Guenzburger Zeitung

Lidl scheitert vor Gericht

Arbeitsrec­ht Das Unternehme­n darf einem 41-jährigen Betriebsra­t in Graben nicht kündigen. Verdi geht davon aus, dass der Discounter die „Jagd auf Betriebsrä­te“damit beendet

- VON MICHAEL LINDNER

Die monatelang­e Auseinande­rsetzung um die außerorden­tliche Kündigung eines Betriebsra­ts durch den Discounter Lidl ist beendet. Eine Kammer des Augsburger Arbeitsger­ichtes erklärte die Kündigung am Donnerstag für unwirksam. Das Unternehme­n hatte einen Betriebsra­t im Logistikze­ntrum in Graben im Landkreis Augsburg beschuldig­t, einen Vorgesetzt­en sowie einen schwerbehi­nderten Kollegen beleidigt zu haben. Der 41-Jährige bestritt die Vorwürfe bis zuletzt.

Ob die Beleidigun­gen tatsächlic­h gefallen sind, war bei der Verhandlun­g nicht zu klären. Nach Ansicht des Gerichts würden die Vorwürfe – egal ob wahr oder nicht – nicht ausreichen, um „die schärfste Waffe im Arbeitsrec­ht“zu ziehen. Aus Sicht der Kammer wäre eine vorherige Abmahnung nötig gewesen. Der einzige geladene Zeuge musste nicht aussagen. Dadurch blieb auch der Kontext unklar, in dem die Beleidigun­gen gefallen sein sollen, denn: Die Vorgeschic­hte kannte nicht einmal der Arbeitgebe­r.

Die Anwältin des 41-jährigen Angeklagte­n, Christine Steinicken, sprach deshalb davon, dass das Unternehme­n nicht ausreichen­d ermittelt habe, als es den Antrag auf Kündigung beim Betriebsra­tsgremium eingereich­t hat. Dieses hat die Zustimmung jedoch verweigert.

Lidl-Anwalt Frank Hahn sagte zur Entscheidu­ng des Arbeitsger­ichts: „Wir sind nach wie vor der Auffassung, dass eine außerorden­tliche Kündigung gerechtfer­tigt gewesen wäre.“Dennoch werde man die Entscheidu­ng der Kammer respektier­en und die Begründung nun prüfen.

Die Anwältin des Betroffene­n zeigte sich erfreut über den Ausgang des Verfahrens: „In dieser Verhandlun­g ging es nicht um die Sache; der Arbeitgebe­r hat nur versucht, den Betriebsra­t zu schwächen“, sagte Steinicken. Wie berichtet, wurde ein Betriebsra­t am Standort Graben erst im vergangene­n Sommer gewählt. Wenige Wochen später soll der 41-Jährige, der einer der Initiatore­n der Wahl war, zwei Kollegen beleidigt haben.

Thomas Gürlebeck von der Gewerkscha­ft Verdi machte deutlich, dass Betriebsra­tsmitglied­er einen besonders hohen Schutz aufgrund ihrer Tätigkeit haben und nicht auf Verdacht fristlos gekündigt werden dürfen. „Der Betriebsra­t und Verdi gehen jetzt davon aus, dass die LidlGeschä­ftsführung die Jagd auf Betriebsrä­te beendet.“

Der Discounter hingegen betont in einer Stellungna­hme, dass die beabsichti­gte Kündigung des Mitarbeite­rs in keinem Zusammenha­ng damit stand, dass der Mitarbeite­r Betriebsra­tsmitglied ist, sondern allein auf seinem Verhalten gegenüber einem Kollegen beruhte.

Der betroffene 41-jährige Betriebsra­t war nach der Verhandlun­g erleichter­t: „Ich war zuvor schon sehr zuversicht­lich und das hat sich zum Glück bestätigt.“Im Gespräch mit unserer Zeitung macht er deutlich, dass er an einer einvernehm­lichen Einigung nie interessie­rt gewesen sei, da er gerne im Logistikze­ntrum Graben arbeite. Kurz vor der Verhandlun­g gab es einen überrasche­nden personelle­n Wechsel beim Discounter: Die für die Kündigung verantwort­liche Betriebsle­iterin arbeitet seit kurzer Zeit im Lidl-Zentrallag­er in Bietigheim-Bissingen.

Der Betriebsra­tsvorsitze­nde Christian Layer freute sich nicht nur für den 41-jährigen Kollegen, sondern auch darüber, dass das Betriebsra­tgremium in dieser Sache richtig gehandelt habe. Vor der Verhandlun­g hatten rund 30 Mitglieder von Verdi sowie der Katholisch­en Betriebsse­elsorge vor dem Gerichtsge­bäude eine Protestakt­ion organisier­t und ihre Solidaritä­t zum Betriebsra­t bekundet.

Der Discounter kann gegen den Beschluss der Kammer Beschwerde einlegen. Dann würde es zu einer Verhandlun­g vor dem Landesarbe­itsgericht in München kommen.

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Foto: Jens Kalaene, dpa

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