Ist das Baugebiet zum Bauen geeignet?
Entwicklung Die Bodenverhältnisse im neuen Areal im Burgauer Stadtteil Unterknöringen sind nicht einfach. Die einen halten sie für zu schwierig. Doch die anderen finden die Kritik überzogen
Das neue, bereits erschlossene Baugebiet im Burgauer Stadtteil Unterknöringen an der Von-Freyberg-Straße hat einige Vorzüge. Da wäre die Lage zwischen Kirche und Schloss, die relative Nähe zur Kernstadt und vor allem der Grundstückspreis – 97 Euro sind es für den Quadratmeter. Weniger attraktiv ist die zu sehende und vor allem zu hörende Autobahn. Wie nun kürzlich im Stadtrat bekannt wurde, ist das allerdings nicht das einzige Manko. Ratsmitglied Manfred Hammerschmidt (CSU) berichtete, dass ein Bauinteressent aus allen Wolken gefallen sei, als ihn der beauftragte Architekt davor gewarnt habe, dort ein Fertighaus zu bauen. Die Bodenqualität sei einfach zu schlecht. Das wiederum überraschte viele Ratsmitglieder. Davon und dass es gar ein Gutachten im Auftrag der Stadt gibt, in dem die schwierigen Grundverhältnisse aufgelistet sind, hätten sie erst jetzt beziehungsweise kürzlich durch Bauinteressenten erfahren, erklären die meisten Fraktionschefs auf Anfrage unserer Zeitung. Nun stellt sich die Frage: Ist das neue Wohnbaugebiet in Unterknöringen zum Bauen geeignet?
Wenn, dann nur sehr eingeschränkt, findet Hans Kraus. Er war früher einmal Burgaus Stadtbaumeister. Heute ist er als von der Industrieund Handelskammer öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger tätig, er bewertet Grundstücke. Der Ingenieur hat sich kürzlich beruflich bereits mit dem Gebiet in Unterknöringen beschäftigt, kennt das Gutachten und er kommt zu dem Schluss, dass dieses Areal einen ungewöhnlich schlechten Baugrund habe. „So einen schlechten habe ich vorher noch nicht gesehen“, sagt er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Guten Gewissens kann man dort kein Baugebiet ausweisen.“Die Stadt habe von den ungünstigen Bodenverhältnissen gewusst und es trotzdem getan. Bei einem massiven Haus sei in jedem Fall eine aufwendige Gründung nö- die 40 000 bis 60 000 Euro kosten könne. Diese Zahl stamme von einem Erdbauunternehmen und beinhalte einen Bodenaustausch sowie eine Grundwasserabsenkung bis sechs Meter Tiefe. Bei Leichtbauten sei es eigentlich einfacher, aber dass der im Rat erwähnte Architekt auch von einem Fertighaus ohne Keller abgeraten habe, stimmt ihn nachdenklich. So oder so seien die Arbeiten in diesem Gebiet kostenintensiv. Es gebe bessere und schlechtere Bereiche, weshalb auch nicht für jedes Grundstück derselbe Preis verlangt werden sollte. Der Aufwand sei eben unterschiedlich groß.
Im auf den 31. Oktober 2014 datierten und unserer Zeitung vorliegenden Gutachten ist unter anderem aufgeführt, dass es „bei Flachgründungen zu Setzungen und Biegebeanspruchungen der Bodenplatte kommen kann“. Bei unterkellerten Bauwerken und Baugruben sind „Wasserhaltungsmaßnahmen zwingend nötig“– schließlich ist in der Talaue Grundwasser immer ein Thema. Die Böden sind sehr nässeund frostempfindlich. Bei nicht unterkellerten Bauten ist eine Dränage nötig, die Versickerung von Niederschlägen wird nicht empfohlen, es sollten Retentionsräume geschaffen werden. Tragfähiger Baugrund existiere erst zwischen 1,80 und 6,60 Metern Tiefe, je nach Höhe muss eine Bodenplatte wegen des Grundwassers – höhere Wasserstände als bislang bekannt seien nicht auszuschließen – speziell verankert werden. Wie geeignet ist das Gebiet?
Das Landratsamt verweist direkt an die Stadt, die hier die Planungs- hoheit habe. Das Wasserwirtschaftsamt hatte bei der Bauleitplanung gar keine Stellungnahme abgegeben. Und der jetzige Stadtbaumeister Werner Mihatsch betont: Grundsätzlich könne hier alles gebaut werden. Schwierige Bodenverhältnisse gebe es in Burgau häufig, auch hier seien sie sicher nicht einfach, aber mit entsprechendem Aufwand könne alles realisiert werden. Es dürfe nicht außer Acht gelassen werden, dass ein Gutachten nun einmal auf alle möglichen Probleme hinweise und bereits Gebäude in der Nachbarschaft stehen, beispielsweise die Kirche und das Schloss. Dass der Bauinteressent erst durch seinen Planer auf die Bodenverhältnisse aufmerksam wurde, kann er nicht ganz nachvollziehen. Schließlich sei das Gutachten Teil des Bebauungsplans und dass in einer Talaue das Bauen nicht immer einfach sei, müsse bekannt sein. Die Stadt habe nichts verschwiegen. Sie werde aber die Lehre ziehen, noch expliziter auf solche Thematiken hinzuweisen, damit auch Laien informiert sind. So oder so müsse Burgau weiteres Bauland ausweisen, und auch wenn das Gutachten im Rat behandelt worden wäre, hätte das sicher nichts an der Entscheidung geändert, es hier zu tun. Es gebe ja auch nicht für jedes Gebiet solche Untersuchungen.
Auch Bürgermeister Konrad Barm (Freie Wähler) versteht weder die Aufregung noch die Kritik des Sachverständigen Hans Kraus, da dieser in dem Gebiet selbst zwei Bauprojekte betreut. „Bald haben wir auch amerikanische Verhältnisse“, sagt er, wenn auf alle möglitig, chen, aber grundsätzlich bekannten Probleme explizit hingewiesen werden müsse. Aber die Stadt werde das bei künftigen Gebieten berücksichtigen. Und da die Kaufverträge erst in Vorbereitung seien und es genug Bewerber für die Grundstücke gebe, werde es sicher eine Möglichkeit geben, dass jemand aussteigen kann.
Doch wann muss eine Kommune auf Probleme aufmerksam machen? Der Sachverständige Wolfgang Krüger aus Günzburg betont, dass derjenige selbst die Bodenverhältnisse untersuchen muss, der ein Grundstück kauft und darauf bauen will – dass bei Grundwasser entsprechende Maßnahmen getroffen werden müssen, sei ja auch normal. Auch Armin Hagemeister vom Beratungsbüro Kling Consult weist darauf hin, dass sich ein Bauinteressent erkundigen müsse. Wolfgang Schubaur, Anwalt und ehemaliger Burgauer Bürgermeister, ergänzt, dass eine Kommune in einem Vertrag per se Mängel bei Grundstücken ausschließt – aber sie müsse auf bekannte Probleme bei den Kaufvertragsverhandlungen hinweisen, sonst setze sie sich der Gefahr einer arglistigen Täuschung aus. Das sieht auch der Fachanwalt für Bau-, Architektenund Verwaltungsrecht Othmar Hagen (Ulm/Günzburg) so.
Fakt ist ebenfalls: Wo das Baugebiet ausgewiesen wurde und 16 städtische sowie drei (noch nicht zu verkaufende) kirchliche Grundstücke eingeteilt wurden, standen früher Bauten. Es war das Gelände eines Baggerunternehmens, noch oft wird vom früheren Gäßler-Areal gesprochen. Elmar Gäßler sagt, dass es an der Halle, die dort 15 bis 20 Jahre stand, nie Probleme gegeben habe. Auch habe das Grundstück schwere Fahrzeuge ausgehalten. Aber heute seien die Anforderungen strenger, „als wir bauten, hat keiner vorher den Boden untersucht“. Jürgen Schuster hat das machen lassen. Mit einem Geschäftspartner ließ er am Rande des Baugebiets Reihenhäuser errichten, die dort seit einem Jahr stehen. Probleme habe es weder beim Bau noch seither gegeben, „bei uns war der Boden soweit in Ordnung“. Aber es wurden Lastplatten betoniert, um das Gewicht zu verteilen, auf Keller wurde verzichtet. „Bei uns ist der Grund aber wohl auch besser als weiter hinten in dem Gebiet“, sagt Schuster.
Wie sehen die Fraktionschefs im Rat nun die Lage? Martin Brenner (CSU), zugleich Zweiter Bürgermeister, will sich darauf verlassen können, dass in einem Baugebiet gebaut werden kann. Aber da in der Umgebung Gebäude stehen, müsse das ja auch hier gehen. Dieter Kircher (SPD) geht davon aus, dass man in einem solchen Gebiet ohne hohe Zusatzkosten bauen können muss. Die Stadt müsse Interessenten auf Probleme früher hinweisen. Herbert Blaschke (FDP/FB), Dritter Bürgermeister, meint: „Der Baugrund ist nicht spitze, aber auch nicht so schlecht, nebenan wurde auch gebaut. Das Bodengutachten war Teil des Bebauungsplans, das hätte jedem bekannt sein müssen.“Wilhelm Frielinghaus (CWG) ist Architekt, er sieht die Lage ebenfalls „nicht dramatisch“, schwieriger werde es nur ohne Keller. „Normalerweise kann man aber dort bauen, und eine Gründung kostet immer Geld.“Jürgen Pauer (Freie Wähler) versteht auch nicht, warum es Probleme geben sollte, da auf dem Areal schon Gebäude standen. Und Hermann Mühlbauer (ABB) will das Gutachten einsehen und misst der Einschätzung des Ex-Stadtbaumeisters großes Gewicht bei, wie auch der des aktuellen. Er regt an, kritische Punkte zu überprüfen – und ob das Baugebiet Bestand haben kann.