Schulz geht mit leeren Händen
Koalition Beim nächtlichen Gipfel im Kanzleramt punktet vor allem die Union mit Forderungen zur Sicherheit. Die vom neuen Parteichef angeführte SPD scheitert mit den meisten ihrer Vorstöße
Einmal haben Union und SPD noch gemeinsam regiert. Als gestern früh gegen 2.30 Uhr der Koalitionsausschuss seine Sitzung nach zähen, sechseinhalbstündigen Verhandlungen beendete, hatte die Große Koalition ihre Kompromissfähigkeit aufgebraucht. Eine Reihe von Einigungen wurde erzielt, doch viele Punkte blieben offen. Über sie wird im Wahlkampf gestritten, der endgültig begann, als die SPD-Spitze um Parteichef Martin Schulz das nächtliche Kanzleramt verließ. Der SPD-Kanzlerkandidat, der ab- und dann zugesagt hatte, nahm das erste Mal an der Spitzenrunde mit CDUKanzlerin Angela Merkel teil.
Punkten konnten vor allem die Innenpolitiker der Union mit Forderungen nach Gesetzesverschärfungen: So einigten sich CDU, CSU und SPD in der Marathonsitzung bei Matjes und Mineralwasser auf ein generelles Verbot von Kinderehen. Alle Ehen von Personen unter 16 Jahren sollen grundsätzlich nichtig sein – auch wenn sie im Ausland geschlossen worden sind. Künftig sollen nur noch Erwachsene ab 18 Jahren heiraten. Bei 16- bis 18-Jährigen sollen Ausnahmen möglich sein, über die ein Familiengericht entscheidet. „Kinder gehören nicht an den Traualtar“, sagte SPD-Justizminister Heiko Maas zu dem Gesetzentwurf. Durch die gestiegene Zuwanderung kommen immer mehr Ehepaare nach Deutsch- land, bei denen ein Partner minderjährig ist – in der Regel die Frau.
Die Große Koalition einigte sich auf die Schaffung eines nationalen Präventivprogramms gegen islamistischen Extremismus, für das hundert Millionen Euro im Haushalt 2018 bereitgestellt werden. Vereinbart wurden Schutzkonzepte in Flüchtlingsheimen, mit denen Übergriffe auf Frauen und Kinder verhindert werden sollen. Härtefallregelungen gibt es beim Familiennachzug, damit junge Flüchtlinge nicht auf sich allein gestellt sind: Hier setzte sich die SPD durch.
Um Sozialleistungsbetrug von Asylbewerbern besser aufdecken zu können, sollen Sozialbehörden auf das sogenannte Kerndatensystem zugreifen können und Fingerabdrücke zur Identitätsfeststellung einsetzen. Wenn der Verdacht besteht, dass sich Ausländer mit der Anerkennung einer Vaterschaft nur das Bleiberecht erschleichen wollen, sollen Vaterschaftstests angeordnet werden können. Enttäuscht wurden jene Unionspolitiker, die auf eine rasche Kürzung des Kindergeldes für in Deutschland arbeitende EU-Ausländer gedrängt hatten: Hier wird es nach Widerstand aus Brüssel in dieser Legislaturperiode keinen Gesetzentwurf mehr geben. Es wurde lediglich ein Eckpunktepapier vereinbart, das die Anpassung des Kindergeldes auf das Niveau des Heimatlandes regeln soll. Das Gesetz soll dann später kommen.
Um Lohngleichheit für Männer und Frauen zu erreichen, wurde ein Gesetzentwurf von SPD-Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) beschlossen. In Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten haben Arbeitnehmer künftig ein Recht auf Auskunft über die Bezahlung vergleichbarer Gruppen. Einer Privatisierung der Bundesstraßen erteilten die Koalitionäre eine Absage.
Den Kompromissen steht eine lange Liste von Themen gegenüber, bei der es keine Einigung gab. Asylbewerber oder andere Personen, für die das Ausländerrecht gilt, die das Die Ehe soll als Gemeinschaft von Mann und Frau definiert bleiben. Für Homosexuelle sei die geltende Regelung der „Eingetragenen Lebenspartnerschaft“ausreichend, heißt es aus der Union.
Gescheitert ist die SPD auch mit dem Vorstoß von Arbeitsministerin Andrea Nahles für ein gesetzliches Rückkehrrecht für Teilzeit-Beschäftigte auf einen alten VollzeitArbeitsplatz.
Die Union hätte dies allenfalls für Betriebe ab 200 Mitarbeitern mitgetragen, der Nahles-Vorschlag sah den Anspruch ab einer Betriebsgröße von 15 Beschäftigten vor. Auch die von Nahles geforderte „Solidarrente“, ein zehnprozentiger Aufschlag auf die Grundsicherung für langjährige Geringverdiener, kommt nicht.
Auch bei der von der SPD geforderten Begrenzung von Managergehältern gab es keine Einigung. Die SPD forderte, dass Unternehmen die Bezüge für ihre Chefs nur bis zu einer Höhe von 500 000 Euro im Jahr von der Steuer absetzen können. Die Union will weiterhin, dass die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats über die Vergütung der Manager entscheiden kann.
Am Ende zeigte sich die Union zufrieden mit den Ergebnissen des Gipfels, der in durchaus konstruktiver Atmosphäre stattgefunden habe, wie es hieß. Die SPD warf CDU und CSU vor, sie blockiere aus ideologischen Gründen alle Themen, bei der es um mehr Gerechtigkeit gehe.