Alt heißt nicht altbacken
Konzert Die Besucher im Wettenhauser Kaisersaal erfahren, dass die vom Vocaleensemble Dinkelscherben vorgetragenen Volkslieder durchaus modern sein können
Man hört sie nur noch selten. Volkslieder sind aus der Mode gekommen. Doch wenn sie von Könnern vorgetragen und von inspirierten Arrangeuren gesetzt werden, zeigen sie, was in ihnen steckt. Die Zuhörer des Konzertes im Wettenhauser Kaisersaal durften dieses seltene Erlebnis genießen.
Markus Putzke bot mit seinem Vocaleensemble Dinkelscherben unter dem Titel „Wo man singt, da lass dich ruhig nieder“eine Reise durch die Welt der anspruchsvollen Volkslieder aus dem 15. bis 20. Jahrhundert.
Die hervorragend präparierten Sänger machten es den Konzertbesuchern möglich, nicht nur die raffi- nierten und abwechslungsreichen Melodien mitzuerleben, sondern auch die Texte zu verstehen. Und siehe da: Das Volkslied ist gar nicht altbacken und kitschig. Viele der Lieder befassen sich mit allgemeingültigen Themen, die Leid und Trennung beinhalten oder Glück und Frohsinn.
Das Vocaleensemble präsentierte sein umfangreiches, 24 Lieder umfassendes Programm in fünf Themenblöcken. Den Tageszeiten folgten die Jahreszeiten, mit Lieb und Leid und Spaß und Freude ging das Konzert weiter, um schließlich mit dem Thema Heimat zu enden.
Da blieb viel Raum für weithin Unbekanntes wie auch für allgemein Bekanntes, das aber durchaus zur Klangpremiere werden konnte, da Markus Putzke immer wieder auch auf zeitgenössische Sätze zurückgriff, um eingefahrene Hörmuster zu knacken.
Doch im Wiederhören der bekannten Lieder entwickelte sich, trotz neuen Satzes, eine freudige Erinnerung, sei es an berühmte Gedichte, sei es an ihre einst überall präsente Vertonung: Der Mond ist aufgegangen, das Gedicht von Matthias Claudius, hat bis heute nichts von seiner Innigkeit eingebüßt, ebenso Paul Gerhards Hymne an eine grundsätzlich schöne Welt. Mit „Ännchen von Tharau“brachte das Vocaleensemble eines der wohl intensivsten und schönsten Liebeslieder auf die Bühne.
Und natürlich war Goethes „Sah ein Knab’ ein Röslein steh’n“für die überwiegende Mehrzahl der Konzertbesucher ein beglückendes Wiederhören.
Lustig präsentierte sich das Vocaleensemble zum Ende der Veranstaltung: „Tanzen und springen“, das fröhliche Lied aus dem 16. Jahrhundert, klang, gesetzt von Gunther Martin Götsche, modern und mitreißend. Die so entzündete gute Laune steigerten die Sänger mit der einst von Kindern und Jugendlichen viel gesungenen „Als wir einst in Regensburg waren“.
Der Parforceritt durch die Gemüter beruhigte sich zum Ausklang, der einen melancholischen Blick auf die Heimat warf. Für nicht wenige neu war der Hinweis, dass es sich beim durch Elvis und Dampferfahrten berühmt gewordenen „Muss i denn“um ein urschwäbisches Lied handelt, das das Vocaleensemble als Zugabe und Referenz an Gastgeberin Schwester Amanda zum Besten gab.
Zwischen den Auftritten der Sänger durften die Zuhörer dem Querflötenensemble des St.-ThomasGymnasiums lauschen, das mit einem zeitgenössischen und einigen romantischen Stücken sein hohes Können zeigte. Immerhin haben die jungen Damen den ersten Preis im Regionalwettbewerb errungen und erfolgreich beim Landeswettbewerb von Jugend musiziert teilgenommen.
Das Benefizkonzert gab das Vocaleensemble Dinkelscherben zugunsten der notwendigen Sanierung des alten Konzertflügels im Kaisersaal. Elke Gallenmüller, Querflötenlehrerin, und ihr Kollege Markus Putzke (Klavier) luden die Zuhörer auch noch zum Träumen ein: mit der Reverie von Claude Debussy.