Muckis aus der Spritze
Gericht Bei einem 38-Jährigen werden große Mengen Steroide gefunden. Wollte er sich damit nur selbst aufpumpen oder das Doping auch verkaufen?
Er sieht aus wie der Prototyp eines Türstehers. Vom breiten Kreuz und den muskulösen Oberarmen über die harten Gesichtszüge bis hin zur ruhigen Stimme und dem abschätzenden Blick passt der Angeklagte aus dem Raum Günzburg voll in dieses Muster. Tatsächlich hat er als Türsteher gejobbt. Doch dieser Nebenverdienst brachte ihn letzten Endes auf die Anklagebank des Günzburger Amtsgerichts.
Nicht, dass er mit einem aufmüpfigen Gast aneinander geraten wäre. Er wollte einfach richtig gut sein in seinem Job. Türsteher müssen einschüchternd wirken. Dafür brauchen sie Muskeln. Und die wollte sich der Angeklagte auf dem einfachen Weg holen. Statt noch härter im Fitnessstudio zu trainieren, bestellte er sich in diversen Internetshops sogenannte anabole Steroide. Auf welchen Wegen die verschreibungspflichtigen Medikamente zu dem 38-Jährigen gelangt sind, lässt sich schwer nachvollziehen.
Fest steht nur eins: Mehrere an ihn adressierte Päckchen mit den verdächtigen Ampullen wurden jeweils vom ungarischen Zoll und von den deutschen Kollegen am Frankfurter Flughafen abgefangen. Doch den Fahndern scheinen auch einige Päckchen entgangen zu sein. Bei einer Hausdurchsuchung im Oktober 2015 fanden sie fast 350 Ampullen und mehr als 800 Tabletten mit verdächtigen Substanzen. Die darin enthaltene Menge an Wirkstoffen übersteigt das erlaubte Maß nach der Dopingmittelmengenverordnung um das 291-fache. Der Angeklagte zeigte den Fahndern damals alles, überließ ihnen auch freiwillig seinen Laptop und sein Smartphone.
Vor Gericht zeigt sich der bisher nicht vorbestrafte Mann weiter kooperativ. Er habe die Präparate bestellt und selbst genommen, gibt er zu. Verkauft habe er aber nichts. Das soll die entscheidende Frage des Prozesses werden. Denn der unerlaubte Handel mit verschreibungspflichtigen Medikamenten wird nach dem Arzneimittelgesetz wesentlich härter bestraft als nur der Besitz.
Ob er nun damit handeln wollte oder nicht: Der 38-Jährige hat sich jedenfalls eingehend mit der Doping-Thematik beschäftigt. Detaillierte Auflistungen aller Präparate mit Preisvergleichen verschiedener Shops finden sich ebenso auf seinem Laptop wie ein genauer sogenannter „Kurplan“. Der gibt genau an, wann welches Medikament zu nehmen ist. Die Informationen hat sich der Angeklagte im Netz besorgt. Es ist, wie er später einräumt, nicht die erste „Kur“, die er durchgeführt hat. Seit sein gesamter Bestand beschlagnahmt wurde, habe er aber nichts mehr genommen, beteuert der Mann.
Sein Gegenüber lässt allerdings nicht so leicht locker. Stefan Mayridl von der Staatsanwaltschaft München I kennt sich in der Szene aus, er arbeitet seit vielen Jahren für die Doping-Sonderabteilung der Staatsanwaltschaft. Er möchte wissen, ob der Angeklagte auch Kontakte vor Ort hatte. Nach mehreren Nachfragen gibt der Mann schließlich zu, Kontakt mit einem gewissen „Boba“gehabt zu haben. Mehr als den Vornamen kenne er aber nicht. „Ich möchte mit diesen Personen nichts mehr zu tun haben. Es tut mir einfach leid. Ich bin eigentlich ein guter Mensch.“
Dass er tatsächlich mit den Medikamenten gehandelt hat, kann auch der zuständige Zollfahnder nicht beweisen. Man habe keine Hinweise darauf gefunden. Dabei wäre das ein durchaus einträgliches Geschäft, wie der erfahrene Ermittler am Rande des Prozesses berichtet. Die Gewinnmargen seien gigantisch, die Anleitungen zur Herstellung leicht zu bekommen. Die nötigen Gerätschaften und Grundstoffe könne man schon für etwa 400 Euro bekommen. Wer daraus etwa 10000 Ampullen gewinnt, kann diese für etwa 800000 Euro verkaufen, schätzt der Fahnder. Der Markt dafür sei da und wachse immer weiter.
So weit hat es der Angeklagte nicht getrieben. Ein Gutachter bescheinigt dem Mann aber, eine für den reinen Eigenbedarf ungewöhnlich große Menge im Haus gehabt zu haben. Staatsanwalt Mayridl wertet das zumindest als Versuch, mit den Steroiden zu handeln. Verteidiger Markus Neumann hält dagegen, dass es dafür keinerlei Beweise gebe.
Richterin Franziska Braun und die beiden Schöffen folgen dennoch der Argumentation des Staatsanwalts. Der Angeklagte bekommt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Außerdem muss er 4000 Euro an gemeinnützige Organisationen zahlen.