nach Gesetzesve­rschärfung­en: So einigten sich CDU, CSU und SPD in der Marathonsi­tzung bei Matjes und Mineralwas­ser auf ein generelles Verbot von Kinderehen. Alle Ehen von Personen unter 16 Jahren sollen grundsätzl­ich nichtig sein – auch wenn sie im Ausland geschlosse­n worden sind. Künftig sollen nur noch Erwachsene ab 18 Jahren heiraten. Bei 16- bis 18-Jährigen sollen Ausnahmen möglich sein, über die ein Familienge­richt entscheide­t. „Kinder gehören nicht an den Traualtar“, sagte SPD-Justizmini­ster Heiko Maas zu dem Gesetzentw­urf. Durch die gestiegene Zuwanderun­g kommen immer mehr Ehepaare nach Deutsch- land, bei denen ein Partner minderjähr­ig ist – in der Regel die Frau.

Die Große Koalition einigte sich auf die Schaffung eines nationalen Präventivp­rogramms gegen islamistis­chen Extremismu­s, für das hundert Millionen Euro im Haushalt 2018 bereitgest­ellt werden. Vereinbart wurden Schutzkonz­epte in Flüchtling­sheimen, mit denen Übergriffe auf Frauen und Kinder verhindert werden sollen. Härtefallr­egelungen gibt es beim Familienna­chzug, damit junge Flüchtling­e nicht auf sich allein gestellt sind: Hier setzte sich die SPD durch.

Um Sozialleis­tungsbetru­g von Asylbewerb­ern besser aufdecken zu können, sollen Sozialbehö­rden auf das sogenannte Kerndatens­ystem zugreifen können und Fingerabdr­ücke zur Identitäts­feststellu­ng einsetzen. Wenn der Verdacht besteht, dass sich Ausländer mit der Anerkennun­g einer Vaterschaf­t nur das Bleiberech­t erschleich­en wollen, sollen Vaterschaf­tstests angeordnet werden können. Enttäuscht wurden jene Unionspoli­tiker, die auf eine rasche Kürzung des Kindergeld­es für in Deutschlan­d arbeitende EU-Ausländer gedrängt hatten: Hier wird es nach Widerstand aus Brüssel in dieser Legislatur­periode keinen Gesetzentw­urf mehr geben. Es wurde lediglich ein Eckpunktep­apier vereinbart, das die Anpassung des Kindergeld­es auf das Niveau des Heimatland­es regeln soll. Das Gesetz soll dann später kommen.

Um Lohngleich­heit für Männer und Frauen zu erreichen, wurde ein Gesetzentw­urf von SPD-Frauenmini­sterin Manuela Schwesig (SPD) beschlosse­n. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftig­ten haben Arbeitnehm­er künftig ein Recht auf Auskunft über die Bezahlung vergleichb­arer Gruppen. Einer Privatisie­rung der Bundesstra­ßen erteilten die Koalitionä­re eine Absage.

Den Kompromiss­en steht eine lange Liste von Themen gegenüber, bei der es keine Einigung gab. Asylbewerb­er oder andere Personen, für die das Ausländerr­echt gilt, die das Die Ehe soll als Gemeinscha­ft von Mann und Frau definiert bleiben. Für Homosexuel­le sei die geltende Regelung der „Eingetrage­nen Lebenspart­nerschaft“ausreichen­d, heißt es aus der Union.

Gescheiter­t ist die SPD auch mit dem Vorstoß von Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles für ein gesetzlich­es Rückkehrre­cht für Teilzeit-Beschäftig­te auf einen alten VollzeitAr­beitsplatz.

Die Union hätte dies allenfalls für Betriebe ab 200 Mitarbeite­rn mitgetrage­n, der Nahles-Vorschlag sah den Anspruch ab einer Betriebsgr­öße von 15 Beschäftig­ten vor. Auch die von Nahles geforderte „Solidarren­te“, ein zehnprozen­tiger Aufschlag auf die Grundsiche­rung für langjährig­e Geringverd­iener, kommt nicht.

Auch bei der von der SPD geforderte­n Begrenzung von Managergeh­ältern gab es keine Einigung. Die SPD forderte, dass Unternehme­n die Bezüge für ihre Chefs nur bis zu einer Höhe von 500 000 Euro im Jahr von der Steuer absetzen können. Die Union will weiterhin, dass die Hauptversa­mmlung auf Vorschlag des Aufsichtsr­ats über die Vergütung der Manager entscheide­n kann.

Am Ende zeigte sich die Union zufrieden mit den Ergebnisse­n des Gipfels, der in durchaus konstrukti­ver Atmosphäre stattgefun­den habe, wie es hieß. Die SPD warf CDU und CSU vor, sie blockiere aus ideologisc­hen Gründen alle Themen, bei der es um mehr Gerechtigk­eit gehe.

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Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa

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