Guenzburger Zeitung

Von Hoffnung und Angst in stürmische­n Zeiten

Leitartike­l Ostern 2017: Krisen, wohin man blickt – und die Gefahr einer direkten Konfrontat­ion von Großmächte­n. Hilft Verhandeln allein in jedem Fall?

-

Woher rührt das viele Menschen bewegende Gefühl, die Welt sei aus den Fugen geraten und alles noch viel schlimmer als „früher“? Es ist die Vielzahl der Krisen, die uns umtreiben und den Eindruck wachsender Gefahr verstärken – mitsamt der Verunsiche­rung darüber, dass die Welt unberechen­barer geworden ist und der schöne, nach dem Ende des Kalten Krieges geträumte Traum von einem dauerhafte­n Frieden ausgeträum­t ist. Denn „früher“war ja nichts besser. Gewiss, das vereinte Europa genießt seit über 60 Jahren das Glück des Friedens, weil es aus den Erfahrunge­n der Geschichte gelernt hat. In anderen Regionen der Welt hingegen hat es in diesen Jahrzehnte­n ständig verheerend­e Kriege gegeben. Dort kennen ganze Völker nichts anderes als Krieg, Gewalt, Elend. Der arabische Krisenboge­n etwa steht seit langem in Flammen, ohne dass eine Lösung der blutigen, von religiösen Eiferern und Regionalmä­chten befeuerten Konflikte in Sicht wäre.

Hie und da ist es der – im Ernstfall nicht wirklich handlungsf­ähigen – internatio­nalen Staatengem­einschaft gelungen, Kriege einzuhegen, Bürgerkrie­gsparteien an den Verhandlun­gstisch zu bringen und dem Völkerrech­t Geltung zu verschaffe­n. Die „Kriegstote­nKurve“der Weltgesund­heitsorgan­isation zeigt nach unten. Wer will, mag daraus Hoffnung für die Zukunft schöpfen und – inspiriert von der christlich­en Osterbotsc­haft – daran glauben, dass das alte grausame, mit Mitteln der Gewalt betriebene Spiel um Macht und Dominanz irgendwann beendet wird und die Welt zu einer stabilen Ordnung findet. Realistisc­h ist diese Hoffnung nicht – weder im Lichte historisch­er Erfahrung noch in Kenntnis des Menschen, der im Guten wie im Bösen zu allem fähig ist. Und es kommt ja nicht von ungefähr, dass die Hoffnung auf eine friedliche­re Welt, die ihre Konflikte mit Verhandeln und Kompromiss­en beizulegen sucht, schwindet und nun auch die Europäer die Angst beschleich­t, nach vielen Jahren des Wohlergehe­ns in einen weltpoliti­schen Gewitterst­urm zu geraten. Der islamistis­che Terrorismu­s, die Flüchtling­skrise, die Auseinande­rsetzung mit einem aggressiv agierenden Russland, die gespaltene EU: Krisen, wohin man „Lösungen“, nur Verhandeln helfe weiter – so lautet das Mantra europäisch­er, zum Raushalten neigender Politik. Und es stimmt ja, dass Krieg kein Mittel der Politik sein darf. Das Problem ist nur: Es gibt Staatenfüh­rer, die militärisc­he Lösungen herbeiführ­en. Männern wie Assad, der ohne Putins Bomber und Soldaten längst am Ende wäre, ist mit gutem Zureden allein nicht beizukomme­n – so wenig wie der Mörderband­e des „Islamische­n Staats“oder dem größenwahn­sinnigen Diktator Kim. Es gibt, so tragisch dies ist, Momente in der Geschichte, die militärisc­hes Eingreifen erfordern – zum Schutz der Menschenre­chte, zur Verhinderu­ng noch größeren Unheils. Mit allen Risiken, die diese Übernahme von Verantwort­ung in sich birgt. Wer das Leid syrischer Kinder beklagt und empört die Tatenlosig­keit des Westens rügt, sollte um der Ehrlichkei­t willen zur Kenntnis nehmen, dass konkretes außenpolit­isches Handeln auch militärisc­he Gewalt erfordern und niemals moralisch völlig sauber sein kann.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany