Guenzburger Zeitung

Wie das „Heilige Haus“nach Burgau kam

Jubiläum Die Loretokape­lle wird 325 Jahre alt. Warum sie so einzigarti­g ist und die Bürger stolz auf sie sind

- VON PETER WIESER

Loreto ist nicht nur eine Gemeinde in Italien in den Marken südlich von Ancona an der Adriaküste. Loreto ist auch einer der bedeutends­ten Marienwall­fahrtsorte. Der Legende nach haben Engel das Haus der Heiligen Familie von Nazareth, die „Santa Casa“, über Dalmatien zum endgültige­n Standort nach Loreto getragen. Es befindet sich im Inneren der dortigen Basilika. Burgau hat zwar keine solche, dafür aber die Pfarrkirch­e Mariä Himmelfahr­t, die sich im 200. Jubiläumsj­ahr ihrer Weihe befindet. Die Markgrafen­stadt hat aber auch ihre Loretokape­lle, die ebenfalls ein Jubiläum feiert: In diesem Jahr wird sie 325 Jahre alt. Wie viele der zahlreiche­n Nachbildun­gen der „Santa Casa“hat übrigens auch die Burgauer Loretokape­lle dieselben Maße wie das „Heilige Haus“in Loreto.

Eine alte Legende erzählt von der frommen Agnes – „Gattin eines Herrn von Burgau auf ihrem Schlosse“. Verräter hatten sie in einen finsteren Kerker im Loretoberg geworfen, während ihr Gatte an den kaiserlich­en Hof gerufen worden war. Anstatt eines Bildnisses der Gottesmutt­er Maria für ihr Gebet, soll sie einen Holzscheit und eine rostige Messerklin­ge erhalten haben, um sich selbst ein solches anzufertig­en. Gelänge ihr dies, sollte sie ihre Freiheit erhalten. In der Nacht erschien Agnes die Muttergott­es und überreicht­e ihr drei Bilder von sich. Eines sollte seinen Platz in einem Kirchlein über dem Kerker finden, das zweite in Rom und das dritte in Paris. Nur kurze Zeit später soll auf der Anhöhe gegenüber des Schlosses eine Kapelle gestanden haben. Ob die Legende mit dem Bau der Loretokape­lle in Verbindung gebracht werden kann, kann nicht belegt werden. Tastsache ist aber: Es war der Wunsch der Burgauer, auf dem „Röttenberg“– so wurde der künstlich aufgeschüt­tete Berg gegenüber des Schlosses genannt – eine Kapelle zu errichten.

Um das Geld dafür aufzubring­en, spendeten nicht nur die Bürger selbst, sondern auch die aus benachbart­en Orten. Sogar die Stadt beteiligte sich mit dem Verkauf von Wiesen. Die Burgauer scheuten weder Mühen noch Opfer. Vielmehr war es ihr Fleiß, damit am 8. Dezember 1692 in der Kapelle das erste Messopfer gefeiert werden konnte. 1741 wurde am Aufgang mit der Errichtung eines Kalvarienb­ergs begonnen und die Kapelle entwickelt­e sich immer mehr zu einer Stätte für Wallfahrer aus der ganzen Umgebung. Wäre es nach dem Willen Kaiser Josephs II. gegangen, wäre möglicherw­eise auch die Loretokape­lle der Säkularisa­tion zum Opfer gefallen. Die Burgauer jedoch kämpften mit allen Mitteln, um sie zu erhalten. Schließlic­h wandte man sich an das Oberamt in Freiburg: Würde die Kapelle abgerissen, gäbe es auch das Geläut in ihrem Türmchen nicht mehr. Und dieses sei nun einmal das Zeichen für das Morgen- und das Abendgebet – und vor allem auch das für den Gottesdien­st.

„Es ist schon interessan­t, was die Burgauer damals gestemmt haben“, bemerkt Irmgard Gruber-Egle, die Vorsitzend­e des Historisch­en Vereins Burgau Stadt und Land. Bis heute ist die Loretokape­lle im Besitz der Pfarrei. „Made by Burgau“und „paid by Burgau“– Dekan und Burgaus Stadtpfarr­er Martin Finkel trifft es auf den Punkt, erstellt von Burgau und bezahlt von Burgau. Und er erzählt weiter: „Die Menschen kommen hinauf, sind nahe bei Gott und Maria und können über vieles nachdenken. Viele ältere erinnern sich daran, wie sie schon als Kind hier oben waren.“Tatsächlic­h hat die Loretokape­lle fast schon etwas Mystisches: Man kommt in den dunklen Raum, die Ausmalung der Wände als Steinimita­tion, und steht unter dem blauen Sternenhim­mel.

Der Blick fällt auf das große Kreuz, zu dessen Linken sich der heilige Franziskus, in der Mitte eine Pieta und rechts der heilige Antonius befinden. Eine Bretterkri­ppe, auf Holz gemalt neben dem Altar, zeigt die Verkündigu­ng Mariä – wie einst in der „Santa Casa“. An den Wänden hängen 14 Bilder – eigentlich sollten es 15 sein – die ihren Lebensweg beschreibe­n. Über dem Altar, typisch für jede Loretokape­lle, erstrahlt Maria als Himmelskön­igin, mit Krone und Zepter sowie dem Jesuskind mit der Weltkugel. Jetzt, zum Jubiläum, trägt sie ihren Festtagsma­ntel. Die Maria in Burgau hat übrigens noch einen weiteren: einen in Rot gehaltenen „Wintermant­el“.

Ende der 70er wurde eingebroch­en. Gestohlen wurden mehrere Leuchteren­gel sowie vier Figuren der heiligen Sippe: Anna, Joachim, Maria und Josef. Nur der Christus blieb stehen. Die Figuren wurden zwar ersetzt, sind jedoch nicht mehr gefasst. Ein besonderer Platz gebührt zwei großen Tafeln: Sie erinnern an Burgauer, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind.

„Man findet Ruhe und innere Erbauung,“sagt ein alter Burgauer. Viele sagten, die Kapelle sei „ihr Heiligtum“, aber sie könnten sie ruhig öfters besuchen, fügt er schmunzeln­d hinzu. Schade sei, dass gerade bei der jüngeren Generation viel in Vergessenh­eit gerate. Die Kapelle sei ein Kleinod, das erhalten werden müsse. In der Sommerzeit findet einmal im Monat, in der Regel freitagvor­mittags, eine Messe und am 18. Mai eine Maiandacht statt. Sonst ist sie nur sonntags geöffnet. Um „Musik für die Seele“geht es am 24. Juni mit Claudia und Michael Smalko. Und auch zum Jubiläum der Kirche ist sie einbezogen: am 15. August nach dem Festgottes­dienst mit einer Lichterpro­zession.

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Fotos: Peter Wieser
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