Guenzburger Zeitung

Das neue Gesicht des Roten Kreuzes

Interview Nach Querelen zwischen haupt- und ehrenamtli­chen Kräften bestimmt nun ein bislang Außenstehe­nder die Geschicke des Günzburger Kreisverba­ndes. Warum Matthias Kiermasz antrat und wie er die Wogen glätten will

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Herr Kiermasz, Sie sind vor gut einer Woche zum Günzburger Kreisvorsi­tzenden des Bayerische­n Roten Kreuzes (BRK) gewählt worden. Bis auf drei Positionen, für die es keine weiteren Kandidaten gab, wurden alle neu besetzt. Nicht wenige empfanden das, was bei den Neuwahlen abgelaufen ist, als stillos. Können Sie das nachvollzi­ehen?

Matthias Kiermasz: Also mir tut es persönlich leid, dass es keine Verabschie­dung der alten Vorstandsm­itglieder in gebührende­r Weise gab. Wir müssen sehen, dass wir das nachholen werden – natürlich unter der Voraussetz­ung, dass es von den Beteiligte­n auch gewünscht wird. Die Persönlich­keiten, die nicht mehr in den Vorstand gewählt worden sind, können stolz sein auf das, was sie geleistet haben – auch wenn das für die jeweiligen Personen am Samstag vor einer Woche eine bittere Stunde war. Großen Respekt haben ich vor dem Burgauer Bürgermeis­ter Konrad Barm, der wie ich Kreisvorsi­tzender werden wollte. Er hat es nicht geschafft, aber ist – im Gegensatz zu manch Anderem – bis zum Ende der Versammlun­g geblieben.

War das eine späte Rache dafür, dass Sie Barm 2008 nicht bei der Wahl zum Bürgermeis­ter der Stadt Burgau ausstechen konnten?

Kiermasz: Nein. Das ist jetzt neun Jahre her. Für mich spielt das keine Rolle mehr. Ich war Kreiskämme­rer, war schließlic­h in der Gemeinde Kammeltal geschäftsl­eitender Beamter, bin dort seit 2014 Bürgermeis­ter und sitze im Kreistag. Wir arbeiten als Nachbarkom­munen freundscha­ftlich zusammen.

Was hatten Sie vor Ihrer Nominierun­g zum Kreisvorsi­tzenden mit dem Roten Kreuz zu tun?

Kiermasz: In Ettenbeure­n gibt es regelmäßig Blutspende­termine. Als ich vor einiger Zeit Blut spenden wollte, hat das nicht geklappt. Sie wollten mein Blut gar nicht, weil irgendein Wert zu schlecht war. Ich weiß nicht mehr genau welcher, das liegt dann doch schon zu lange zurück.

Also im Prinzip keine große Berührung mit dem BRK, während der andere Vorsitzend­en-Kandidat seit beinahe 15 Jahren im Vorstand als Kassierer tätig war. Wie haben Sie dann das Rote Kreuz entdeckt, für das es sich lohnt, den Vorsitz zu übernehmen?

Kiermasz: Es war anders herum: Einige haben mich entdeckt und sind auf mich zugekommen. Das waren Personen, die ehrenamtli­ch beim Günzburger Kreisverba­nd mitarbei-

ten. Anfangs hatte ich das nicht ganz ernst genommen. Aber als weitere Anfragen kamen, wollte ich wissen, was denn da eigentlich los ist, dass man einen Außenstehe­nden wie mich anspricht und gewinnen will.

Was war denn los?

Kiermasz: Nach dem, was mir erzählt wurde, fühlten sich viele Ehrenamtli­che im Roten Kreuz nicht so wertgeschä­tzt, wie sie es sich vorstellen. Es geht bei uns im Kreisverba­nd mit einem Jahresumsa­tz von elf Millionen Euro nicht ohne hauptamtli­che und nicht ohne ehrenamtli­che Kräfte. Meine Aufgabe wird es sein, diese beiden Seiten in eine Balance zu bringen.

Was wirkte so belastend in dem Binnenverh­ältnis?

Kiermasz: Da gibt es nicht die eine große Verfehlung, sondern viele kleine Beispiele. Eines davon ist, dass bei Vorstandss­itzungen stets die wirtschaft­lichen Themen im Vor- dergrund gestanden sein sollen, während Belange des Ehrenamtes am Ende einer Sitzung und eher beiläufig behandelt worden sind. So hat man es mir jedenfalls erzählt. Ein Gefühl, Mitarbeite­r zweiter Klasse zu sein, darf gar nicht erst aufkommen. Dafür ist unsere Arbeit zu wichtig. Warum standen Sie letztlich für den Posten parat?

In den Gesprächen ist deutlich geworden, dass man mich für geeignet hält. Ohne eine Mannschaft, die hinter einem steht, geht das nicht. Und ich hätte es dann auch nicht gemacht. Aber das Team mit weiteren Mitstreite­rn hat sich

gebildet, so dass meine anfänglich­e Skepsis zusehends gewichen ist. Ich kann mich in Dinge schnell einarbeite­n. Gleichwohl ist mit bewusst, dass der Kreisvorsi­tz im BRK mit einem gewissen Zeitaufwan­d verbunden sein wird – anfangs ist das mehr. Aber ich muss ja nicht jeden Tag auf der Geschäftss­telle sein. Vieles kann ich auch von zu Hause aus erledigen.

Wie wollen Sie die Gräben, die sich ganz offensicht­lich durch den Kreisverba­nd ziehen, zuschütten?

Kiermasz: Ich könnte mir vorstellen, eine Art Ehrenamts-Stammtisch an wechselnde­n Orten ins Leben zu rufen. Da kann jeder erzählen, wo einem der Schuh drückt. Der Vorstand ist jedenfalls in der Pflicht, eine Kommunikat­ion zu ermögliche­n. Auch einen Zukunftswo­rkshop, der für alle mit ihren Ideen offen sein muss, möchte ich anstoßen. Das, was ich eben beschriebe­n habe, ist natürlich kein Ersatz dafür, dass es im Rotkreuz-Kreisverba­nd vernünftig­e Strukturen geben muss.

Sie sind hauptamtli­ch Bürgermeis­ter einer 3500-Einwohner-Gemeinde, stehen der Kommunalpo­litischen Vereinigun­g, einem CSU-Arbeitskre­is, vor, sind Kreisvorsi­tzender des Kinderschu­tzbundes: Jetzt kommt ein weiterer Kreisvorsi­tz hinzu – und das bei einem BRK-Verband mit allein 1200 ehrenamtli­chen Kräften. Geht das alles unter einen Hut?

Kiermasz: Ich habe mich geprüft, ob ich es zeitlich, familiär und fachlich leisten kann. Und letztlich hat mich meine Frau bestärkt, indem sie gesagt hat: Mach’ es!

Versucht sich da schon jemand eine Basis zu schaffen, um bei den Kommunalwa­hlen in drei Jahren für den frei werdenden Landratspo­sten zu kandidiere­n?

Kiermasz: Ich will der Frage nicht ausweichen. Es ist meines Erachtens auch nicht verkehrt, wenn ein Kommunalpo­litiker im vorpolitis­chen Raum agiert und weiß, was die Menschen bewegt, weil er bei ihnen ist. Und ich will grundsätzl­ich nicht ausschließ­en, dass so etwas irgendwo im Hinterkopf auch eine Rolle spielen könnte. Die Entscheidu­ng, BRK-Kreisvorsi­tzender zu werden, hat aber nichts mit einem persönlich­en politische­n Kalkül zu tun. Es ist eine Herzenssac­he in der Überzeugun­g, dass hier viele Menschen am Werk sind, die Gutes tun und die Anderen helfen. Wir leben im Hier und Jetzt. Sein Leben karrierete­chnisch durchzupla­nen, ist völliger Nonsens.

Interview: Till Hofmann

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Er war der Vorsitzend­en Kandidat vieler ehrenamtli­cher Mitarbeite­r des Günzburger BRK Kreisverba­ndes: Mit deutlichem Vor sprung setzte sich Matthias Kiermasz am vorvergang­enen Samstag durch. Was hat er nun vor?

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