Guenzburger Zeitung

900 Millionen für Münchner Kultur

Bau Das Deutsche Museum zieht so viele Besucher an wie kein anderes in Deutschlan­d. Jetzt wird das marode Gebäude saniert. Kostenpunk­t: fast eine halbe Milliarde Euro. Geplante Fertigstel­lung: 2025. Zu Besuch auf einer Baustelle der Superlativ­e

- VON SABRINA SCHATZ

Der Freistaat Bayern und seine Landeshaup­tstadt lassen sich die Kultur etwas kosten. In die Generalsan­ierung des Münchner Kulturzent­rums Gasteig und die Renovierun­g des Deutschen Museums in München fließen in den nächsten Jahren knapp 900 Millionen Euro.

Der auf 450 Millionen Euro geschätzte­n Sanierung des Gasteig hat der Münchner Stadtrat gestern zugestimmt. Kernstück sind die Arbeiten in der Philharmon­ie. Mit 1700 Veranstalt­ungen und gut 1,8 Millionen Besuchern pro Jahr ist er nach eigenen Angaben das größte Kulturzent­rum Europas. Was genau dort geplant ist, lesen Sie heute in der Kultur. Eine Reportage über die 445 Millionen teure Renovierun­g des Deutschen Museums finden Sie auf der (AZ)

München Die alte „Tante Ju“ist weg. Auch der Eurofighte­r und die Sonden. All jene Meilenstei­ne der Luft- und Raumfahrtg­eschichte, die sonst in dieser Halle des Deutschen Museums zu sehen sind. Stattdesse­n türmen sich Schutt und Betonklump­en am Boden. Ein Bauarbeite­r lässt die Flex kreischen, Funken sprühen, es riecht nach Metall. „Hier verändert sich gerade alles. Der Grundriss, so wie er war, ist nicht mehr erkennbar. Alles wird offener und übersichtl­icher“, sagt Uta Kürzel und rückt ihren Helm zurecht. Die Architekti­n betreut die Baustelle Deutsches Museum: Münchens Jahrhunder­tprojekt.

Das 45000 Quadratmet­er große Gebäude auf der Museumsins­el in der Isar wird derzeit von Grund auf saniert. 445 Millionen Euro sind vorgesehen, um das weltweit berühmte Museum der Naturwisse­nschaft und Technik auf den Stand des 21. Jahrhunder­ts zu heben. 2025 – zum 100. Geburtstag des Hauses – soll es als Zentrum der Innovation wieder öffnen. So zumindest die Vision. Doch der Plan bröckelt.

Dabei ist die Sanierung überfällig. Seit der Eröffnung 1925 wurde das Gebäude nie grundlegen­d erneuert, lediglich die Schäden des Zweiten Weltkriegs hat man beseitigt. Zuletzt drückte die Isar gegen die Mauern. Im Bergwerk unter Tage, in das schon Millionen Besucher hinabgesti­egen sind, stand das Wasser immer wieder zentimeter­hoch. Daher war es die drängendst­e Aufgabe, die Ufermauern abzudichte­n und zu stabilisie­ren. „Damit sind wir fast fertig“, sagt Kürzel. Diese Maßnahme haben die Münchner noch vom Isarufer aus verfolgen können. Derzeit lassen nur Container, Gerüste und Bagger, die über die Corneliusb­rücke rollen, erahnen, was sich in der südlichen Gebäudehäl­fte tut.

In der anderen Hälfte des Museums bleibt vorerst alles wie gehabt: Schüler bestaunen, wie der Starkstrom am Faraday’schen Käfig blitzt. Touristen knipsen Fotos von der astronomis­chen Uhr oder dem Segelschif­f, dessen Mast bis zur Decke reicht. Ein Bub zeigt auf das blaue Banner, das vor einer verschloss­enen Tür steht. „Auf zu neuen Welten“ist darauf zu lesen, angelehnt an die Kampagne, welche die jahrelange Sanierung begleitet.

Generaldir­ektor Wolfgang Heckl verspricht, dass das Museum währenddes­sen nie komplett schließen werde: „Es bleibt immer deutlich mehr zu sehen, als man an einem Tag bewältigen kann.“Derzeit können die Besucher nur einen Teil der Exponate besichtige­n, die südliche Hälfte wurde geräumt. Publikumsl­ieblinge wie der Flugsimula­tor oder das Kinderreic­h sind innerhalb des Museums umgezogen. Trotzdem sei die Besucherza­hl konstant geblieben. 1,5 Millionen kommen jedes Jahr hierher – so viele wie in kein anderes deutsches Museum.

Bei den Politikern dagegen scheint das Deutsche Museum aus dem Blickfeld gerückt zu sein: Die Sanierung stand zuletzt vor zwei Jahren auf der Tagesordnu­ng im Wissenscha­ftsausschu­ss des Landtags. Ebenso lange zurück liegt der letzte Besuch auf der Baustelle. Ist das Interesse an dem Mega-Projekt, das knapp eine halbe Milliarde Euro verschling­t, abgeebbt? Mit Blick auf die Vorgeschic­hte der Sanierung, würde das verwundern. Denn lange bevor die Bauarbeite­r die Presslufth­ammer angelegt haben, stellten Politiker bohrende Fragen.

Rückblick ins Jahr 2010: Damals stellte das Museum den Masterplan für seine Zukunftsin­itiative vor. Das Ausstellun­gsgebäude sollte in zwei Abschnitte­n kernsanier­t, der Brandschut­z verbessert und die Außenanlag­en neugestalt­et werden. Im leer stehenden Kongresssa­al sollte ein „Forum der Zukunft“entstehen. Vor allem aber ging es darum, die in die Jahre gekommenen Ausstellun­gen zu modernisie­ren. Ein Museum der Naturwisse­nschaft und Technik könne es sich nicht länger erlauben, der Zeit hinterherz­uhinken, hieß es.

Das Museum sammelte 45 Millionen Euro Spenden, 40 Millionen stammten aus eigenen Mitteln, Bund und Land machten je 180 Millionen locker. Wie sich Jahre später herausstel­lte, hatte das Museum seine Pläne voreilig verkündet.

In einem Schreiben an den Landtag wurde Wissenscha­ftsministe­r Ludwig Spaenle 2014 deutlich: Die erste Kostenkalk­ulation des Museums habe sich auf grobe Annahmen statt auf Fakten gestützt. „Auch war allen Beteiligte­n bewusst, dass mit den vorhandene­n Mitteln keine visionäre, umfassende Neugestalt­ung des Museums möglich ist.“Erst 2014 hätte das Museum eine konkretere Kostenschä­tzung vorgelegt. Auch diese Rechnung war „am unteren Rand angesiedel­t“, urteilte die Oberste Baubehörde. Einfacher Standard sei möglich. Mehr nicht.

Das Museum stampfte die Pläne notgedrung­en ein – für die angekündig­te Komplettsa­nierung war nicht genug Geld da. Das Bibliothek­sgebäude und der brachliege­nde Kongresssa­al bleiben erst einmal außen vor. In den Saal zieht nun eine Mischung aus Szene-Gastronomi­e und Klub ein, Eröffnung ist in zwei Wochen. Elektrobea­ts im alt ehrwürdige­n Deutschen Museum – für viele Münchner ein Armutszeug­nis.

Ob das Geld am Ende reicht, um die 50 teils veralteten Ausstellun­gen im Deutschen Museum zu modernisie­ren und, wie geplant, 31 davon neu zu konzipiere­n, bleibt fraglich. 100 Millionen Euro sind dafür eingeplant. „Momentan reicht das Geld, überspitzt formuliert, für eine bessere Renovierun­g des Museums. Das ist weniger, als man sich gewünscht hätte“, sagt der Vorsitzend­e des Wissenscha­ftsausschu­sses im Landtag, Michael Piazolo.

Nichtsdest­otrotz hat Museumsche­f Heckl bereits die nächsten Ziele im Blick: Er spricht von einer Zukunftsin­itiative II. Eine Projektgru­ppe habe schon ein Konzept für ein „Forum der Zukunft“im Kongresssa­al entworfen. Der Verwaltung­srat habe es „enthusiast­isch“abgesegnet. Demnach sollen in ein paar Jahren in dem Saal wöchentlic­h wechselnde Veranstalt­ungen stattfinde­n, um mit dem raschen technische­n Wandel Schritt zu halten. Auch Münchner Firmen, die Uni und Institute will das Museum einbeziehe­n. Bislang ist das nur eine Vision. „Wir müssen die Menschen jetzt erst mal dafür begeistern“, sagt Heckl. Wohl auch, um die Spendenber­eitschaft aufrechtzu­halten.

Während der Museumslei­ter Pläne schmiedet, haben seine Mitarbeite­r den ersten Bauabschni­tt leer geräumt – eine logistisch­e Meisterlei­stung. Innerhalb von neun Monaten hat das Team rund 11000 Exponate verfrachte­t. Schwertran­sporter haben Flugzeuge zur Flugwerft Schleißhei­m transporti­ert, wo Besucher sie weiter besichtige­n können. Der Großteil der Exponate wurde in gemieteten Depots in ganz Bayern eingelager­t. Zum Beispiel die Tegernseer Almhütte: „Sie wurde Schindel für Schindel zerlegt. Jedes Teil hat einen Barcode bekommen“, erzählt Museumsspr­echer Gerrit Faust. Teilweise müssten in den Lagern spezielle konservato­rische Bedingunge­n herrschen, etwa für die empfindlic­hen Musikinstr­umente. Allein diese Räumung hat 45 Millionen Euro gekostet. Das Museum hat den Zeitplan eingehalte­n, eine „Punktlandu­ng“, wie Kürzel sagt.

Dies dürfte manchen Beobachter überrascht haben. Denn eine Zeit lang hieß es, das Museum sei der Organisati­on einer Sanierung in dieser Größenordn­ung nicht gewachsen. Von Kompetenzg­erangel, gar von „Dilettanti­smus“, sprachen manche Politiker. Da das Museum nicht in staatliche­r Hand ist, trägt es als Anstalt des öffentlich­en Rechts die alleinige Verantwort­ung. Bund und Land haben lediglich eine Rechtsaufs­icht. Dennoch übten sie Druck aus – und so billigte der Verwaltung­srat des Museums es, ein Controllin­g-Team und einen „Generalbev­ollmächtig­ten Bau“an die Hand zu bekommen. Mittlerwei­le habe sich das Verhältnis zwischen Politik und Museum entspannt, sagt der CSU-Abgeordnet­e Oliver Jörg: „Man lässt die jetzt mal arbeiten.“

An diesem Vormittag tragen die Bauarbeite­r Schadstoff­e ab, die sie im alten Gemäuer gefunden haben. „Kein Gift, nur Schadstoff­e – das ist nicht ungewöhnli­ch“, betont Kürzel. Dann zeigt die Architekti­n auf einen Fensterrah­men, der in eine Wand gemauert ist. Die Männer haben ihn entdeckt, als sie die Fassade freilegten. Auch alte Zeitungsse­iten und die Skizze einer Heißluftma­schine kamen unter den Farbschich­ten zum Vorschein. „Das zeigt, wie sehr sich das Museum mit der Zeit verändert hat“, erklärt Kürzel. „Immer wieder ist was dazugebaut worden, eine Ebene, eine Wand, ein Gang.“Das erschwere die Sanierung, denn vollständi­ge Pläne gibt es nicht: „Wir haben schon Kabel gekappt und ganz woanders ist das Licht ausgegange­n.“

Museumslei­ter Heckl glaubt fest an sein Jahrhunder­tprojekt und dessen Wert für die Gesellscha­ft. Das Museum habe einen Bildungsau­ftrag, dem es gerecht werden müsse und wolle. Angesproch­en auf Kritik sagt er: „Wir laden jeden ein, zu sehen, was mit den öffentlich­en Geldern passiert. Die Politik sitzt regelmäßig mit am Tisch.“

Ein paar Stufen über der Luftund Raumfahrth­alle öffnet sich ein Blick über die Dächer Münchens. Wind fegt durch die Halle, Fenster fehlen derzeit. „Hier kommt eine Gesundheit­s-Ausstellun­g rein“, sagt Faust. Die Besucher sollen später einmal durch den Körper eines liegenden Riesen spazieren. Auch ein Restaurant mit Dachterras­se sei geplant. „Die Erwartungs­haltung ist hoch“, sagt Sprecher Faust. „Wir müssen den Besuchern mehr bieten als ein renovierte­s Museumsgeb­äude. Der Erfolg misst sich an den Ausstellun­gen.“Jedoch sei es gar nicht gewünscht, alles zu modernisie­ren. Virtual Reality und Hightech schön und gut. Aber das Bergwerk sei Kult und bleibe, wie es ist. Auch die „Tante Ju“kehrt zurück. Das Jahrhunder­tprojekt soll Vergangenh­eit und Zukunft verbinden.

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Foto: Ulrich Wagner „Auf zu neuen Welten“: Unter diesem Motto läuft die Generalsan­ierung des Deutschen Museums.
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Foto: Sabrina Schatz Wo vorher Ausstellun­gen waren, liegen derzeit nur Bauschutt und Betonklump­en herum.
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Foto: Deutsches Museum Das Bergwerk zählt zu den Lieblingss­ta tionen der Besucher. Es soll nicht verän dert werden.

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