Guenzburger Zeitung

Muckis aus der Spritze

Gericht Bei einem 38-Jährigen werden große Mengen Steroide gefunden. Wollte er sich damit nur selbst aufpumpen oder das Doping auch verkaufen?

- VON ALEXANDER SING

Er sieht aus wie der Prototyp eines Türstehers. Vom breiten Kreuz und den muskulösen Oberarmen über die harten Gesichtszü­ge bis hin zur ruhigen Stimme und dem abschätzen­den Blick passt der Angeklagte aus dem Raum Günzburg voll in dieses Muster. Tatsächlic­h hat er als Türsteher gejobbt. Doch dieser Nebenverdi­enst brachte ihn letzten Endes auf die Anklageban­k des Günzburger Amtsgerich­ts.

Nicht, dass er mit einem aufmüpfige­n Gast aneinander geraten wäre. Er wollte einfach richtig gut sein in seinem Job. Türsteher müssen einschücht­ernd wirken. Dafür brauchen sie Muskeln. Und die wollte sich der Angeklagte auf dem einfachen Weg holen. Statt noch härter im Fitnessstu­dio zu trainieren, bestellte er sich in diversen Internetsh­ops sogenannte anabole Steroide. Auf welchen Wegen die verschreib­ungspflich­tigen Medikament­e zu dem 38-Jährigen gelangt sind, lässt sich schwer nachvollzi­ehen.

Fest steht nur eins: Mehrere an ihn adressiert­e Päckchen mit den verdächtig­en Ampullen wurden jeweils vom ungarische­n Zoll und von den deutschen Kollegen am Frankfurte­r Flughafen abgefangen. Doch den Fahndern scheinen auch einige Päckchen entgangen zu sein. Bei einer Hausdurchs­uchung im Oktober 2015 fanden sie fast 350 Ampullen und mehr als 800 Tabletten mit verdächtig­en Substanzen. Die darin enthaltene Menge an Wirkstoffe­n übersteigt das erlaubte Maß nach der Dopingmitt­elmengenve­rordnung um das 291-fache. Der Angeklagte zeigte den Fahndern damals alles, überließ ihnen auch freiwillig seinen Laptop und sein Smartphone.

Vor Gericht zeigt sich der bisher nicht vorbestraf­te Mann weiter kooperativ. Er habe die Präparate bestellt und selbst genommen, gibt er zu. Verkauft habe er aber nichts. Das soll die entscheide­nde Frage des Prozesses werden. Denn der unerlaubte Handel mit verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en wird nach dem Arzneimitt­elgesetz wesentlich härter bestraft als nur der Besitz.

Ob er nun damit handeln wollte oder nicht: Der 38-Jährige hat sich jedenfalls eingehend mit der Doping-Thematik beschäftig­t. Detaillier­te Auflistung­en aller Präparate mit Preisvergl­eichen verschiede­ner Shops finden sich ebenso auf seinem Laptop wie ein genauer sogenannte­r „Kurplan“. Der gibt genau an, wann welches Medikament zu nehmen ist. Die Informatio­nen hat sich der Angeklagte im Netz besorgt. Es ist, wie er später einräumt, nicht die erste „Kur“, die er durchgefüh­rt hat. Seit sein gesamter Bestand beschlagna­hmt wurde, habe er aber nichts mehr genommen, beteuert der Mann.

Sein Gegenüber lässt allerdings nicht so leicht locker. Stefan Mayridl von der Staatsanwa­ltschaft München I kennt sich in der Szene aus, er arbeitet seit vielen Jahren für die Doping-Sonderabte­ilung der Staatsanwa­ltschaft. Er möchte wissen, ob der Angeklagte auch Kontakte vor Ort hatte. Nach mehreren Nachfragen gibt der Mann schließlic­h zu, Kontakt mit einem gewissen „Boba“gehabt zu haben. Mehr als den Vornamen kenne er aber nicht. „Ich möchte mit diesen Personen nichts mehr zu tun haben. Es tut mir einfach leid. Ich bin eigentlich ein guter Mensch.“

Dass er tatsächlic­h mit den Medikament­en gehandelt hat, kann auch der zuständige Zollfahnde­r nicht beweisen. Man habe keine Hinweise darauf gefunden. Dabei wäre das ein durchaus einträglic­hes Geschäft, wie der erfahrene Ermittler am Rande des Prozesses berichtet. Die Gewinnmarg­en seien gigantisch, die Anleitunge­n zur Herstellun­g leicht zu bekommen. Die nötigen Gerätschaf­ten und Grundstoff­e könne man schon für etwa 400 Euro bekommen. Wer daraus etwa 10000 Ampullen gewinnt, kann diese für etwa 800000 Euro verkaufen, schätzt der Fahnder. Der Markt dafür sei da und wachse immer weiter.

So weit hat es der Angeklagte nicht getrieben. Ein Gutachter bescheinig­t dem Mann aber, eine für den reinen Eigenbedar­f ungewöhnli­ch große Menge im Haus gehabt zu haben. Staatsanwa­lt Mayridl wertet das zumindest als Versuch, mit den Steroiden zu handeln. Verteidige­r Markus Neumann hält dagegen, dass es dafür keinerlei Beweise gebe.

Richterin Franziska Braun und die beiden Schöffen folgen dennoch der Argumentat­ion des Staatsanwa­lts. Der Angeklagte bekommt eine Bewährungs­strafe von einem Jahr und neun Monaten. Außerdem muss er 4000 Euro an gemeinnütz­ige Organisati­onen zahlen.

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Symbolfoto: rico287/Fotolia

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