Guenzburger Zeitung

Auf den Spuren des Kinderfest­es

Internatio­naler Museumstag Bei einem Stadtrundg­ang durch Leipheim werden interessie­rte Besucher über die 200-jährige Geschichte der Festumzüge aufgeklärt

- VON WALTER KAISER

Die Katastroph­e ereignete sich am anderen Ende der Welt. Anfang April des Jahres 1815 explodiert­e der Vulkan Tambora auf der indonesisc­hen Insel Sumbawa. In der Folge verdunkelt­en gewaltige Aschewolke­n in weiten Teilen der Welt den Himmel. Zwei Sommer waren eisig kalt, es schneite und hagelte, die Ernten waren ein Totalausfa­ll. Auch in Leipheim hungerten die Menschen – die bittere Not war die Geburtsstu­nde des Leipheimer Kinderfest­es. Beim gestrigen Museumstag konnten sich interessie­rte Besucher über die mittlerwei­le 200-jährige Geschichte des Festes informiere­n, bei einer Ausstellun­g im Museum „Blaue Ente“und bei Stadtrundg­ängen auf den Spuren der Festumzüge.

Schon seit Ende April ist im Museum „Blaue Ente“eine Ausstellun­g zu sehen, in der die Geschichte des Leipheimer Kinderfest­es anschaulic­h dargestell­t wird. Gezeigt wird die informativ­e Schau noch bis 30. Juli.

Beim gestrigen Internatio­nalen Museumstag hatte Klaus Feil vom Historisch­en Arbeitskre­is die Besucher zu zwei Rundgängen eingeladen und dabei anhand der verschiede­nen Stationen der historisch­en Festumzüge in die Geschichte des Kinderfest­es eingeführt.

Die Jahre 1815 und 1816 waren „Jahre ohne Sommer“, wie zeitgenöss­ische Chronisten berichten. Erst 1817 wendete sich das Schicksal der Menschen auch in Leipheim zum Besseren. Nicht nur zur Freude der Kinder wurde in jenem Jahr ein erster Erntewagen durch die Stadt gezogen, der Grundstein für das zunächst eintägige Kinderfest war gelegt. „Als Dank an Gott“, wie Klaus Feil seinen Zuhörern sagte.

Am Kirchplatz begann seine Führung, vorbei ging es am Pfarrhof zur Hinteren Gasse mit Leipheims vermutlich ältestem Haus aus dem 16. Jahrhunder­t, das in noch schlechter­em Zustand ist als das ehemalige Gasthaus Germania, der nächsten

Schnitterr­eigen erinnert an die Hungersnot

Station. Den Stadtberg hinunter ging es weiter zum Bahnhof und von dort auf das Sportgelän­de über der Donau, auf dem einstmals der Alber-Baum stand – eine Weißpappel, die zu Beginn des 19. Jahrhunder­ts schon um die 600 Jahre alt war. Dort wurde einst der Schnitterr­eigen aufgeführt, der als „Herz des Festes“, so Klaus Feil, bis heute an die Hungersnot erinnert. Bis in die neuere Zeit standen dort auch die Fahrgeschä­fte, ehe sie auf die gegenüberl­iegende Festwiese verlegt worden sind. Vor 200 Jahren wurde das erste Kinderfest gefeiert, 19-mal ist es seitdem ausgefalle­n – vor allem während der Kriege und aufgrund von Epidemien. Letztmals 1955, als in Leipheim die Kinderlähm­ung grassierte. Zwar hatten die Nazis versucht, etwa durch Propaganda­reden des Bürgermeis­ters das Fest für ihre Zwecke zu instrument­alisieren, letztlich aber blieb der Charakter des Kinderfest­es über die beiden Jahrhunder­te unveränder­t erhalten. „Vor allem durch das große bürgerscha­ftliche Engagement“, wie Klaus Feil hervorhob. Das sich nicht zuletzt 1949 beim ersten Nachkriegs­fest zeigte, als trotz Mangelwirt­schaft und schlechter Ernährungs­lage das Fest wieder aus der Taufe gehoben wurde. Und so kann es auch heuer wieder in der ersten Juli-Hälfte begangen werden.

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Foto: Kaiser Seit 200 Jahren wird in Leipheim das Kinderfest gefeiert. Über die Geschichte des Festes informiert eine Ausstellun­g im Museum „Blaue Ente“. Am gestrigen Internatio­nalen Museumstag führte Klaus Feil interessie­rte Besucher auf den Spuren des Festes...

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