Immer schön auf dem Boden bleiben
Im Kloster Roggenburg bekommen rund 150 Schüler realistische Einblicke in Höhen und Tiefen des Künstlerlebens. Ihre Lehrer möchten vor allem eine Botschaft vermitteln
Roggenburg Knapp 40 Jugendliche liegen auf dem Boden, die eine Hand ruht auf dem Bauch, die andere hält ein Notenblatt – und alle singen. Hochkonzentriert wirken die Teilnehmer des Workshops Vokal-Musik bei der Ferienakademie im Kloster Roggenburg. Der Chorleiter Martin Danes begleitet die Sänger auf seinem Keyboard. Als das Musikstück beendet ist, ruft er in die Runde: „Jetzt ist Pause! Das heißt: zwei Tassen Tee mit Honig und nur leise reden!“Es ist der vierte Tag der Akademie. Die Stimme ist heiser, doch die Motivation immer noch groß.
Bereits zum zwölften Mal findet die Ferienakademie statt. Die vom Bildungszentrum gemeinsam mit dem Gymnasium Weißenhorn und dem Bildungsministerium organisierte Veranstaltung bietet jungen, kreativen Menschen die Möglichkeit sich fachlich und persönlich weiterzubilden. Die Workshops unterteilen sich in die Bereiche Bildende Kunst, Musik, Theater und Tanz. 149 Schüler zwischen 14 und 20 Jahren nehmen dieses Jahr teil. Über 250 Jugendliche aus ganz Bayern haben sich dafür beworben.
Zurück im Vokal-Kurs von Martin Danes. Seine eigenen Grenzen zu erfahren ist für den Lehrbeauftragten an der Musikhochschule München ein wichtiger Aspekt seines Kurses: „Singen ist wie Sport – nur im Inneren.“Und wenn man viel singt, dann bekäme man Verspannungen. Daher auch die Übung auf dem Rücken: „Wenn ich entspannt am Boden liege, dann löse ich Verspannungen im Kiefer und kann besser durch den Bauch atmen“, erläutert der Gesangspädagoge. Und wie das Atmen ist auch das Singen Leben, so das Thema des Kurses.
Ein langer Atem wird auch zwei Räume weiter benötigt. „Sehr schön! Tempo halten“, ruft ein Mann in schwarzem Hemd und Jogginghose durch den Raum. Hinter ihm steht eine große Spiegelwand, vor ihm bewegen sich 14 junge Menschen zu einem Klavierstück. Drei stehen in der Mitte des Raumes, um sie herum sind die anderen Jugendlichen im Kreis verteilt. Die Choreografie soll eine Uhr darstellen. „Ich will den jungen Leuten den modernen Tanz näher bringen“, sagt Domenico Strazzeri, der den Workshop leitet. Jeden Tag wird dafür im Schnitt sechs Stunden getanzt. „Das ist ganz schön knackig“, ist der von seinen Performances im Ulmer Stadthaus bekannte Choreograf sicher. Im Vordergrund steht für ihn dennoch der Spaß am Tanzen. Die Schüler sollen ihren eigenen Stil entwickeln. Sie zu einer professionellen Karriere als Tänzer zu bringen, ist für den Ulmer nicht das Ziel der Akademie. „Tanzen ist leider mit viel Schmerz verbunden. Man betreibt Raubbau am eigenen Körper und wenn man nicht für den Tanz brennt, dann sollte man es als Beruf lieber lassen“, sagt Strazzeri aus eigener Erfahrung – er hat selbst bereits sechs Fußoperationen hinter sich. Weniger schmerzhaft geht es beim Malerei-Workshop von Patrick Nicolas zu. Circa zehn Mädchen stehen und sitzen vor Leinwänden und schwingen die Pinsel. Es riecht stark nach Lösungsmittel, doch das scheint die Jugendlichen wenig zu stören. Versunken in ihr künstlerisches Schaffen, sind ihre Blicke auf die Leinwände fokussiert. Nur der Workshop-Leiter schlängelt sich langsam zwischen den Staffeleien und Tischen voller Farben hindurch.
„Das Kreative ist Chaos“, sagt der gebürtige Franzose und lacht. Für ihn ist die Ferienakademie im Kloster Roggenburg ein Fenster, um den Jugendlichen Möglichkeiten zu eröffnen. Dabei sei es weniger wichtig, was für Bilder hinterher präsentiert werden, vielmehr zählt für ihn der kreative Prozess. „Es ist wichtiger, jemand zu sein, als etwas zu haben. Und ich bin lieber Künstler, als dass ich etwas besitze“, sagt Nicolas. Er ist überzeugt, dass die Leidenschaft zur Kunst ihn am Leben erhält – und möchte das, wie die anderen Dozenten an der Ferienakademie, dem Nachwuchs weitergeben.
Abschluss Die Jugendlichen und ihre Workshop Leiter präsentieren heute von 15 bis 17 Uhr ihre Ergebnisse aus fünf Tagen Ferienakademie im Zentrum für Familie, Umwelt und Kultur in Roggen burg.