Guenzburger Zeitung

Verbrecher mit religiösen Motiven

Recht In Prien ersticht ein Flüchtling eine Afghanin, die zum Christentu­m konvertier­t ist. Bayerns Justizmini­ster will verhindern, dass Gerichte aus Rücksicht auf Glauben und Kultur milder urteilen

- VON HOLGER SABINSKY WOLF

In Prien am Chiemsee ersticht ein afghanisch­er Flüchtling eine Landsfrau vor den Augen ihrer Kinder. Die Frau war zum Christentu­m übergetret­en. Nach dem derzeitige­n Stand der Ermittlung­en hat ein religiöses Motiv zumindest eine Rolle bei der Bluttat gespielt.

Im November 2015 hat ein irakischer Flüchtling im Landkreis Regensburg seine Ehefrau erwürgt. Er war davon überzeugt, dass sie ein Verhältnis mit einem anderen Mann hatte. Nach der Tat ging er mit seiner dreijährig­en Tochter zur Polizei und stellte sich. Bei der Vernehmung hat er laut Aussage eines Beamten gesagt: „Ich habe vom Recht Gebrauch gemacht, meine Ehefrau zu töten.“Warum er ins Gefängnis kam, hat er nicht verstanden.

Es sind Fälle wie diese, die die Justiz vor neue Herausford­erungen stellen. Immer häufiger müssen sich Strafgeric­hte mit fremden kulturelle­n oder religiösen Hintergrün­den der Angeklagte­n auseinande­rsetzen. Immer öfter argumentie­ren Beschuldig­te, dass ihr Glaube oder ihre Herkunft eine Straftat rechtferti­gten. Wie gehen die Richter damit um? Dürfen Strafen niedriger ausfallen, wenn jemand sozusagen nicht mit der hiesigen Werte- und Rechtsordn­ung vertraut ist?

Bayerns Justizmini­ster Winfried Bausback (CSU) sagt: „Religiöse und kulturelle Prägungen eines Täters dürfen für sich gesehen kein Anlass für eine Strafmilde­rung sein.“Bayern will daher das Strafrecht ändern und hat im Bundesrat einen Gesetzentw­urf eingebrach­t. Bei der Strafzumes­sung, also der grundlegen­den Bewertung des Verhaltens eines Straftäter­s und der Bestimmung einer gerechten Strafe, müsse ein einheitlic­her Bewertungs­maßstab gelten, so Bausback. Und da sieht er eine Lücke im bestehende­n Recht.

Der entspreche­nde Paragraf 46 des Strafgeset­zbuchs (StGB) soll nach Bausbacks Willen geändert werden. Die Vorschrift besagt, dass ein Gericht bei der Zumessung der Strafe die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinan­der abwägen muss. Konkret genannt werden neben rassistisc­hen oder sonstigen menschenve­rachtenden Beweggründ­en des Täters auch die Auswirkung­en der Tat sowie das Vorleben des Täters und seine persönlich­en Verhältnis­se.

Das reicht Bausback nicht. Laut dem Gesetzesan­trag fänden sich in der Praxis nicht selten unspezifis­che Verweise von Richtern auf die – strafmilde­rnd gewertete – Herkunft von Tätern aus „völlig fremden Kulturkrei­sen“und undifferen­zierte Aussagen zu anderen Kulturen und Religionen. Deren Relevanz für die Strafbemes­sung werde „häufig nicht näher dargelegt“, heißt es im Antrag weiter. Bausback will die Richter „bei diesen Fragen nicht alleine lassen“und ihnen „bestimmte gesetzlich­e Leitplanke­n an die Hand geben“. Die Würdigung der Tatumständ­e müsse „auf Basis der Wertmaßstä­be unserer verfassung­smäßigen Ordnung erfolgen“. Prägungen, die in fundamenta­lem Widerspruc­h zu unserer Rechtsordn­ung stehen, dürften nicht strafmilde­rnd wirken. Dies will der bayerische Justizmini­ster ausdrückli­ch ins Gesetz schreiben.

Das Problem: Er steht im Moment mit seiner Forderung nach einer Gesetzesän­derung recht allein da. Der Gesetzesen­twurf ist im Bundesrat durchgefal­len. Aus dem Bundesjust­izminister­ium heißt es, der Paragraf 46 StGB sei ohnehin vor gut eineinhalb Jahren verschärft worden. „Eine weitere Änderung ist derzeit nicht vorgesehen“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage.

Vor allem aber sehen die Richter selbst keine Notwendigk­eit für eine Gesetzesän­derung. „Die Richter und Richterinn­en in Bayern kommen mit der bisherigen Regelung sehr gut zurecht. Eine Änderung braucht es nicht“, sagt Andrea Titz, Vorsitzend­e des Bayerische­n Richterver­eins, in dem 2500 Richter und Staatsanwä­lte organisier­t sind. Titz kann das Problem gar nicht erkennen: „Die Wahrnehmun­g, dass Richter in solchen Fällen zu viel Milde walten lassen, können wir aus Sicht der Praxis nicht teilen.“

Die Strafzumes­sung sei ein weites Feld, sagt Titz, und sie brauche Leitplanke­n. Sie warnt aber davor, diesen Spielraum zu sehr einzuengen. Das würde ansonsten zu sehr in die richterlic­he Unabhängig­keit eingreifen. Die Richter müssten immer den Einzelfall bewerten. Titz: „Eine Forderung des Bayerische­n Richterver­eins ist diese Gesetzesän­derung jedenfalls nicht.“

Bausback will sich trotz des Widerspruc­hs nicht beirren lassen. Er ist optimistis­ch, dass sich Bayern letztendli­ch durchsetze­n wird: „Aus den Erfahrunge­n der Vergangenh­eit weiß ich: Das, was gut und vernünftig ist, wird am Ende meistens auch Gesetz.“Der irakische Flüchtling ist im Sommer vergangene­n Jahres zu lebenslang­er Haft verurteilt worden.

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