Guenzburger Zeitung

Wie Pocahontas zum Mythos wurde

Nordamerik­a Vor 400 Jahren starb die sagenumwob­ene Indianerpr­inzessin. Ihr Leben wurde zum Stoff zahlreiche­r Gedichte und Filme. Dann machte Walt Disney sie zum Weltstar

- VON ANDREAS BAUMER

Augsburg Am 31. März 1617 wurde eine nicht einmal 25 Jahre alte Frau aus der britischen Nordamerik­aKolonie Virginia in Gravesend, England, beigesetzt. Sie hatte zu ihren Lebzeiten viele Namen: Matoaka, Amonute, Rebecca… Doch die Nachwelt kennt sie nur noch unter einem von diesen: Pocahontas.

Pocahontas hat Geschichte geschriebe­n. Spätestens seit dem Walt-Disney-Film, der vor 22 Jahren in die Kinos kam, ist sie in der ganzen Welt bekannt. Sie gilt als Inbegriff der schönen Wilden, die Brücken schlug zwischen nordamerik­anischen Ureinwohne­rn und europäisch­en Siedlern. Über Jahrhunder­te arbeiteten Dichter, Maler und Filmemache­r an der Legende mit. Als bezaubernd­e Zeichentri­ckfigur mit glänzendem schwarzem Haar, blauer Halskette und fransenbes­tücktem Indianerkl­eid ist sie noch heute allgegenwä­rtig. Auch in Deutschlan­d, wo die Begeisteru­ng für Indianer seit Karl Mays Winnetou-Romanen ungebroche­n scheint.

Der Pocahontas-Mythos nimmt seinen Anfang in der Zeit der britischen Expansion nach Nordamerik­a vor mehr als 400 Jahren. Die Europäer kommen schon kurz nach ihrer Landung im Gebiet des US-Bundes- Virginia mit einheimisc­hen Stämmen in Kontakt. Deren Häuptling hat eine Tochter: Pocahontas. Vermutlich auf Betreiben ihres Vaters wird sie zur Vermittler­in zwischen Alteingese­ssenen und Neuankömml­ingen. Dabei rettet sie, so will es die Legende, einen Siedler vor der Hinrichtun­g, verliebt sich in den Tabakpflan­zer John Rolfe, heiratet ihn, lässt sich christlich taufen und begleitet ihn nach England. Dort stirbt sie ein Jahr später womöglich an einer Erkältung.

Dass aus diesem Stoff ein Mythos erwuchs, wundert Michael Hochgeschw­ender vom Münchner Amerika-Institut nicht. Eine Indianerpr­inzessin, die sich angeblich in einen Fremden verliebt und ihm dann bis nach Europa folgt, sei für die Zeitgenoss­en etwas Besonderes gewesen, sagt der Kulturhist­oriker.

Bereits kurz nach ihrem Tod nahm sich die Historienm­alerei und Literatur Pocahontas’ Geschichte an. Neue Popularitä­t erlangte die Indianerpr­inzessin nach der Gründung der USA 1776. Pocahontas wurde zur Brückenbau­erin zwistaats schen altem und neuem Amerika hochstilis­iert. Ihre Geschichte lernen US-Schüler noch heute. Disney machte aus Pocahontas schließlic­h eine naturverbu­ndene Öko-Prinzessin – eine „ganz grauenhaft­e“Verzerrung der historisch­en Figur, findet Hochgeschw­ender.

In Deutschlan­d sei Pocahontas zwar lange bekannt, aber nicht so wichtig gewesen, sagt der Kulturhist­oriker. Das hat sich erst mit dem Disney-Film geändert. Seitdem ist Pocahontas auch hierzuland­e eine der Indianer-Ikonen schlechthi­n.

 ?? Fotos: imago ?? So kennt man Pocahontas: wehendes Haar, Halskette. Walt Disney machte mit seinem Zeichentri­ckfilm die Indianerpr­inzessin 1995 weltweit bekannt und populär. Kritiker bemängelte­n, dass die Walt Disney Pocahontas kaum mehr etwas mit der historisch­en Figur...
Fotos: imago So kennt man Pocahontas: wehendes Haar, Halskette. Walt Disney machte mit seinem Zeichentri­ckfilm die Indianerpr­inzessin 1995 weltweit bekannt und populär. Kritiker bemängelte­n, dass die Walt Disney Pocahontas kaum mehr etwas mit der historisch­en Figur...

Newspapers in German

Newspapers from Germany