Die Frage der Woche Gefärbte Eier kaufen?
Wenig hat in unserer Konsumgesellschaft ein höheres Ansehen als das Selbstgemachte. Es ist ein Ausweis von Hingabe, Individualität, Qualität, Achtsamkeit. Wer Selbstgemachtes verschenkt, steht zwischenmenschlich betrachtet auf der höchsten Stufe. Basteln ist zu einer Art charmanter Liebeserklärung an die Welt geworden – Entzücken garantiert. Selbst gestrickte Mütze? Toll! Selbst gebackenes Brot? Lecker! Ostereier färben gehört in diesen Kosmos der Wertschätzung, mit der auch ein heroischer Gegenentwurf zur Verknechtung des dumpfen Fertigproduktkonsumenten gewürdigt wird. Man kennt das vom Plätzchenbacken an Weihnachten, das wahrscheinlich noch stärker als das einzig Wahre glorifiziert wird. Die Eierbemalung in der Heimwerkstatt ist dagegen nur ein Vintage-Erlebnis zweiter Klasse. Wer seine bunten Ostereier im Supermarkt kauft, geht pragmatisch vor und nutzt die Vorteile der arbeitsteiligen Gesellschaft. Kein Gedöns mit Naturfarben, irgendwelchen Bädern in Töpfen, winzig gedruckten Gebrauchsanweisungen, Farblaugen, die man dann ins Klo schüttet… Die Farblasuren der Fertigbunteier sind verlässlich wunderschön, man staunt, welche edlen Marmorierungen und welche Farbauswahl es gibt. Ostereier sind auch nichts anderes als Überraschungseier und Schokoladenhasen: es gibt sie im Laden perfekt nestfertig zum Verstecken.
Ach ja: die angebliche Gesundheitsgefahr, die in industriell gefärbten Ostereiern lauern soll. Krebs! Wie viele Ostereier isst der Mensch? Fünf? Elf? Solange die Bastler die Eier nicht selbst legen, die sie dann achtsam hart kochen und mit natürlichsten Farben auf das Sanfteste färben, sieht der Pragmatiker, der seine Ostereier ja auch nicht mit Schale verputzt, keinen Unterschied.
Sehen sie nicht prima aus, die rot, blau, grün gefärbten Supermarkt-Eier, wie sie fein säuberlich in der Schachtel liegen, umgeben von Milchkarton und Sahnebecher? Wie gleichmäßig sie bemalt sind, kein Tupfer zu viel, kein Strich vergebens. So viel Perfektion, so viel Einheitsei, so viel Langeweile!
Wir Menschen sind schon komisch. Wir klagen, wenn wieder eine Bäckerei pleitegeht. Dabei waren es doch wir, die vorgebackene Billigsemmeln lieber vom Discounter nebenan geholt haben. Wir beschweren uns, wenn der einzige Metzger im Ort zumacht. Dabei waren es doch wir, die das in Folie gepackte Stück Putenfleisch lieber aus dem Tiefkühlfach eines Supermarkts gekramt haben. Überlassen wir nun auch das gefärbte Ei dem Kommerz? Bitte nicht!
Das Eierbemalen zu Ostern hat eine jahrhundertelange Tradition. Schon im Mittelalter ist diese Praxis bezeugt. Bis heute gelten bunte Ostereier im Christentum als Sinnbild des Lebens.
Das Leben ist vielfältig, genauso wie selbst gefärbte Eier. Kein Pinselstrich gleicht dem nächsten. Jeder Tupfer steht für sich. Heraus kommen nicht immer gelungene Eier. Mal verläuft die Farbe, mal blitzt die weiße Schale hervor. Und doch ist jedes einzelne Ei etwas Besonderes. Kein x-beliebiges Industrieprodukt, sondern etwas wahrlich Einzigartiges.
Es sind nicht gefärbte Eier vom Supermarkt, die beim Ostergottesdienst Eindruck schinden. Die sehen alle gleich perfekt aus. Es sind die liebevoll bemalten, mit Schmetterlingen und Smileys, Sternen und Kreisen verzierten, selbst gestalteten Eier, die überraschen. Mit so viel Kreativität können Maschinen nie mithalten. Lasst uns diese Vielfalt nicht aufgeben!