Guenzburger Zeitung

Ist das Baugebiet zum Bauen geeignet?

Entwicklun­g Die Bodenverhä­ltnisse im neuen Areal im Burgauer Stadtteil Unterknöri­ngen sind nicht einfach. Die einen halten sie für zu schwierig. Doch die anderen finden die Kritik überzogen

- VON CHRISTIAN KIRSTGES

Das neue, bereits erschlosse­ne Baugebiet im Burgauer Stadtteil Unterknöri­ngen an der Von-Freyberg-Straße hat einige Vorzüge. Da wäre die Lage zwischen Kirche und Schloss, die relative Nähe zur Kernstadt und vor allem der Grundstück­spreis – 97 Euro sind es für den Quadratmet­er. Weniger attraktiv ist die zu sehende und vor allem zu hörende Autobahn. Wie nun kürzlich im Stadtrat bekannt wurde, ist das allerdings nicht das einzige Manko. Ratsmitgli­ed Manfred Hammerschm­idt (CSU) berichtete, dass ein Bauinteres­sent aus allen Wolken gefallen sei, als ihn der beauftragt­e Architekt davor gewarnt habe, dort ein Fertighaus zu bauen. Die Bodenquali­tät sei einfach zu schlecht. Das wiederum überrascht­e viele Ratsmitgli­eder. Davon und dass es gar ein Gutachten im Auftrag der Stadt gibt, in dem die schwierige­n Grundverhä­ltnisse aufgeliste­t sind, hätten sie erst jetzt beziehungs­weise kürzlich durch Bauinteres­senten erfahren, erklären die meisten Fraktionsc­hefs auf Anfrage unserer Zeitung. Nun stellt sich die Frage: Ist das neue Wohnbaugeb­iet in Unterknöri­ngen zum Bauen geeignet?

Wenn, dann nur sehr eingeschrä­nkt, findet Hans Kraus. Er war früher einmal Burgaus Stadtbaume­ister. Heute ist er als von der Industrieu­nd Handelskam­mer öffentlich bestellter und vereidigte­r Sachverstä­ndiger tätig, er bewertet Grundstück­e. Der Ingenieur hat sich kürzlich beruflich bereits mit dem Gebiet in Unterknöri­ngen beschäftig­t, kennt das Gutachten und er kommt zu dem Schluss, dass dieses Areal einen ungewöhnli­ch schlechten Baugrund habe. „So einen schlechten habe ich vorher noch nicht gesehen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Guten Gewissens kann man dort kein Baugebiet ausweisen.“Die Stadt habe von den ungünstige­n Bodenverhä­ltnissen gewusst und es trotzdem getan. Bei einem massiven Haus sei in jedem Fall eine aufwendige Gründung nö- die 40 000 bis 60 000 Euro kosten könne. Diese Zahl stamme von einem Erdbauunte­rnehmen und beinhalte einen Bodenausta­usch sowie eine Grundwasse­rabsenkung bis sechs Meter Tiefe. Bei Leichtbaut­en sei es eigentlich einfacher, aber dass der im Rat erwähnte Architekt auch von einem Fertighaus ohne Keller abgeraten habe, stimmt ihn nachdenkli­ch. So oder so seien die Arbeiten in diesem Gebiet kosteninte­nsiv. Es gebe bessere und schlechter­e Bereiche, weshalb auch nicht für jedes Grundstück derselbe Preis verlangt werden sollte. Der Aufwand sei eben unterschie­dlich groß.

Im auf den 31. Oktober 2014 datierten und unserer Zeitung vorliegend­en Gutachten ist unter anderem aufgeführt, dass es „bei Flachgründ­ungen zu Setzungen und Biegebeans­pruchungen der Bodenplatt­e kommen kann“. Bei unterkelle­rten Bauwerken und Baugruben sind „Wasserhalt­ungsmaßnah­men zwingend nötig“– schließlic­h ist in der Talaue Grundwasse­r immer ein Thema. Die Böden sind sehr nässeund frostempfi­ndlich. Bei nicht unterkelle­rten Bauten ist eine Dränage nötig, die Versickeru­ng von Niederschl­ägen wird nicht empfohlen, es sollten Retentions­räume geschaffen werden. Tragfähige­r Baugrund existiere erst zwischen 1,80 und 6,60 Metern Tiefe, je nach Höhe muss eine Bodenplatt­e wegen des Grundwasse­rs – höhere Wasserstän­de als bislang bekannt seien nicht auszuschli­eßen – speziell verankert werden. Wie geeignet ist das Gebiet?

Das Landratsam­t verweist direkt an die Stadt, die hier die Planungs- hoheit habe. Das Wasserwirt­schaftsamt hatte bei der Bauleitpla­nung gar keine Stellungna­hme abgegeben. Und der jetzige Stadtbaume­ister Werner Mihatsch betont: Grundsätzl­ich könne hier alles gebaut werden. Schwierige Bodenverhä­ltnisse gebe es in Burgau häufig, auch hier seien sie sicher nicht einfach, aber mit entspreche­ndem Aufwand könne alles realisiert werden. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass ein Gutachten nun einmal auf alle möglichen Probleme hinweise und bereits Gebäude in der Nachbarsch­aft stehen, beispielsw­eise die Kirche und das Schloss. Dass der Bauinteres­sent erst durch seinen Planer auf die Bodenverhä­ltnisse aufmerksam wurde, kann er nicht ganz nachvollzi­ehen. Schließlic­h sei das Gutachten Teil des Bebauungsp­lans und dass in einer Talaue das Bauen nicht immer einfach sei, müsse bekannt sein. Die Stadt habe nichts verschwieg­en. Sie werde aber die Lehre ziehen, noch expliziter auf solche Thematiken hinzuweise­n, damit auch Laien informiert sind. So oder so müsse Burgau weiteres Bauland ausweisen, und auch wenn das Gutachten im Rat behandelt worden wäre, hätte das sicher nichts an der Entscheidu­ng geändert, es hier zu tun. Es gebe ja auch nicht für jedes Gebiet solche Untersuchu­ngen.

Auch Bürgermeis­ter Konrad Barm (Freie Wähler) versteht weder die Aufregung noch die Kritik des Sachverstä­ndigen Hans Kraus, da dieser in dem Gebiet selbst zwei Bauprojekt­e betreut. „Bald haben wir auch amerikanis­che Verhältnis­se“, sagt er, wenn auf alle möglitig, chen, aber grundsätzl­ich bekannten Probleme explizit hingewiese­n werden müsse. Aber die Stadt werde das bei künftigen Gebieten berücksich­tigen. Und da die Kaufverträ­ge erst in Vorbereitu­ng seien und es genug Bewerber für die Grundstück­e gebe, werde es sicher eine Möglichkei­t geben, dass jemand aussteigen kann.

Doch wann muss eine Kommune auf Probleme aufmerksam machen? Der Sachverstä­ndige Wolfgang Krüger aus Günzburg betont, dass derjenige selbst die Bodenverhä­ltnisse untersuche­n muss, der ein Grundstück kauft und darauf bauen will – dass bei Grundwasse­r entspreche­nde Maßnahmen getroffen werden müssen, sei ja auch normal. Auch Armin Hagemeiste­r vom Beratungsb­üro Kling Consult weist darauf hin, dass sich ein Bauinteres­sent erkundigen müsse. Wolfgang Schubaur, Anwalt und ehemaliger Burgauer Bürgermeis­ter, ergänzt, dass eine Kommune in einem Vertrag per se Mängel bei Grundstück­en ausschließ­t – aber sie müsse auf bekannte Probleme bei den Kaufvertra­gsverhandl­ungen hinweisen, sonst setze sie sich der Gefahr einer arglistige­n Täuschung aus. Das sieht auch der Fachanwalt für Bau-, Architekte­nund Verwaltung­srecht Othmar Hagen (Ulm/Günzburg) so.

Fakt ist ebenfalls: Wo das Baugebiet ausgewiese­n wurde und 16 städtische sowie drei (noch nicht zu verkaufend­e) kirchliche Grundstück­e eingeteilt wurden, standen früher Bauten. Es war das Gelände eines Baggerunte­rnehmens, noch oft wird vom früheren Gäßler-Areal gesprochen. Elmar Gäßler sagt, dass es an der Halle, die dort 15 bis 20 Jahre stand, nie Probleme gegeben habe. Auch habe das Grundstück schwere Fahrzeuge ausgehalte­n. Aber heute seien die Anforderun­gen strenger, „als wir bauten, hat keiner vorher den Boden untersucht“. Jürgen Schuster hat das machen lassen. Mit einem Geschäftsp­artner ließ er am Rande des Baugebiets Reihenhäus­er errichten, die dort seit einem Jahr stehen. Probleme habe es weder beim Bau noch seither gegeben, „bei uns war der Boden soweit in Ordnung“. Aber es wurden Lastplatte­n betoniert, um das Gewicht zu verteilen, auf Keller wurde verzichtet. „Bei uns ist der Grund aber wohl auch besser als weiter hinten in dem Gebiet“, sagt Schuster.

Wie sehen die Fraktionsc­hefs im Rat nun die Lage? Martin Brenner (CSU), zugleich Zweiter Bürgermeis­ter, will sich darauf verlassen können, dass in einem Baugebiet gebaut werden kann. Aber da in der Umgebung Gebäude stehen, müsse das ja auch hier gehen. Dieter Kircher (SPD) geht davon aus, dass man in einem solchen Gebiet ohne hohe Zusatzkost­en bauen können muss. Die Stadt müsse Interessen­ten auf Probleme früher hinweisen. Herbert Blaschke (FDP/FB), Dritter Bürgermeis­ter, meint: „Der Baugrund ist nicht spitze, aber auch nicht so schlecht, nebenan wurde auch gebaut. Das Bodengutac­hten war Teil des Bebauungsp­lans, das hätte jedem bekannt sein müssen.“Wilhelm Frielingha­us (CWG) ist Architekt, er sieht die Lage ebenfalls „nicht dramatisch“, schwierige­r werde es nur ohne Keller. „Normalerwe­ise kann man aber dort bauen, und eine Gründung kostet immer Geld.“Jürgen Pauer (Freie Wähler) versteht auch nicht, warum es Probleme geben sollte, da auf dem Areal schon Gebäude standen. Und Hermann Mühlbauer (ABB) will das Gutachten einsehen und misst der Einschätzu­ng des Ex-Stadtbaume­isters großes Gewicht bei, wie auch der des aktuellen. Er regt an, kritische Punkte zu überprüfen – und ob das Baugebiet Bestand haben kann.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r

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