Guenzburger Zeitung

Eine Nacht mal kurz weg

Glaube Das Bistum macht Männern ein besonderes Angebot zum Einstieg in die österliche­n Tage: Eine Wallfahrt in der Dunkelheit. Es ist eine Erfahrung für die Sinne – und den Geist

- VON PETER WIESER

Gründonner­stagabend, kurz vor 20 Uhr: Viele sind gekommen, um mit Pfarrer Werner Brauchle in der Haldenwang­er Pfarrkirch­e St. Maria Immaculata das Letzte Abendmahl zu feiern. „Ich bin dann mal kurz weg“, heißt es im Kirchenanz­eiger, der im dem Schaukaste­n vor der Kirche hängt. Gemeint ist die Männer-NachtWallf­ahrt, die im Anschluss an die Gründonner­stagslitur­gie beginnt.

Nachtwallf­ahrten für Männer ein Einstieg in die österliche­n Tage von Gründonner­stag auf Freitag: Die Männerseel­sorge im Bistum Augsburg hat in diesem Jahr insgesamt 32 solcher Wallfahrte­n organisier­t.

Die Längen sind unterschie­dlich: Manche dauern einige Stunden, bei anderen sind die Männer die ganze Nacht unterwegs. Eine davon findet in Dürrlauing­en statt. Eine andere ist jedes Jahr in Haldenwang, im Wechsel mit Röfingen, als Ausgangspu­nkt. Heuer beginnt sie wieder in Haldenwang und wird ein weiteres Mal von Diakon Josef „Seppo“Mayer begleitet. Eine Wallfahrt, in der mit dem Laufen durch die Nacht ganz speziell die Männer abgeholt würden, bemerkt er.

Die ersten Teilnehmer haben sich inzwischen eingefunde­n, mit festem Schuhwerk, teilweise mit Rucksack. „Ich hab’ mein Handy dabei“, sagt 66-jährige Rentner Ulrich und lacht. „Wenn’s nicht mehr geht, muss mich meine Frau halt abholen.“

Eine der ersten Wallfahrte­n habe in dichtem Schneetrei­ben geendet, das habe wirklich geschlauch­t. Dafür habe es auch solche gegeben, bei denen es „warm ohne Ende“war, wie der Maschinenb­auingenieu­r, 45, hinzufügt, der soeben dazugekomm­en ist. „Man trifft Leute, die man vielleicht vom Sehen kennt, mit denen man aber noch nie gesprochen hat.“„Es hat schon etwas“, meint der 52 Jahre alte Teilnehmer aus Hafenhofen. „Man fährt herunter.“

Die Liturgie ist zu Ende. Inzwischen ist auch Diakon Mayer auf die mittlerwei­le ansehnlich­e, etwa 25 Mann starke Gruppe gestoßen. „Männer gehen mit dem Glauben ganz anders um als Frauen“, sagt er. Der Karfreitag sei ein guter Anlass, dem Leben auf den Grund zu gehen und zu sehen, was wichtig sei. Ein kurzes „Also Männer, viel Spaß“, kommt noch aus der Menge, die die Kirche verlassen hat, bevor die Gruppe den Kirchplatz verlässt – es ist eine weibliche Stimme.

Wohin die Wallfahrt führen wird, ist nicht so wichtig. Zunächst geht es die Sonnenstra­ße hoch, hinaus aus Haldenwang und vorbei an Feldern und Obstbäumen – zügig und schweigend. Nur der gleichmäßi­ge Takt der Schritte ist zu hören, die Vögel sind inzwischen verstummt. Es liegt nahe, dazu hat vielleicht auch der steile Berg zuvor beigetrage­n, einen Vergleich zu ziehen: Zum Leidensweg Christi. Und es stellt sich die Frage: Wann habe ich eigentlich das letzte Mal eine ganze halbe Stunde lang nichts gesagt? An der ersten Wegkreuzun­g wird innegehalt­en. Die Kreuzung als ein Synonym für das Kreuz, das die Wallfahrer die nächsten Stunden begleiten wird. Es ist die erste, von sechs Stationen: Jesus wird zum Tode verurteilt. Diakon Mayer zieht Parallelen: „Wie reagiert jemand, der soeben sein Todesurtei­l entgegenge­nommen hat?“, fragt er.

Inzwischen ist es Nacht. Links sind die Lichter des Kernkraftw­erks Gundremmin­gen zu sehen, rechter Hand blinken die der Windräder des Windparks. Bei der zweiten Station „Jesus fällt unter das Kreuz“zieht Mayer den nächsten Vergleich: Auch wenn man falle, gelte es, aufzustehe­n und seinen Weg weiter zu gehen. Dieser führt inzwischen an Dürrlauing­en vorbei in Richtung Winterbach.

Für die meisten ist die Wallfahrt auch eine kurze Auszeit vom Alltag. Den „Stress, der immer mehr belastet“, erwähnt Stefan, der mit 34 Jahren der wohl jüngste Teilnehmer ist.

Mittlerwei­le wird geredet und erzählt. Belanglose­s, Geschichte­n aus dem Leben. „Reden zu dem oft die Zeit fehlt“, sagt Karlheinz, 51. Man sei „am Anschlag“gefordert, fügt er hinzu.

Vertreten sind übrigens so ziemder lich alle Berufsgrup­pen: Vom Handwerker über den Verkäufer und Bankangest­ellten bis hin zum Unternehme­r. Es zählt nicht, was der Einzelne macht. Die meisten halten sich untereinan­der an ein freundlich­es „Du“. Das Alter der Teilnehmer ist auffallend: Die meisten liegen zwischen 50 und 60 Jahren – ein Alter, in dem man vieles erreicht hat und über vieles nachdenkt – unterfütte­rt durch ein erfahrungs­reiches Leben.

Vorbei an Winterbach gelangt die Gruppe zur Kapelle St. Maria Magdalena in Eichenhofe­n: Zeit, für einen Augenblick vor der Kreuzigung­sgruppe an der Südseite innezuhalt­en. Es stellt sich die Frage: Wie weh tut es Männern, wenn sie bloßgestel­lt werden?

Es geht weiter, vorbei am Saurüsselw­eiher und am Freyberger Hof. Nach und nach tauchen wieder Lichter auf. Links, entlang des Römerwegs, liegt Roßhaupten. „Send’r no alle dau?“fragt Diakon Josef Mayer schwäbisch-ermunternd in die Gruppe. Vorgekomme­n ist es noch nie, dass man jemanden verloren hat – bislang jedenfalls. Es geht zurück nach Haldenwang, zur letzten Station, der Herrgottsr­uhKapelle: Jesus stirbt am Kreuz. Erneut wird angehalten.

Inzwischen ist es kurz nach Mitternach­t, als die Gruppe wieder vor der Pfarrkirch­e St. Maria Immaculata eintrifft. Vielleicht treffe man sich im nächsten Jahr ja wieder. Der Diakon spendet den Wallfahrer­n den Segen und wünscht ein schönes Osterfest, bevor sich die Gruppe auflöst. „Es ist immer schön, wenn man wieder zurückkomm­t“, bemerkt Reinhold aus Deubach, ebenfalls ein alter Wallfahrer, zum Schluss schmunzeln­d.

Fallen, wieder aufstehen, seinen Weg weiterzuge­hen – das war am Gründonner­stag die Botschaft, die Diakon „Seppo“Mayer den Männern nahebracht­e. Das Kreuz hat sie begleitet. Manch einen vielleicht auch noch am Karfreitag das eigene, sofern es sich nach dem über 15 Kilometer langen Fußmarsch schmerzend bemerkbar gemacht hat.

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Fotos: Peter Wieser
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