Vergessene Schätze
Rundgang Viele gehen an ihnen vorbei und würdigen sie keines Blickes, dabei erzählen die versteckten Sehenswürdigkeiten von Leipheim eine interessante Geschichte. Bei den bekannten lohnt sich ein zweiter Blick
Wer ist der Mann, der auf dem Weberbrunnen abgebildet ist? Was ist das Besondere der Gassen in der Leipheimer Altstadt? Und welches ist eigentlich das älteste Wohnhaus der Güssenstadt? Die Leipheimer Innenstadt hat viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Das Schloss und die Schlossmauer kennt jeder. Doch es gibt noch viele weitere Attraktionen in der Innenstadt, an denen viele Leipheimer arglos vorbei gehen, ohne dass ihnen die besondere Geschichte, die dahinter steckt, bekannt ist. Wir haben uns näher umgeschaut und so manchen versteckten Schatz entdeckt.
Als Gästeführerin hat sich Marianne Winkler intensiv mit der Geschichte Leipheims und den Sehenswürdigkeiten der Stadt auseinandergesetzt. Sie weiß daher, dass die Güssenstadt viel mehr zu bieten hat, als das Schloss und die zum Teil sanierte Stadtmauer. „Kaum jemand weiß, dass zum Beispiel auch der alte Stadtkern und die alten Gassen innerhalb der Stadtmauer denkmalgeschützt sind“, sagt sie. Das bedeutet zum Beispiel, dass die Straßenführung nicht geändert werden darf. Einige der Gebäude stehen hier schon seit etlichen Jahrhunderten. Wie das älteste Wohnhaus, das in der Nähe der Hospitalstiftung steht. „Es stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert“, weiß Gästeführerin Marianne Winkler. Heute steht es leer, bedauert sie. „Keiner weiß, was damit passiert.“Genauso wie die „alte Germane“, eine ehemalige Gaststätte. Sie wird auch „das runde Eck“bezeichnet. „Der Erker ist rund, daher diese Bezeichnung“, erklärt Marianne Winkler. Die Gaststätte wurde im 17. Jahrhundert erbaut – der markante Erker kam allerdings erst Anfang des 20. Jahrhunderts hinzu.
Leipheim kann mit einigen dieser historischen Schätze aufwarten. So wurde auch das Gasthaus Hirsch schon 1504 zum ersten Mal erwähnt. „Hier hat Bauer Martin schon sein Bier getrunken“, erklärt Marianne Winkler augenzwinkernd, die während ihrer Führungen oft in die Rolle des Bauernaufständischen schlüpft. Was kaum einer weiß, ganz in der Nähe befindet sich auch die Wätte. „Viele wissen gar nicht, dass Leipheim einmal eine Wätte hatte“, sagt die Gästeführerin. An der Wasserstelle wurden früher Schafe geschoren oder Wäsche gewaschen. Heute erinnert kaum noch etwas an diesen Platz. „Das ist leider eher ein Sumpfloch“, bedauert Marianne Winkler. Es sei zugewachsen und bemoost.
Doch nicht in jeder Gasse des Altstadtkerns sind solche historischen Gebäude zu finden. Ausnahme ist die heutige Von-Richthofen-Straße, die früher „Lang-Alt-Gass“genannt wurde. In der Straße wütete Mitte des 19. Jahrhunderts ein schreckliches Feuer, die Gebäude sind damals komplett abgebrannt. „Warum das Feuer ausgebrochen ist, weiß man nicht. Man vermutet einen Blitzeinschlag oder offenes Feuer, das außer Kontrolle geraten ist“, erklärt Marianne Winkler.
In dieser Straße steht auch eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Leipheims: der Stadtbrunnen. Er wurde 1989 eingeweiht und spiegelt die Stadtgeschichte wieder. Hier lohnt sich ein ganz genauer Blick auf die besonderen Einzelheiten des Brunnens. Die Abbildungen zeigen die Entwicklung der Güssenstadt: angefangen von der ersten urkundlichen Erwähnung Leipheims im Jahr 1063, über die Erlangung des Stadtrechts im Jahr 1330 bis hin zum Bauernaufstand im Jahr 1525. Auch die Schrecken des 30-jährigen Krieges werden gezeigt, genauso wie das Kinderfest und der Autobahn- und Flugzeugbau. Beim Einkauf in der Von-Richthofen-Straße lohnt daher ein zweiter Blick auf den Brunnen, der so eine ausgiebige Geschichte zu erzählen hat.
Auch der Weberbrunnen erzählt so eine Geschichte. Es geht um ein Thema, das Leipheim im Mittelalter stark geprägt hat: die Weberei. In vier Abbildungen ist zu sehen, wie viel Arbeit hinter diesem Handwerk steckte. „Vom Flachs wurden für die Herstellung des Leinenstoffes nur die Fasern gebraucht“, erzählt Marianne Winkler. Also musste der Flachs geerntet, getrocknet, geschlagen und gebrochen werden. Danach wurden die Fasern am Spinnrad zu einem Faden gesponnen und schließlich am Webstuhl zu Stoff verarbeitet. Das vierte Bild des Brunnens zeigt den „Ulmer Boten“. Dieser hat mindestens einmal in der Woche die Stoffballen abgeholt und nach Ulm gebracht.
Der älteste Brunnen Leipheims steht übrigens wiederum beim Gasthaus Hirsch. Doch wie alt der ist, das weiß nicht einmal Marianne Winkler. „Der steht schon immer dort“, sagt sie scherzend. Auf Stichen aus dem 15. Jahrhundert ist er zumindest schon zu sehen.
Neben der Weberei wird Leipheim natürlich auch immer mit dem Bauernaufstand in Verbindung gebracht. Diese Geschichte wird im unteren Schlossgarten erzählt. Dort stehen fünf Holzfiguren, die Rüdiger Sagebiel aus Leipheim im Jahr 1995 geschnitzt hat. Im Vordergrund sind Leo Roth und seine Gattin sehen, die Schlossherren zur Zeit des Bauernaufstands. Ganz besonders stolz ist Marianne Winkler auf die dritte Figur. „Das ist der Bauer Martin.“Er symbolisiert die Bauern, den Leipheimer Haufen. Auch der Anführer des Leipheimer Haufens, Jörg Ebner aus Ingstetten, wurde als Holzfigur verewigt, genauso wie Georg Truchsess von Waldburg, der Heerführer des Schwäbischen Bundes. O Stadtführungen Mehr über die Ge schichte Leipheims ist bei Stadtführun gen mit Marianne Winkler zu erfahren. Nähere Informationen gibt es bei der Gästeführerin unter der Telefonnummer 08221/72200 oder per Mail an guessenstadt leipheim@freenet.de