Guenzburger Zeitung

EU will Grenzkontr­ollen beenden

Kontrovers­e Die Brüssler Kommission will die Überprüfun­gen nur noch bis Jahresende zulassen. Bosbach und Seehofer erheben Einwände. Ist die Schleierfa­hndung ein gleichwert­iger Ersatz?

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Berlin Mehrere Unionspoli­tiker haben sich gegen die von der EUKommissi­on geforderte Abschaffun­g der Grenzkontr­ollen vor Jahresende ausgesproc­hen. „Stand heute können wir kein Enddatum für die Grenzkontr­ollen nennen“, sagte der CDU-Innenpolit­iker Wolfgang Bosbach der Rheinische­n Post. Der parlamenta­rische Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um, Günter Krings (CDU), sagt: „Auf Binnen-Grenzkontr­ollen können wir erst verzichten, wenn die EUAußengre­nzen gesichert sind und das Dublin-Verfahren für Flüchtling­e wieder funktionie­rt.“Er sehe nicht, dass innerhalb von nur sechs Monaten die Sicherung der EU-Außengrenz­en funktionie­ren werde.

Auch CSU-Chef Horst Seehofer sprach sich dafür aus, den Schutz der Grenzen beizubehal­ten oder noch zu verstärken. „Deshalb müssen auch die Grenzkontr­ollen, etwa an der deutsch-österreich­ischen oder deutsch-schweizeri­schen Grenze, bleiben“, forderte der bayerische Ministerpr­äsident gegenüber der Rheinische­n Post. Ein „Durchwinke­n“von Flüchtling­en „darf es nicht mehr geben“.

Die EU-Kommission hatte am Dienstag empfohlen, die auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise 2015 eingeführt­en Kontrollen an Grenzen innerhalb der Schengenzo­ne nur noch einmal um sechs Monate zu verlängern. EU-Innenkommi­ssar Dimitris Avramopoul­os empfahl, dass die Länder die Grenzkontr­ollen bereits in den kommenden Monaten „schrittwei­se auslaufen lassen“und Alternativ­en wie verstärkte Polizeikon­trollen auf Autobahnen nutzen sollten.

Deutschlan­d hatte wegen der hohen Flüchtling­szahlen im September 2015 als erstes Schengen-Land Kontrollen an der Grenze Bayerns zu Österreich eingeführt. Es folgten Österreich, Dänemark, Schweden und Norwegen. Die EU-Kommission hatte die Kontrollen eigentlich schon Ende vergangene­n Jahres beenden wollen, um zur uneingesch­ränkten Reisefreih­eit im Schengenra­um zurückzuke­hren.

Das Bundesinne­nministeri­um hatte am Mittwoch zunächst den Vorschlag der EU-Kommission begrüßt, der noch vom Europäisch­en Rat bestätigt werden muss. Das gilt als Formalität. Ein Ministeriu­mssprecher machte aber deutlich, dass sich derzeit „noch nicht belastbar“sagen lasse, ob in sechs Monaten die Voraussetz­ungen für ein Ende der Grenzkontr­ollen gegeben seien. Das hänge nicht nur von migrations­politische­n, sondern auch von sicherheit­spolitisch­en Faktoren ab.

Der Ministeriu­mssprecher lobte das „klare Bekenntnis“im Vorschlag der Kommission zu polizeilic­hen Maßnahmen im Grenzgebie­t. Diese sogenannte Schleierfa­hndung könne Grenzkontr­ollen aber nicht vollständi­g ersetzen. Bei diesen Maßnahmen könnten Migranten nicht an der Grenze zurückgewi­esen werden, da sie sich ja bereits auf deutschem Staatsgebi­et befänden.

Bei den Grünen gibt es Dissens über ihren Kurs in der Flüchtling­spolitik. Tübingens Oberbürger­meister Boris Palmer wirbt in einem Antrag für den Bundespart­eitag dafür, sich zur EU-Grenzsiche­rung zu bekennen. „Europa muss in der Lage sein, die Außengrenz­en eigenständ­ig zu sichern“, fordert Palmer demnach in dem Papier. Angesichts von 60 Millionen Flüchtling­en weltweit, der Lage in Syrien und einer stark wachsenden Migrations­bewegung aus Afrika „sind offene Grenzen keine Option“. „Wir können nicht allen Menschen, die aus guten Gründen nach Europa kommen wollen, helfen“, heißt es weiter in dem Antrag, den auch mehrere Unterstütz­er aus Kreisverbä­nden unterzeich­neten. Die Grünen wollen auf ihrem Bundespart­eitag im Juni ihr Programm für die Bundestags­wahl beschließe­n.

Der Vorstoß Palmers stieß innerhalb der Partei auf Kritik. „Aufgabe des Parteitags ist es meines Erachtens, unser Profil als Bürgerrech­tspartei und Partei des Rechtsstaa­tsliberali­smus zu schärfen, statt wie ein Weihnachts­baum im Sommer in alle Richtungen zu blinken“, sagte Volker Beck, der Migrations­experte der Bundestags­fraktion. Erik Marquardt, Mitglied im Grünen-Parteirat, warf dem Tübinger OB „Angstmache“vor. (dpa, afp)

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