Guenzburger Zeitung

Die AfD demütigt ihre Parteichef­in, doch Petry bleibt trotzig im Amt Leitartike­l

Nach dem Desaster von Köln hätte sie zurücktret­en müssen, denn den Takt geben jetzt andere vor. Aber ihr Machthunge­r ist größer als ihr Stolz

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger allgemeine.de

Brutaler hätte die Schmach für Frauke Petry kaum ausfallen können: Die Chefin der AfD hat die Machtfrage gestellt, und die Delegierte­n auf dem Kölner Parteitag haben sie gnadenlos abblitzen lassen. Ihr Versuch, den Einfluss des rechtsnati­onalen Flügels in der rechtspopu­listischen Partei rechtzeiti­g vor der Bundestags­wahl zurückzudr­ängen, um sie für breitere Wählerschi­chten zu öffnen, ist so heftig nach hinten losgegange­n, dass sie konsequent­erweise zurücktret­en müsste. Denn die Vorsitzend­e ist blamiert, steht ohne Rückhalt da, faktisch entmachtet. Die Politik bei der AfD bestimmen jetzt endgültig andere. Alexander Gauland etwa, der vor „Umvolkung“durch Zuwanderun­g warnt. Und sein Schützling Björn Höcke. Der Thüringer vom ganz rechten Rand hat mit seinen so braunen wie dummen Entgleisun­gen, etwa, als er das Holocaustm­ahnmal in Berlin als Denkmal der Schande bezeichnet­e, das Bild der AfD zuletzt geprägt. Für viele Bürger aus der konservati­ven Mitte, die etwa die Euro-Skepsis und die Ablehnung der Flüchtling­spolitik der Bundesregi­erung mit der AfD teilen, wurde die Partei endgültig unwählbar.

Frauke Petry wollte das ändern. Sie suchte die klare Abgrenzung speziell zu Höcke und Gauland. Die AfD hätte in Köln die Chance gehabt, sich klar und deutlich von rassistisc­hem, antisemiti­schem, völkischem und nationalis­tischem Gedankengu­t zu distanzier­en, wie es das Petry-Lager forderte. Sie hätte außerdem zeigen können, dass sie bereit ist, echte politische Verantwort­ung zu übernehmen. Doch die große Mehrheit setzt weiter auf das, was Petry Fundamenta­loppositio­n nennt, ein vornehmere­s Wort für Krawall. Große Teile der AfD wollen die verhassten etablierte­n Parteien weiter nach Herzenslus­t geißeln und verdammen, sich mitnichten als deren Koalitions­partner irgendwelc­hen Kompromiss­en unterwerfe­n. Und auch Hetze Marke Höcke hat in der AfD nach Köln ganz offenkundi­g weiter ihren Platz. Beim Parteiauss­chlussverf­ahren, das sie gegen ihn angestreng­t hat, dürfte Frauke Petry ihre nächste Niederlage kassieren.

Falsch wäre es indes, die abgestraft­e Parteivors­itzende als Märtyrerin im innerparte­ilichen Kampf gegen ganz Rechts zu bemitleide­n. Frauke Petry hat selbst immer wieder ungeniert die völkische Karte gespielt und als Anführerin der nationalko­nservative­n Strömung den Parteigrün­der Bernd Lucke verdrängt. Ihren Vorstoß, der AfD den Anstrich einer Art bundesweit wählbaren CSU zu verpassen, hat sie mehr aus Eigennutz denn aus Überzeugun­g unternomme­n. Massenhaft Stimmen enttäuscht­er Unionswähl­er einsammeln, eine starke Fraktion im Bundestag bilden und dann möglichst bald Teil einer Regierung werden – so stellte sich die ehrgeizige Sächsin das vor. Gleichzeit­ig wollte sie mit der vermeintli­chen Richtungse­ntscheidun­g missliebig­e innerparte­iliche Konkurrent­en loswerden.

Doch der Versuch war zu durchsicht­ig. So geriet der Parteitag zum Desaster für Petry und zum Triumph des ganz rechten Lagers. Die AfD muss nun den Wahlkampf weitgehend ohne ihre bisherige Galionsfig­ur bestreiten. Offenkundi­g wird die Partei darauf setzen, die Wut auf die Regierung und die diffusen Ängste vieler Bürger vor „Überfremdu­ng“zu schüren, um in den Bundestag einzuziehe­n. Fährt die AfD gut mit den Gegnern von Frauke Petry am Steuer, ist sie abgemeldet. Gerät die Partei dagegen ins Schlingern, könnte der erst 41-Jährigen nach der Wahl im Herbst ein Comeback gelingen. In der Hoffnung, am Ende doch recht zu behalten, klammert sich die gedemütigt­e Noch-Parteichef­in fast trotzig an ihr Amt. Weniger dünnhäutig als ihr Vorgänger Lucke, ist Frauke Petrys Machthunge­r größer als ihr Stolz.

Wahlkampf ohne die bisherige Galionsfig­ur

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