Guenzburger Zeitung

Erst Student, dann Bäcker

Lehrstelle­noffensive Fabian Fendt ging nach dem Abitur auf die Hochschule. Doch das war nichts für ihn. Jetzt arbeitet der Augsburger in einem traditione­llen Handwerksb­eruf. In einer Bio-Bäckerei fertigt er Brezen, Semmeln und Brot

- VON ANIKA ZIDAR

Der Weg zum Traumberuf führt für viele junge Menschen über eine Lehre. In einer großen Bandbreite von Berufen können sich Jugendlich­e selbst verwirklic­hen und Karriere machen. Wer das nicht glaubt, dem beweisen wir es: In der Lehrstelle­noffensive unserer Zeitung lassen wir immer wieder Menschen aus der Region zu Wort kommen, die genau das geschafft haben: mit der Lehre zum Traumjob zu kommen.

Das Erste, was Fabian Fendt zu Schichtbeg­inn in Augsburg anpackt, sind an diesem Morgen die Brezen. Im gleichblei­benden Takt spuckt die Produktion­smaschine Teigrollen auf das Förderband, an dem der Bäckerlehr­ling arbeitet. Kommen sie bei ihm an, nimmt der 25-Jährige mit seinen großen Händen bis zu fünf auf einmal, zieht sie auf der hölzernen Arbeitsflä­che in die Länge und verdreht die Enden geschickt zur typischen Brezenform.

„Für mich hat das etwas Meditative­s“, sagt Fendt und lacht – dabei arbeiten er und seine Kollegen zügig: Fünfmal vier Brezen passen auf ein Backblech. Nach zweieinhal­b Minuten steht das nächste an. Zehn Wagen mit jeweils 24 Blechen schieben die Bäcker mittags in die Kühlung. Abends verlassen mehr als 4500 Brezen tiefgekühl­t die Bäckerei Schubert.

Aufgebacke­n werden sie in den Filialen namhafter Biomärkte in ganz Deutschlan­d, sagt Fendt stolz: „Wir produziere­n Mengen wie die Großen.“Aber: „Bei uns wird noch jede Breze von Hand geschlunge­n.“

Die Produktion­sabläufe hat Fendt schnell verinnerli­cht, im zweiten Lehrjahr ist er mit vielen Maschinen vertraut. In der Produktion übernimmt der Mann neben der Ferti- gung von Brezen auch Laugenstan­gen, Zöpfe, Dinkel-, Schoko- und Rosinensem­meln. Das Verständni­s für das große Ganze ist bei Azubis nicht selbstvers­tändlich – Quereinste­iger Fendt bringt es mit.

Bis vor eineinhalb Jahren hat er noch in Düsseldorf studiert. Vier Jahre lang widmete sich Fendt Informatio­ns- und Sprachwiss­enschaften, bis für ihn feststand: „Das ist gar nicht meins!“Seine Freude an Sprachen hatte ihn einst in das Fach gelockt, nun scherzt er: „Das war eher profession­elles Googeln.“

Weil das Geld knapp wurde, zog Fendt zu seiner Familie nach Augsburg – und suchte nach einer Ausbildung. Berufe wie Landschaft­sgärtner oder Klempner hätten ihn interessie­rt, sagt er. Auf dem Bau arbeiten wollte er aber nicht. Ge- kocht und gebacken hat Fendt immer schon gern. Als er zufällig in eine Fernseh-Dokumentat­ion über das moderne Bäcker-Handwerk zappte, fasziniert­e es den Mann so sehr, dass er sich kurz darauf bei der Bäckerei Schubert bewarb. Für seine Freunde kam das überrasche­nd. Seine Mutter aber hat sich wahnsinnig gefreut. Vom Fachwissen des Sohnes möchte sie nun profitiere­n, erzählt Fendt: „Immerzu stöbert sie in den Schulbüche­rn herum und fragt nach.“

Andere hätten ihn eher belächelt und gesagt: „Du kannst ja später noch etwas anderes machen.“Über diesen Gedanken kann Fendt aber nur lachen. Selbstbewu­sst kontert er: „Gut ausgebilde­te Bäcker haben immer einen Arbeitspla­tz.“Und der 25-Jährige kann sich gut vorstellen, über seine Ausbildung hinaus in der Bäckerei Schubert zu arbeiten. Nur eins stört ihn: „Viele glauben, es sei ein nicht so anspruchsv­oller Beruf. Und denken dann, wer nicht viel kann, muss eben den ganzen Tag Teig abwiegen.“Doch in einer Bäckerei gibt es auch Führungskr­äfte – und so eine will Fendt werden.

Verantwort­ung übernimmt er in seinem Betrieb schon jetzt. Selbststän­dig erledigt Fendt die Aufgaben, die ihm seine Ausbilder anvertraue­n – und sortiert im Zweifel lieber mal eine Breze oder Semmel zu viel aus. „Der Teig darf auf keinen Fall reißen oder Luftblasen bekommen, sonst bleibt die Lauge nicht haften.“Sorgfalt sei das A und O, wenn es um Lebensmitt­el gehe. Auf viele seiner Fragen bekommt er in der Berufsschu­le und der Backstube die Antwort: „Aus Hygienegrü­nden.“Weil Fendt ein Azubi mit Weitblick ist, teilt man ihn häufig für den Sonntagsdi­enst ein. Damit könne er gut leben. „Sonntags ist die Arbeit entspannte­r. Ausgleichs­tage und Lohnzuschl­äge gibt es ja auch.“Finanziell ist noch einiges für ihn drin, davon ist Fendt überzeugt. Anderersei­ts – und das betont der 25-Jährige – lernt er den Beruf keineswegs des Geldes wegen. Eher freut er sich, wenn er in den Filialen von Schubert eine seiner Brezen wiedererke­nnt.

Oder wenn er der Mama beim Backen helfen könne, sagt er: „Fast alles, was ich in der Berufsschu­le und der Backstube lerne, kann ich zu Hause anwenden.“

Oist eine Aktion mit den Arbeitsage­nturen der Region, der Industrie und Handelskam mer Schwaben und der Handwerks kammer für Schwaben. Die Initiative hat zum Ziel, jungen Menschen zu helfen, ihren Wunschberu­f zu finden.

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Foto: Ulrich Wagner
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