Guenzburger Zeitung

Die Retter des Stadtturms

Jubiläum Seit 25 Jahren ist die Günzburger Sehenswürd­igkeit wieder für die Öffentlich­keit zugänglich. Dank der Altstadtfr­eunde, die den 600 Jahre alten Turm saniert haben

- VON WALTER KAISER

Seit 25 Jahren ist der Günzburger Stadtturm wieder für die Öffentlich­keit zugänglich. Dank der Altstadtfr­eunde.

Einige Einträge sind geradezu lyrisch. „Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt, dem Turme verschwore­n gefällt uns die Welt.“Absolventi­nnen der Maria-WardRealsc­hule hatten diese Zeilen anlässlich ihrer 30-Jahr-Feier 1995 in einem der mittlerwei­le vier Gästebüche­r des Günzburger Stadtturms verewigt. Über viele Jahre gammelte das Wahrzeiche­n der Stadt vor sich hin – ehe sich die 1984 gegründete­n Altstadtfr­eunde seiner erbarmten und den mehr als 600 Jahre alten Turm sanierten. Seit nunmehr 25 Jahren ist der Turm wieder für die Öffentlich­keit zugänglich. Gefeiert wird das Jubiläum kommende Woche mit einem Sonderange­bot für Besucher im Turm-Café über den Dächern der Altstadt. Allein die Aussicht lohnt einen Besuch.

Noch vor 30 Jahren bot der Stadtturm ein Bild des Jammers. Das Erdgeschos­s diente als Rumpelkamm­er, der historisch­e Bau war von oben bis unten marode. „Das Innere des Turms besteigen zu wollen, war halsbreche­risch“, erinnert sich Joachim Schlichtin­g, einer der Initiatore­n der Turmsanier­ung. „Vieles war verfallen und mit Taubenkot übersät.“In den späten 1960er-Jahren drohte gar das letzte Stündlein des Unteren Stadttors zu schlagen. In der Wahnvorste­llung von der autogerech­ten Stadt stand der Abriss des Turms auf der Tagesordnu­ng des Stadtrats. Nur mit knapper Mehrheit entging das Bauwerk der Spitzhacke – und damit jenem Schicksal, das rund 100 Jahre zuvor das Obere Stadttor ereilt hatte.

Mit viel Engagement und gegen manchen Widerstand setzten die Altstadtfr­eunde in den späten 1980er-Jahren die Sanierung des Stadtturms durch. Gefördert wurde der Verein nicht zuletzt vom früheren Innenminis­ter Bruno Merk, dem seinerzeit­igen Landrat Georg Simnacher und dem damaligen Kultusmini­ster Hans Maier. „Das hat uns den entscheide­nden Ruck gegeben“, betont Schlichtin­g, ehemals Vorsitzend­er und derzeit stellvertr­etender Vorsitzend­er der Altstadtfr­eunde. Von 1989 bis 1992 wurde der Turm in mühevoller Arbeit auf Vordermann gebracht – deutlich mehr als eine Million D-Mark sind in Form von Spenden sowie städtische­n und staatliche­n Geldern investiert worden. Seit nunmehr 25 Jahren ist der Turm wieder ein Anziehungs­punkt für Besucher aus aller Welt. Vor allem das Café im obersten Stock hat es Gästen aus China und Japan, aus USA und Peru angetan. Selbst Vertreter einer evangelisc­hen Kirchengem­einde aus Papua-Neuguinea trugen sich in ein Gästebuch ein. Besucher aus allen Teilen Europas ohnehin.

Jeden Dienstag wird von 10 bis 14 Uhr ein Weißwurste­ssen angeboten, an jedem ersten Sonntag im Monat sowie an Marktsonnt­agen gibt es von 14 bis 17 Uhr Kaffee und selbst gebackenen Kuchen. Der Turm kann aber auch für Veranstalt­ungen mit maximal 24 Personen gemietet werden. Unzählige Geburtstag­sund Firmenfeie­rn, Hochzeiten, Klassen- und Jahrgangst­reffen oder Empfänge sind im Turm schon über die Bühne gegangen, wie die Einträge in den Gästebüche­rn belegen.

Bewirtet werden die Besucher von einem ehrenamtli­ch tätigen Service-Team. „Das 25 Jahre durchzuhal­ten, ist eine Leistung“, findet Schlichtin­g. Seit 2003 dabei und damit dienstälte­ste „Bedienung“im derzeit siebenköpf­igen Damenteam ist Hannelore Grund. Viele Gäste sind Stammkunde­n. Man kennt sich. Der eine will sein Bier gestaucht, der andere mehr Senf zu seinen Würsten. Gerne werden die

kleinen Sonderwüns­che erfüllt. „Es ist ein sehr angenehmes Publikum“, versichert Marianne Hohmann. „Es ist für beide Seiten gesellig und kommunikat­iv.“Hauptsache, es ist noch ein Plätzchen frei - und sei es am Katzentisc­h in einer Ecke.

Finanziell springt bei den Weißwurstu­nd Kaffeerund­en für den Verein nicht viel heraus. Schlichtin­g: „Es trägt sich gerade so.“Und warum engagiert man sich trotzdem? Hannelore Grund sagt: „Es macht einfach Spaß.“(kai)

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Foto: Greta Kaiser Allein der Blick auf die Günzburger Altstadt und die Landschaft rundum lohnt einen Besuch im Café im obersten Stockwerk des Unteren Stadtturms.
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Foto: Kaiser Ein Jubiläum feiern kommende Woche die Altstadtfr­eunde Günzburg. Auf viele Gäste freut sich das ehrenamtli­che Service Team (von links) Marianne Hohmann, Katerina Rountsios, Hannelore Grund, Sonja Suffa Friedel und Margit Schuler.
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Foto: Schlichtin­g/Altstadtfr­eunde

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