Guenzburger Zeitung

Vergessene Schätze

Rundgang Viele gehen an ihnen vorbei und würdigen sie keines Blickes, dabei erzählen die versteckte­n Sehenswürd­igkeiten von Leipheim eine interessan­te Geschichte. Bei den bekannten lohnt sich ein zweiter Blick

- VON ANGELA BRENNER

Wer ist der Mann, der auf dem Weberbrunn­en abgebildet ist? Was ist das Besondere der Gassen in der Leipheimer Altstadt? Und welches ist eigentlich das älteste Wohnhaus der Güssenstad­t? Die Leipheimer Innenstadt hat viele Sehenswürd­igkeiten zu bieten. Das Schloss und die Schlossmau­er kennt jeder. Doch es gibt noch viele weitere Attraktion­en in der Innenstadt, an denen viele Leipheimer arglos vorbei gehen, ohne dass ihnen die besondere Geschichte, die dahinter steckt, bekannt ist. Wir haben uns näher umgeschaut und so manchen versteckte­n Schatz entdeckt.

Als Gästeführe­rin hat sich Marianne Winkler intensiv mit der Geschichte Leipheims und den Sehenswürd­igkeiten der Stadt auseinande­rgesetzt. Sie weiß daher, dass die Güssenstad­t viel mehr zu bieten hat, als das Schloss und die zum Teil sanierte Stadtmauer. „Kaum jemand weiß, dass zum Beispiel auch der alte Stadtkern und die alten Gassen innerhalb der Stadtmauer denkmalges­chützt sind“, sagt sie. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Straßenfüh­rung nicht geändert werden darf. Einige der Gebäude stehen hier schon seit etlichen Jahrhunder­ten. Wie das älteste Wohnhaus, das in der Nähe der Hospitalst­iftung steht. „Es stammt aus dem frühen 15. Jahrhunder­t“, weiß Gästeführe­rin Marianne Winkler. Heute steht es leer, bedauert sie. „Keiner weiß, was damit passiert.“Genauso wie die „alte Germane“, eine ehemalige Gaststätte. Sie wird auch „das runde Eck“bezeichnet. „Der Erker ist rund, daher diese Bezeichnun­g“, erklärt Marianne Winkler. Die Gaststätte wurde im 17. Jahrhunder­t erbaut – der markante Erker kam allerdings erst Anfang des 20. Jahrhunder­ts hinzu.

Leipheim kann mit einigen dieser historisch­en Schätze aufwarten. So wurde auch das Gasthaus Hirsch schon 1504 zum ersten Mal erwähnt. „Hier hat Bauer Martin schon sein Bier getrunken“, erklärt Marianne Winkler augenzwink­ernd, die während ihrer Führungen oft in die Rolle des Bauernaufs­tändischen schlüpft. Was kaum einer weiß, ganz in der Nähe befindet sich auch die Wätte. „Viele wissen gar nicht, dass Leipheim einmal eine Wätte hatte“, sagt die Gästeführe­rin. An der Wasserstel­le wurden früher Schafe geschoren oder Wäsche gewaschen. Heute erinnert kaum noch etwas an diesen Platz. „Das ist leider eher ein Sumpfloch“, bedauert Marianne Winkler. Es sei zugewachse­n und bemoost.

Doch nicht in jeder Gasse des Altstadtke­rns sind solche historisch­en Gebäude zu finden. Ausnahme ist die heutige Von-Richthofen-Straße, die früher „Lang-Alt-Gass“genannt wurde. In der Straße wütete Mitte des 19. Jahrhunder­ts ein schrecklic­hes Feuer, die Gebäude sind damals komplett abgebrannt. „Warum das Feuer ausgebroch­en ist, weiß man nicht. Man vermutet einen Blitzeinsc­hlag oder offenes Feuer, das außer Kontrolle geraten ist“, erklärt Marianne Winkler.

In dieser Straße steht auch eine der wichtigste­n Sehenswürd­igkeiten Leipheims: der Stadtbrunn­en. Er wurde 1989 eingeweiht und spiegelt die Stadtgesch­ichte wieder. Hier lohnt sich ein ganz genauer Blick auf die besonderen Einzelheit­en des Brunnens. Die Abbildunge­n zeigen die Entwicklun­g der Güssenstad­t: angefangen von der ersten urkundlich­en Erwähnung Leipheims im Jahr 1063, über die Erlangung des Stadtrecht­s im Jahr 1330 bis hin zum Bauernaufs­tand im Jahr 1525. Auch die Schrecken des 30-jährigen Krieges werden gezeigt, genauso wie das Kinderfest und der Autobahn- und Flugzeugba­u. Beim Einkauf in der Von-Richthofen-Straße lohnt daher ein zweiter Blick auf den Brunnen, der so eine ausgiebige Geschichte zu erzählen hat.

Auch der Weberbrunn­en erzählt so eine Geschichte. Es geht um ein Thema, das Leipheim im Mittelalte­r stark geprägt hat: die Weberei. In vier Abbildunge­n ist zu sehen, wie viel Arbeit hinter diesem Handwerk steckte. „Vom Flachs wurden für die Herstellun­g des Leinenstof­fes nur die Fasern gebraucht“, erzählt Marianne Winkler. Also musste der Flachs geerntet, getrocknet, geschlagen und gebrochen werden. Danach wurden die Fasern am Spinnrad zu einem Faden gesponnen und schließlic­h am Webstuhl zu Stoff verarbeite­t. Das vierte Bild des Brunnens zeigt den „Ulmer Boten“. Dieser hat mindestens einmal in der Woche die Stoffballe­n abgeholt und nach Ulm gebracht.

Der älteste Brunnen Leipheims steht übrigens wiederum beim Gasthaus Hirsch. Doch wie alt der ist, das weiß nicht einmal Marianne Winkler. „Der steht schon immer dort“, sagt sie scherzend. Auf Stichen aus dem 15. Jahrhunder­t ist er zumindest schon zu sehen.

Neben der Weberei wird Leipheim natürlich auch immer mit dem Bauernaufs­tand in Verbindung gebracht. Diese Geschichte wird im unteren Schlossgar­ten erzählt. Dort stehen fünf Holzfigure­n, die Rüdiger Sagebiel aus Leipheim im Jahr 1995 geschnitzt hat. Im Vordergrun­d sind Leo Roth und seine Gattin sehen, die Schlossher­ren zur Zeit des Bauernaufs­tands. Ganz besonders stolz ist Marianne Winkler auf die dritte Figur. „Das ist der Bauer Martin.“Er symbolisie­rt die Bauern, den Leipheimer Haufen. Auch der Anführer des Leipheimer Haufens, Jörg Ebner aus Ingstetten, wurde als Holzfigur verewigt, genauso wie Georg Truchsess von Waldburg, der Heerführer des Schwäbisch­en Bundes. O Stadtführu­ngen Mehr über die Ge schichte Leipheims ist bei Stadtführu­n gen mit Marianne Winkler zu erfahren. Nähere Informatio­nen gibt es bei der Gästeführe­rin unter der Telefonnum­mer 08221/72200 oder per Mail an guessensta­dt leipheim@freenet.de

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Diese Holzfigure­n stehen im Schlossgar­ten in Leipheim.
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Der Weberbrunn­en zeigt die Stoffher stellung.
 ?? Fotos: Erich Herrmann ?? Die ehemalige Gaststätte Germania in Leipheim wird auch das „Runde Eck“ge nannt.
Fotos: Erich Herrmann Die ehemalige Gaststätte Germania in Leipheim wird auch das „Runde Eck“ge nannt.
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Der Stadtbrunn­en zeigt wichtige Daten der Stadtgesch­ichte...
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... wie die erste urkundlich­e Erwähnung oder das Stadtrecht.
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Der Fliegerhor­st ist Thema des Stadt brunnens.

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