Guenzburger Zeitung

Versuchter Mord bleibt ohne Strafe

Prozess Warum der Angeklagte bei seiner Messeratta­cke nicht schuldfähi­g war

- VON KARL PAGANY

Der Vorfall, der sich im Juli 2016 im Günzburger Asylbewerb­erheim zugetragen und einem Mann aus Afghanista­n fast das Leben gekostet hat, fand nun vor Gericht seinen Abschluss. Ein in dem Heim zu Besuch weilender 37-jähriger Italiener eritreisch­er Abstammung hatte damals den Afghanen ohne sichtbaren Grund mit einem Messer am Hals, Bauch und Arm lebensgefä­hrlich verletzt (wir berichtete­n). Dem Opfer gehe es mittlerwei­le körperlich so weit wieder gut. Allerdings seien psychische Störungen noch vorhanden, hieß es vor Gericht.

Das Memminger Landgerich­t sprach nun am fünften Verhandlun­gstag den Angeklagte­n des versuchten Mordes mangels Schuldfähi­gkeit frei. „Die Tat hat nichts mit den in solchen Unterkünft­en öfters vorkommend­en religiösen oder kulturelle­n Konflikten zu tun. Sie hat allein mit der Erkrankung des Angeklagte­n zu tun“, sagte der Vorsitzend­e Richter in seiner Urteilsbeg­ründung. Zuletzt waren sich Staatsanwa­lt, Verteidige­r und Gericht einig, dass der 37-Jährige bereits seit rund 15 Jahren an einer paranoid-halluzinat­orischen Schizophre­nie leidet. „Offensicht­lich hat das jedoch bisher kein Arzt diagnostis­ch nachweisba­r festgestel­lt und auch nicht entspreche­nd behandelt“, sagen Sachverstä­ndige und das Gericht. Der Mann habe zwar immer wieder mal Medikament­e gegen seine Depression­en bekommen, sie aber oft nicht zuverlässi­g und regelmäßig eingenomme­n. Da er bei seinen verschiede­nen Aufenthalt­en in den Vereinigte­n Staaten, Kanada und Italien nicht krankenver­sichert war, hatte er auch keine regelmäßig­en Arztkontak­te.

Die beiden in der Verhandlun­g einbezogen­en Sachverstä­ndigen hatten das Krankheits­schicksal des Angeklagte­n gründlich aufbereite­t und mit vielen Daten belegt. Innere, ihm Befehle gebende oder dialogisie­rende Stimmen, Ängste, Depression­en, Leistungsd­efizite, Aggressivi­tät, Panikattac­ken, Verfolgung­swahn und Ich-Störungen seien über die Jahre hinweg nachvollzi­ehbar. „Was sich am Anfang des Prozesses als möglich erscheinen­de Notlüge zeigte, hat sich durch die Tatsachen leider als Wahrheit entpuppt“, äußerten sich die Fachleute.

Die Gutachter bestätigte­n, dass dem Angeklagte­n zum Zeitpunkt der Tat der Realitätsb­ezug absolut gefehlt habe und seine Fähigkeit zur Einsicht für sein Handeln aufgehoben war. Damit sei er nach dem Strafgeset­zbuch als schuldunfä­hig zu sehen. In ihrer Prognose für den Kranken empfahlen sie unabdingba­r die Behandlung in einer geschlosse­nen psychiatri­schen Einrichtun­g mit einer kontrollie­rten Medikation. „Wenn er Glück hat, wird er in einigen Jahren zu einem selbststän­digen Lebensstil zurückkehr­en können.“

Das Gericht folgte diesem Vorschlag. Es ordnete eine Unterbring­ung in der Psychiatri­e an. Ein einziges Mal, ganz zum Schluss der Verhandlun­g, sprach der 37-Jährige selbst. Er wisse nicht, warum er das getan habe, er sei da nicht er selbst gewesen. Und er entschuldi­gte sich beim Opfer für seine Tat.

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