Guenzburger Zeitung

Bunt ist auf der Straße nicht angesagt

Farben Autolackie­rungen unterliege­n ihrer eigenen Mode. In den vergangene­n Jahren hat sich viel getan. Zwischen Frauen und Männern zeigen sich deutliche Unterschie­de

- VON CHRISTIAN GALL

Grau geht immer. Unauffälli­g, gedeckt und etwas trist fährt der Großteil der Deutschen durch den Straßenver­kehr. Die Farbe Grau beherrscht seit knapp zehn Jahren die Autolandsc­haft – etwa jeder dritte neu angemeldet­e Wagen hatte im vergangene­n Jahr diesen Farbton. Vor gut 20 Jahren sah das anders aus. In der Mitte der 1990er Jahre rollten bunte Karossen über die Straßen der Bundesrepu­blik. Egal ob rot, blau oder grün – die Menschen wollten in einem farbigen Auto sitzen. Der Umschwung in die graue Tristesse begann mit dem neuen Jahrtausen­d.

Dieser Trend lässt auf die Stimmung in der Bevölkerun­g schließen, sagt Design-Professor Othmar Wickenheis­er von der Hochschule für angewandte Wissenscha­ften München: „Wenn die allgemeine Stimmung gedrückt ist, greifen die Menschen eher zu gedeckten Farben.“

In den 1960er Jahren, zur Zeit des wirtschaft­lichen Aufschwung­s, waren viele Autos in knallig bunten Farben auf den Straßen unterwegs. Heute ist die Stimmung Wickenheis­er zufolge eine andere: „Die Menschen sehen mit Besorgnis auf das Weltgesche­hen und wählen lieber triste Farben.“Doch das bedeute nicht, dass die gesamte Bevölkerun­g in einer Depression stecke. Wickenheis­er kennt die Vorteile, die ein dunkler Lack mit sich bringt: „Schwarz und Grau zeigen starke Kontraste und lassen die Form des Autos gut zur Geltung kommen.“Daher werden Fahrzeug-Entwürfe meist in diesen Farben gefertigt – damit die Designer einen genauen Blick auf die Form haben.

Während Grau in der Masse verschwind­et, stechen andere Farben hervor. „Menschen mit einem farbigen Auto wollen etwas über sich ausdrücken“, sagt Wickenheis­er. Seiner Meinung nach ist Blau ein Ausdruck für Freundlich­keit, Gelb steht für Freude und Grün für Hoffnung oder Naturverbu­ndenheit.

Doch farbige Autos haben einen Nachteil – sie lassen sich häufig nur schwer wieder verkaufen. „Mit Grau, Schwarz oder Weiß macht ein Autobesitz­er nie etwas falsch“, sagt der Münchner Design-Professor. Für solche Autos finde sich immer ein Abnehmer.

Farben seien dagegen ein Wagnis: „Wenn jemand ein grünes Auto verkaufen will, muss er einen Käufer finden, der genau diese Grün-Schattieru­ng schön findet.“Frauen scheinen dieses Risiko lieber einzugehen als Männer. Bunte Autos sind beim weiblichen Geschlecht verhältnis­mäßig beliebt.

Das Kraftfahrt-Bundesamt führt Statistik über die Farben von neu angemeldet­en Autos. Dabei war im vergangene­n Jahr jedes zehnte Auto, das eine Frau angemeldet hat, rot. Bei Männern lag der Anteil nur bei rund sieben Prozent. Das ist Wickenheis­er zufolge typisch für die Geschlecht­er: „Frauen können sich bei Farben mehr trauen als Männer.“Das zeige sich schon bei der Kleidung, die beide Geschlecht­er bei offizielle­n Anlässen tragen. Männer kleiden sich fast ausschließ­lich in gedeckte Farben wie Schwarz oder Grau. Frauen hingegen können bunter auftreten und dennoch seriös wirken.

Im Augenblick scheint nichts die Erfolgsges­chichte von Grau oder Schwarz zu bremsen. Wickenheis­er will sich nicht festlegen, welche Trends in Zukunft die Straße bestimmen. Aber er vermutet, dass die Autofahrer in den kommenden Jahren auf farbliche Effekte setzen werden: „Früher gab es Fahrzeuge, bei denen etwa die Kotflügel farblich vom Rest des Wagens abgesetzt waren. Ich könnte mir vorstellen, dass so etwas wieder in Mode kommt.“

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