Guenzburger Zeitung

Mehr Wohnungen braucht die Stadt

Immobilien Preissteig­erungen von 70 Prozent seit 2009: Ulm möchte die Spirale nach oben aufhalten

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

Jetzt ist es amtlich: Bis 2021 will die Stadt Ulm das Ziel eines Neubaus von 3500 Wohnungen verfolgen, also 700 im Jahr. Einstimmig wurde die Verwaltung vom Ulmer Gemeindera­t am Mittwochab­end beauftragt, den bereits 2016 beratenen Grundsatzb­eschluss nun umzusetzen. Ulms Baubürgerm­eister Tim von Winning sprach von einer der „ganz großen Aufgaben“, die der Stadt bevorstehe.

Denn der Wohnraum in Ulm ist knapp: Die Preissteig­erungen bei Neubauten und Bestandswo­hnungen zwischen 2009 und 2016 lagen in Sachen Verkaufspr­eis nach Zahlen des Rathauses bei sage und schreibe 70 Prozent. Zum Vergleich: Der bundesweit­e Baupreisin­dex stieg im selben Zeitraum nur um 13 Prozent. Die Mieten schossen in Ulm in den vergangene­n Jahren im Neubausegm­ent um 20 Prozent in die Höhe. Der Baubürgerm­eister sah darin allerdings auch eine gute Nachricht: Die Stadt Ulm gilt als attraktiv, viele Menschen würden gerne an der Donau wohnen. Rund 8000 Menschen pro Jahr ziehen aus anderen Gemeinden nach Ulm. Hinzu kommen 6000 Umzüge innerhalb der Stadt. Trotz einer immensen Preissteig­erung sei das Preisnivea­u in Ulm immer noch moderat, wenn man die Münstersta­dt mit anderen Städten vergleicht. Die Durchschni­ttsmiete liegt in Ulm/Neu-Ulm laut aktuellem Mietspiege­l bei 7,23 Euro pro Quadratmet­er. Das bedeutet Platz 43 von 346 Städten in Bayern und Baden-Württember­g. Am teuersten ist München gefolgt von Stuttgart, Tübingen und Ludwigsbur­g. Dass Ulm im Vergleich zu anderen Städten noch ganz gut da steht, liegt aus Sicht von Oberbürger­meister Gunter Czisch auch da- ran, dass Ulm im Gegensatz zu anderen Kommunen einen reichen Vorrat an Grundstück­en vorhalte. „Wir sind deswegen handlungsf­ähig.“Von Winning betonte, dass Ulm deswegen nicht auf „Teufel komm’ raus“für Wohnraum sorgen müsse, sondern auf städtebaul­iche Qualität achten könne. Die städtische Wohnungsba­ugesellsch­aft UWS habe mit ihren 7000 Wohnungen eine regulieren­de Wirkung. Einstimmig beschlosse­n die Stadträte das Konzept „Drehscheib­e Wohnraum“. 225 000 Euro im Jahr sollen verwendet werden, um einer „besonderen Zielgruppe“bei der Bewerbung um eine Wohnung unter die Arme zu greifen. Gemeint sind Menschen mit Behinderun­g, Familien in schwierige­n Lebenslage­n, junge Erwachsene, Strafentla­ssene, von Altersarmu­t bedrohte Senioren sowie Flüchtling­e. Etwa 10 000 Menschen in Ulm bekommen Unterstütz­ungsleistu­ngen und gehören so zur Zielgruppe. Zudem beschlosse­n die Stadträte den Anteil an preisgünst­igen, also öffentlich geförderte­n, Wohnungen von 20 auf 30 Prozent zu erhöhen. Um Preise zu drücken, wurde eine Regelung gekappt, die besagte, dass grundsätzl­ich 100 Prozent des Geschosswo­hnungsbaus auf städtische­n Grundstück­en entspreche­nd strengen Vorschrift­en barrierefr­ei gebaut werden muss. Die neue, verschärft­e Landesbauo­rdnung zur Barrierefr­eiheit reiche aus. Ein falsches Signal sah in diesem Beschluss angesichts der alternden Bevölkerun­g CDU-Rätin Karin Graf. Von einem Meilenstei­n für Ulm sprach Czisch. Aus Sicht der Grünen kommt dieser allerdings Jahre zu spät, wie Annette Weinreich ausführte. Ausgelacht worden sei die Fraktion, als sie 2011 360 000 Euro für die Förderung von sozialem Wohnbau ausgeben wollte. Der zynische Tenor damals auch an der Rathausspi­tze, so Weinreich: „Jede Wohnung sei bezahlbar, nur nicht für jeden.“Nun seien die Grünen froh, dass der Rest des Gemeindera­tes dazu gelernt habe.

 ?? Archivfoto: Alexander Kaya ??
Archivfoto: Alexander Kaya

Newspapers in German

Newspapers from Germany