Bunt ist auf der Straße nicht angesagt
Farben Autolackierungen unterliegen ihrer eigenen Mode. In den vergangenen Jahren hat sich viel getan. Zwischen Frauen und Männern zeigen sich deutliche Unterschiede
Grau geht immer. Unauffällig, gedeckt und etwas trist fährt der Großteil der Deutschen durch den Straßenverkehr. Die Farbe Grau beherrscht seit knapp zehn Jahren die Autolandschaft – etwa jeder dritte neu angemeldete Wagen hatte im vergangenen Jahr diesen Farbton. Vor gut 20 Jahren sah das anders aus. In der Mitte der 1990er Jahre rollten bunte Karossen über die Straßen der Bundesrepublik. Egal ob rot, blau oder grün – die Menschen wollten in einem farbigen Auto sitzen. Der Umschwung in die graue Tristesse begann mit dem neuen Jahrtausend.
Dieser Trend lässt auf die Stimmung in der Bevölkerung schließen, sagt Design-Professor Othmar Wickenheiser von der Hochschule für angewandte Wissenschaften München: „Wenn die allgemeine Stimmung gedrückt ist, greifen die Menschen eher zu gedeckten Farben.“
In den 1960er Jahren, zur Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, waren viele Autos in knallig bunten Farben auf den Straßen unterwegs. Heute ist die Stimmung Wickenheiser zufolge eine andere: „Die Menschen sehen mit Besorgnis auf das Weltgeschehen und wählen lieber triste Farben.“Doch das bedeute nicht, dass die gesamte Bevölkerung in einer Depression stecke. Wickenheiser kennt die Vorteile, die ein dunkler Lack mit sich bringt: „Schwarz und Grau zeigen starke Kontraste und lassen die Form des Autos gut zur Geltung kommen.“Daher werden Fahrzeug-Entwürfe meist in diesen Farben gefertigt – damit die Designer einen genauen Blick auf die Form haben.
Während Grau in der Masse verschwindet, stechen andere Farben hervor. „Menschen mit einem farbigen Auto wollen etwas über sich ausdrücken“, sagt Wickenheiser. Seiner Meinung nach ist Blau ein Ausdruck für Freundlichkeit, Gelb steht für Freude und Grün für Hoffnung oder Naturverbundenheit.
Doch farbige Autos haben einen Nachteil – sie lassen sich häufig nur schwer wieder verkaufen. „Mit Grau, Schwarz oder Weiß macht ein Autobesitzer nie etwas falsch“, sagt der Münchner Design-Professor. Für solche Autos finde sich immer ein Abnehmer.
Farben seien dagegen ein Wagnis: „Wenn jemand ein grünes Auto verkaufen will, muss er einen Käufer finden, der genau diese Grün-Schattierung schön findet.“Frauen scheinen dieses Risiko lieber einzugehen als Männer. Bunte Autos sind beim weiblichen Geschlecht verhältnismäßig beliebt.
Das Kraftfahrt-Bundesamt führt Statistik über die Farben von neu angemeldeten Autos. Dabei war im vergangenen Jahr jedes zehnte Auto, das eine Frau angemeldet hat, rot. Bei Männern lag der Anteil nur bei rund sieben Prozent. Das ist Wickenheiser zufolge typisch für die Geschlechter: „Frauen können sich bei Farben mehr trauen als Männer.“Das zeige sich schon bei der Kleidung, die beide Geschlechter bei offiziellen Anlässen tragen. Männer kleiden sich fast ausschließlich in gedeckte Farben wie Schwarz oder Grau. Frauen hingegen können bunter auftreten und dennoch seriös wirken.
Im Augenblick scheint nichts die Erfolgsgeschichte von Grau oder Schwarz zu bremsen. Wickenheiser will sich nicht festlegen, welche Trends in Zukunft die Straße bestimmen. Aber er vermutet, dass die Autofahrer in den kommenden Jahren auf farbliche Effekte setzen werden: „Früher gab es Fahrzeuge, bei denen etwa die Kotflügel farblich vom Rest des Wagens abgesetzt waren. Ich könnte mir vorstellen, dass so etwas wieder in Mode kommt.“