Wie das „Heilige Haus“nach Burgau kam
Jubiläum Die Loretokapelle wird 325 Jahre alt. Warum sie so einzigartig ist und die Bürger stolz auf sie sind
Loreto ist nicht nur eine Gemeinde in Italien in den Marken südlich von Ancona an der Adriaküste. Loreto ist auch einer der bedeutendsten Marienwallfahrtsorte. Der Legende nach haben Engel das Haus der Heiligen Familie von Nazareth, die „Santa Casa“, über Dalmatien zum endgültigen Standort nach Loreto getragen. Es befindet sich im Inneren der dortigen Basilika. Burgau hat zwar keine solche, dafür aber die Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, die sich im 200. Jubiläumsjahr ihrer Weihe befindet. Die Markgrafenstadt hat aber auch ihre Loretokapelle, die ebenfalls ein Jubiläum feiert: In diesem Jahr wird sie 325 Jahre alt. Wie viele der zahlreichen Nachbildungen der „Santa Casa“hat übrigens auch die Burgauer Loretokapelle dieselben Maße wie das „Heilige Haus“in Loreto.
Eine alte Legende erzählt von der frommen Agnes – „Gattin eines Herrn von Burgau auf ihrem Schlosse“. Verräter hatten sie in einen finsteren Kerker im Loretoberg geworfen, während ihr Gatte an den kaiserlichen Hof gerufen worden war. Anstatt eines Bildnisses der Gottesmutter Maria für ihr Gebet, soll sie einen Holzscheit und eine rostige Messerklinge erhalten haben, um sich selbst ein solches anzufertigen. Gelänge ihr dies, sollte sie ihre Freiheit erhalten. In der Nacht erschien Agnes die Muttergottes und überreichte ihr drei Bilder von sich. Eines sollte seinen Platz in einem Kirchlein über dem Kerker finden, das zweite in Rom und das dritte in Paris. Nur kurze Zeit später soll auf der Anhöhe gegenüber des Schlosses eine Kapelle gestanden haben. Ob die Legende mit dem Bau der Loretokapelle in Verbindung gebracht werden kann, kann nicht belegt werden. Tastsache ist aber: Es war der Wunsch der Burgauer, auf dem „Röttenberg“– so wurde der künstlich aufgeschüttete Berg gegenüber des Schlosses genannt – eine Kapelle zu errichten.
Um das Geld dafür aufzubringen, spendeten nicht nur die Bürger selbst, sondern auch die aus benachbarten Orten. Sogar die Stadt beteiligte sich mit dem Verkauf von Wiesen. Die Burgauer scheuten weder Mühen noch Opfer. Vielmehr war es ihr Fleiß, damit am 8. Dezember 1692 in der Kapelle das erste Messopfer gefeiert werden konnte. 1741 wurde am Aufgang mit der Errichtung eines Kalvarienbergs begonnen und die Kapelle entwickelte sich immer mehr zu einer Stätte für Wallfahrer aus der ganzen Umgebung. Wäre es nach dem Willen Kaiser Josephs II. gegangen, wäre möglicherweise auch die Loretokapelle der Säkularisation zum Opfer gefallen. Die Burgauer jedoch kämpften mit allen Mitteln, um sie zu erhalten. Schließlich wandte man sich an das Oberamt in Freiburg: Würde die Kapelle abgerissen, gäbe es auch das Geläut in ihrem Türmchen nicht mehr. Und dieses sei nun einmal das Zeichen für das Morgen- und das Abendgebet – und vor allem auch das für den Gottesdienst.
„Es ist schon interessant, was die Burgauer damals gestemmt haben“, bemerkt Irmgard Gruber-Egle, die Vorsitzende des Historischen Vereins Burgau Stadt und Land. Bis heute ist die Loretokapelle im Besitz der Pfarrei. „Made by Burgau“und „paid by Burgau“– Dekan und Burgaus Stadtpfarrer Martin Finkel trifft es auf den Punkt, erstellt von Burgau und bezahlt von Burgau. Und er erzählt weiter: „Die Menschen kommen hinauf, sind nahe bei Gott und Maria und können über vieles nachdenken. Viele ältere erinnern sich daran, wie sie schon als Kind hier oben waren.“Tatsächlich hat die Loretokapelle fast schon etwas Mystisches: Man kommt in den dunklen Raum, die Ausmalung der Wände als Steinimitation, und steht unter dem blauen Sternenhimmel.
Der Blick fällt auf das große Kreuz, zu dessen Linken sich der heilige Franziskus, in der Mitte eine Pieta und rechts der heilige Antonius befinden. Eine Bretterkrippe, auf Holz gemalt neben dem Altar, zeigt die Verkündigung Mariä – wie einst in der „Santa Casa“. An den Wänden hängen 14 Bilder – eigentlich sollten es 15 sein – die ihren Lebensweg beschreiben. Über dem Altar, typisch für jede Loretokapelle, erstrahlt Maria als Himmelskönigin, mit Krone und Zepter sowie dem Jesuskind mit der Weltkugel. Jetzt, zum Jubiläum, trägt sie ihren Festtagsmantel. Die Maria in Burgau hat übrigens noch einen weiteren: einen in Rot gehaltenen „Wintermantel“.
Ende der 70er wurde eingebrochen. Gestohlen wurden mehrere Leuchterengel sowie vier Figuren der heiligen Sippe: Anna, Joachim, Maria und Josef. Nur der Christus blieb stehen. Die Figuren wurden zwar ersetzt, sind jedoch nicht mehr gefasst. Ein besonderer Platz gebührt zwei großen Tafeln: Sie erinnern an Burgauer, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind.
„Man findet Ruhe und innere Erbauung,“sagt ein alter Burgauer. Viele sagten, die Kapelle sei „ihr Heiligtum“, aber sie könnten sie ruhig öfters besuchen, fügt er schmunzelnd hinzu. Schade sei, dass gerade bei der jüngeren Generation viel in Vergessenheit gerate. Die Kapelle sei ein Kleinod, das erhalten werden müsse. In der Sommerzeit findet einmal im Monat, in der Regel freitagvormittags, eine Messe und am 18. Mai eine Maiandacht statt. Sonst ist sie nur sonntags geöffnet. Um „Musik für die Seele“geht es am 24. Juni mit Claudia und Michael Smalko. Und auch zum Jubiläum der Kirche ist sie einbezogen: am 15. August nach dem Festgottesdienst mit einer Lichterprozession.